Während dank üppiger Subventionen in Ländern wie Norwegen bereits das ein oder andere Elektroauto die monatliche Zulassungsstatistik anführt, ist die Elektromobilität in Deutschland noch nicht wirklich angekommen. Zu teuer und zu wenig Reichweite – obwohl letzteres eigentlich für den Durchschnittsfahrer ein an den Haaren herbeigezogenes Argument ist – sollen immer noch die Stolpersteine sein. Gut dass jetzt VW mit dem e-Golf um die Ecke kommt: der ist zwar auch teurer und kommt nicht weiter als seine Konkurrenten. Aber er ist vor allem eines: ein Golf.

VW e-Golf

Geschickt gemacht haben es die Wolfsburger ja durchaus: erst wartet man ab, schaut was die Konkurrenz macht, um dann mit Pauken und Trompeten zu feiern, dass man plötzlich der Vorreiter der Elektromobilität sei. Ob das nun ein wenig hochgegriffen ist? Vermutlich. Ob der e-Golf wirklich das erste Großserienelektroauto ist, wie es VW behauptet? Streitbar. Aber er ist jetzt eben da und geht dabei ganz andere Wege, als der Wettbewerb. Bei BMW hat man mit dem i3 einen radikalen Schnitt vollzogen und von vorne bis hinten ein Auto entworfen, das anders sein soll und anders ist. VW hingegen hat einen elektrischen Antriebsstrang erdacht, der einfach so überall passt, wo auch ein 1.4er TSI passen würde. Man halt also mal eben einen Antriebsstrang auf die Beine gestellt, der theoretisch in das nahezu komplette Portfolio passt. Die Batterien werden beim Golf kurzerhand im Unterboden verstaut, der E-Golf liegt damit auch tatsächlich wenige Millimeter tiefer, als ein regulärer Golf. Das wiederum hilft natürlich auch, den Luftwiderstand zu reduzieren.

VW e-Golf Motor

Optisch unterscheidet sich der E-Golf nur geringfügig von seinen Kollegen: große klammerförmige Tagfahrlichter in der Frontschürze sind da noch das auffälligste Erkennungsmerkmal. Diese werden durch eine Chromleiste optisch miteinander verbunden. Daneben finden sich ein paar blaue Linien – blau ist schließlich das neue grün. Im Innenraum finden sich diese blauen Details hier und da wieder, wenn es um die Farbe der Nähte oder Akzente beim Gangwählhebel geht. Über den lassen sich natürlich keine Gänge im eigentlichen Sinne steuern. Ganz wie man es von seinen ferngesteuerten Elektroautos von früher auch noch kennt, kann der E-Golf im Grunde nämlich nur vorwärts und rückwärts. Mit einem Gang bei einer festen Übersetzung. Lediglich der Grad der Rekuperation und die damit einhergehende Bremswirkung beim lösen des Gaspedals lassen sich mit dem Wählhebel noch einstellen. In der höchsten Stufe ist die Verzögerung durch den Generator bereits so hoch, dass die Bremslichter angehen. Einmal daran gewöhnt, kann man dadurch im Stadtverkehr nahezu ohne mechanischer Bremse fahren, erst auf den letzten Metern vor dem Stillstand muss man das zweite Pedal bemühen.

VW E-Golf Gangwählhebel

Ansonsten ist beim E-Golf eigentlich alles, wie bei jedem Golf. Man sitzt bequem, man fährt bequem, man kann problemlos rundum schauen und auch sonst ist alles völlig idiotensicher. Einsteigen, Sitz einstellen, Bremse drücken und – das ist die wohl einzige Überraschung am e-Golf – Zündschlüssel drehen. Ein kurzes „Piep!“ in Verbindung mit einem „READY“ im Kombiinstrument signalisieren: „Ich bin bereit, fahr‘ mit mir wohin Du willst!“. Dem Befehl kann man dann auch unmittelbar Folge leisten, zumindest für die nächsten 190 Kilometer. Dann will der e-Golf wieder an die Steckdose. Lässt man den Zeiger der Fahrleistungsanzeige – so nennt VW das Ding, das auf einer Skala von 0-10 anzeigt, wie viel Leistung gerade abgerufen wird, wobei die 10 für 100% steht – allerdings zu häufig am rechten Maximalausschlag anliegen, reduziert sich die Reichweite natürlich. Allerdings nicht so heftig, wie eigentlich von mir erwartet. Selbst mit groben Beschleunigungsmanövern und kaum rekuperationsfreundlichem Bremsverhalten war die Reichweite nicht nennenswert zu dezimieren. Schlimmer hat sich hier schon das Einschalten von Heizung, Klimaanlage oder Heckscheibenheizung ausgewirkt: alles auf Anschlag zeigt die Restreichweite mal eben 70 statt 135 km an. Mit Fernlicht ist auch nicht viel zu holen, denn der e-Golf fährt konsequenterweise rundum mit LED-Beleuchtung.

VW e-Golf Tacho / Kombiinstrument

Im Display des Infotainmentsystems kann man sich zudem statistische Daten zur Rekuperationshäufigkeit und -stärke der zuletzt zurückgelegten Kilometer anzeigen lassen, aber vor allem auch individuelle Timer programmieren. Die haben den Hintergrund, dass man das Auto so zu 3 unterschiedlich einstellbaren Zeiten beispielsweise vorklimatisieren kann.

VW e-Golf

Tja und fahren? Ja, das kann er auch. Und das kann er sogar richtig gut. Von der Ampel weg ist er – zumindest sofern die nächste Ampel nicht zu weit entfernt liegt – ein klarer Sprintkönig. Bis beim normalen Auto die Kupplung geschlossen hat und überhaupt erst Leistung anliegt, rekuperiert sich der e-Golf schon wieder an die nächste Ampel heran. Kein Wunder, der Elektromotor schiebt schließlich ab der ersten Umdrehung mit vollem Drehmoment an. 12.000 Umdrehungen macht er dabei maximal. Das entspricht in der Übersetzung des e-Golf 140 km/h. Schneller darf er nicht stromern. Muss er aber auch nicht, denn für die Langstrecke ist er ohnehin nicht gedacht. Hören tut man von all dem auch nichts, denn man hat sich Mühe gegeben, auch die Geräusche des Elektromotors möglichst gut wegzudämmen. Während man von anderen E-Autos so eigentlich noch eine S-Bahn-Geräuschkulisse gewohnt war, hört man beim e-Golf einfach: nichts. Und das ist sein Segen.

VW e-Golf

Fazit

Geräuschloses Fahren? Erst im e-Golf so richtig Wirklichkeit geworden. Wie entspannt das Fahren in der Stadt dadurch wird: kaum in Worte zu fassen. Und das alles mit dem Bonus verknüpft, dass man sich an nichts neues gewöhnen muss. Der e-Golf ist einfach genau das, was Generationen von Autofahrern schon vom Golf kennen und lieben. Ein Golf. Nicht mehr und nicht weniger. Nur eben leise. Ohne Geräusche. Und damit total entspannend. Mit 34.900 Euro aber vor allem eines: teuer. Dafür bekommt man bei BMW jede Menge Carbon, Leichtbau, recyclebare Wertstoffe. Und bei VW? Einfach ein vollwertiges Auto. Die Zukunft wird zeigen, welches der richtige Weg war. Revolution oder Evolution. Kollege Bjoern ist allerdings schon jetzt der Meinung, dass wir hier vor allem eines sehen: das was man wohl bald meistverkauftes Elektroauto der Welt nennen dürfte. Man darf gespannt sein.

VW e-Golf

 

Text: sb
Fotos: sb/Fabian Mechtel

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Technische Daten

Volkswagen e-Golf

Motor-Bauart:
elektrischer Synchronmotor mit 1-Gang-Automatikgetriebe
Leistung:
85 kW / 116 PS
Höchstgeschwindigkeit:
140 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h)
10.4 Sekunden

Grundpreis Volkswagen e-Golf:
34.900
Leergewicht:
1.585 kg
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
4.254 mm / 1.799 mm / 1.452 mm

Disclosure zur Transparenz

Ich wurde von Volkswagen nach Berlin eingeladen. Reisekosten, Verpflegung und Übernachtung wurden von Volkswagen übernommen. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.

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Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

8 Kommentare

  1. Hallo Sebastian,

    ein klasse Artikel, der einen bei der Kaufentscheidung richtig weiterbringt. Dazu die gute Bildauswahl und die vielen Daten. So macht das großen Spaß.

    DANKESCHÖN und beste Grüße
    Peter

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