Ok, ok.. ich weiß, ihr werdet gerade ohnehin von allen Seiten mit diesem Thema beömmelt. Es macht ja gerade ganz groß die Runde, dass das Institut der amerikanischen Automobilversicherer (Insurance Institute for Highway Safety – IIHS) sich eine neue Form von Crashtests anhand ihrer Unfallstatistiken überlegt hat, bei dem diverse Hersteller reihenweise gescheitert sind. Nun wird ja gerade hierzulande Schlagzeile damit gemacht, dass sich insbesondere die deutschen Hersteller nicht mit Ruhm bekleckert, gar „blamieren würden“, wie der FOCUS schreibt. Eigentlich hat sich aber quasi jeder Hersteller blamiert, mit Ausnahme Volvo, die wirklich gut abschnitten und Acura, dem amerikanischen Nobel-Ableger von Honda, welche wohl immer noch ausreichend abschnitten. Danach gab es nur noch etwas von Infiniti zu hören und der ganze Rest darf zum Nachsitzen kommen.

VW CC Crashtest

Dass das Thema so hohe Wellen schlägt hätte ich ehrlich gesagt nicht erwartet, als ich vor zwei Tagen das erste mal darüber gelesen habe. Und eigentlich wollte ich auch nichts groß dazu schreiben, das Thema wird ja in allen Medien schon ausreichend durchgekaut. Wirklich überrascht war ich aber, als ich gestern Abend im Fernsehen eine Stellungnahme es Herren aus der Mercedes-Benz Unfallforschung vernehmen durfte, in welcher man nichts besseres zu tun hatte, als das Testverfahren zu kritisieren, es sei nicht normiert und und und. Sicher, Teile dieser besonders drastischen „da können wir nichts für“-Haltung gehen auch auf die Darstellung von RTL zurück. Aber dennoch war ich leicht überrascht, das zu lesen. Statt einem „Gut, dass es diesen Test gab, da sollten jetzt alle mal Gas geben und nachbessern“ wurde daraus ein „Pffff, solch ein Aufprall ist eh unwahrscheinlich und wir haben nach Euro NCAP 5 Sterne blablubb“.

"Testsieger" - Schwedenstahl, Volvo V60
„Testsieger“ – Schwedenstahl, Volvo V60

Was genau hat das IIHS denn nun getestet? Teil der üblichen Sicherheitstests und -vorschriften ist ein versetzter Frontalaufprall mit einem stehenden Hindernis. Versetzt deshalb, weil die meisten Frontalunfälle im Straßenverkehr entsprechend versetzt passieren. Dabei ist derzeitige Norm eine Aufprallfläche von 40%. Das IIHS hat im Grunde genommen genau diesen Test genommen, die Aufprallfläche aber auf 25% reduziert. Mit der Folge, dass natürlich weitaus höhere Belastungen wirken, weil weniger Fläche zum Energieabbau genutzt werden kann. Bei den meisten Fahrzeugen führte das eben dazu, dass die Fahrgastzelle stark verformt wurde, die Beine des Fahrers eingeklemmt wurden oder – wie beim VW CC – die Fahrertür herausgerissen wurde und damit kein Schutz mehr für den Fahrer gewährleistet ist. Nach den Zahlen des IIHS geht der Trend bei Unfällen nämlich eher in Richtung „weniger frontale Aufprallfläche“, womit dieser 25%-Test näher an der Realität sei. Das IIHS kritisiert zudem, dass die Knautschzonen speziell daraufhin optimiert werden, den NCAP-Crashtestnormen zu entsprechen, weniger die noch real existierenden Gefahren zu minimieren.

VW CC - ausgerissene Türe
VW CC – ausgerissene Türe

Jetzt bin ich natürlich kein Unfallexperte, da wäre der Markus Winninghoff der bessere Ansprechpartner, aber ganz nüchtern betrachtet: wenn nachweisbar ist, dass mehr Unfälle mit dieser geringeren Aufprallfläche passieren, dann sollte da doch gar nicht lange um den heissen Brei herumgeredet werden. Ist es denn so schwer zu sagen „Jawoll, das hatten wir so nicht auf dem Schirm, wir haben andere Zahlen“ und dann beginnt man in diese Richtung hinzuentwickeln? Mit dieser Defensivhaltung und bloß Verantwortung von sich weisen, setzt man sich doch nur selbst ein Ei ins Nest und wirkt unglaubwürdig, oder nicht? Also hopp, hopp, Gas geben und nachbessern bitte! Das IIHS will diesen Crashtest jetzt übrigens ins Standardtestverfahren aufnehmen und die Hersteller damit unter Druck setzen.


Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

5 Kommentare

  1. Ich weiß nicht, mir reichen die Unfallstatistiken und vor allem das Gefühl, selber schon 2 mal von dem Blech um mich herum gerettet worden zu sein. Ich denke die Fahrzeuge sind inzwischen sehr sicher geworden, müssen nur noch die Fahrer etwas „sicherer“ werden 😉

  2. Ich seh nur das die Autos immer Schwerer werden. Ein Großteil eben auch um Unfallsicher zu sein. Schön zu sehen am Smart ForTwo der heute ein ganzes stück größer ist als der erste. Ein richtig leichtes Auto kann man gar nicht mehr kaufen.

    Natürlich ist es schön wenn die Autos immer sicherer werden aber das hat auch irgendwo seine Grenze. Aber natürlich ist auch zu hoffen das die Hersteller wirklich die Autos sicherer bauen und nicht nur die vorgegebenen Tests abklappern, aber bei der kleinsten Abweichung gibts tote. Denn echte Unfälle sind nicht Standardisiert. 😉

  3. Ich finde, man kann den Herstellern hier nur begrenzt einen Vorwurf machen. Wenn man die Fahrzeugentwickler auf bestimmte Testkriterien festnagelt, darf man sich nicht wundern, wenn die Fahrzeuge dafür ausgelegt werden. Das ist das gleiche wie mit den Normverbrauchsmessungen. Auch dafür werden die Fahrzeuge ausgelegt, nicht für die Praxis.

    Ob nun Fahrzeuge mit 25% oder mit 40% Überdeckung öfter zusammenprallen, ist eigentlich sekundär. Statistisch mag das eine gewisse Relevanz haben, für den Einzelfall in der Praxis ist das aber furchtbar egal. Und da gibt es immer wieder Szenarien, wo der Laie sagt: „Wieso hat die Karre das nicht ausgehalten, der soll doch so sicher sein?!?“. Der Fachmann guckt sich den Schaden an und denkt: „Siehste.“

    Wenn von Fahrzeugen eine bestimmte Belastbarkeit für einen eng eingegrenzten Lastfall verlangt wird, darf man sich nicht wundern, dass die Fahrzeuge versagen, wenn ein anderer Lastfall vorliegt. Interessant auf Fachtagungen zu sehen ist in dem Zusammenhang, wie eng die Entwickler scheuklappenartig nur in diesen Lastfällen denken. Weil eben schlicht keine absolute Crashsicherheit gefordert wird und zu leisten ist. Wenn man nun anfangen würde, die Fahrzeuge für den obigen Lastfall zu konstruieren, kommt nächste Woche einer daher und lässt die Fahrzeuge im Krebsgang mit 15° Winkel und 20% Überdeckung mit 80 km/h gegen eine Betonbarriere brettern. Dann fängt das Gejammer wieder von vorn an.

    Man muss sich halt klarmachen, und das ist vielleicht der Vorwurf, den man den Herstellern machen kann, dass die viel beschworene Sicherheit eben ihre Grenzen hat, auch wenn die Hersteller das natürlich schlechterdings als Werbebotschaft transportieren können.

  4. Den RTL-Beitrag mit dem Mercedes-Mann hatte ich auch gesehen und ließ mich ebenfalls verwundert zurück.
    Wie jetzt, der US-Crashtest entsprach nicht den Normen? Dass Crashtests zwecks Vergleichbarkeit genormt werden, ist klar. Aber mir schien es, hier wollte jemand von genormten Unfällen sprechen. Und das kommt mir doch wieder sehr fahrlässig vor. NCAP gut und schön, aber diese Normen decken eben nur ein begrenztes Feld möglicher Szenarien ab. Daher denke ich auch: hopp, hopp – nachbessern.

  5. Naja, das mit dem Test ist so ne Sache, der springende Punkt ist nicht die Auftrittsfläche sonder ob das Hindernis deformierbar ist. Getestet wurde hier: Auto gegen Brückenpfeiler. Hier zeigt die Statistik wohl klar in den Promillebereich. Viel interessanter wirds bei der Geschwindigkeit 😉 schon mal Crashtests mit 90 statt mit 80 km/h gesehen?

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