Nehmen wir mal an, ihr habt gerade ein bisschen Geld auf der hohen Kante liegen. Sagen wir mal so vierhundert-, fünfhunderttausend Euro. Was gäbe es da schöneres, als die letzten Sonnenstrahlen des Jahres in diesem sonnig goldenen Herbst fürstlich zu genießen? Bestenfalls offen, „oben ohne“, in einem schönen Cabriolet, pardon: Drophead Coupé? Wenn das jetzt dreimal „Ja“ war, dann habe ich hier etwas für euch: das Rolls-Royce Phantom Drophead Coupé!

Rolls-Royce Phantom Drophead Coupé

Stellt euch vor: traumhafter Herbst, die Bäume rot und golden gefärbt. Die Sonne scheint und ihr gleitet quasi geräuschlos mit offenem Verdeck, nur umgeben von einer seichten Brise ums Gesicht, über die Landstraße. Dazu feuert ein Soundsystem im Wert eines Kompaktwagens eure Lieblinsmusik um die Ohren, als würdet ihr im geschlossenen Konzertsaal sitzen. Genuss, alles läuft, ohne auch nur einen Gedanken daran verschwenden zu müssen, warum es überhaupt so läuft. Es passiert einfach. Dann dieser stinkende, lahmende LKW vor euch. Kein Problem, die 460 PS, vor allem aber die 720 Nm Drehmoment werden’s schon richten, schieben die 2,7 Tonnen verteilt auf über 5,6 Metern Länge lässig am LKW vorbei. Der mächtige V12 mit seinen 6,75 Litern Hubraum gibt unter der langen Haube, an deren Ende die legendäre Eleanor den Weg weist, höchstens ein sanftes Grummeln von sich.

Rolls-Royce Phantom Drophead Coupé - Eleanor Thornton, nicht Emily

„Effortless“, völlig mühelos, ist das Credo der britischen Luxusmarke unter bajuwarischem Einfluss. Und das spürt man. Wer glaubt, der Fahrkomfort einer S-Klasse oder eines Audi A8 sei das Maß aller Dinge, liegt mindestens ebenso falsch, wie die Leute, die behaupten, die verchromte Kühlerfigur würde Emily heißen. Die Herausforderung an einen Motorjournalisten oder Auto-Blogger? Ohne die Verwendung völlig abgedroschener Phrasen lässt sich dieses Gefühl, dieses „Effortless“, das man mit jedem Meter zu spüren bekommt, kaum in Worte fassen, denn man muss es vor allem erleben.

Rolls-Royce Phantom Drophead Coupé Innenraum / Cockpit

Mit den Schlagworten „Premium“ und „Luxus“ ist das ja so eine Sache. Gute Autos baut immerhin schon fast jeder. Hervorragende Verarbeitung? Na, die gibt’s ja auch bei Audi, Mercedes und BMW. Wie kann man in einem solchen Umfeld dann überhaupt noch etwas exklusives auf die Beine stellen, dass sich von der Konkurrenz abhebt? Klar, man kann seinen Luxus plakativ zur Schau stellen und grässliche Swarovski-Kristalle auf das Tagfahrlicht kleben. Dem klassischen Understatement eines Rolls-Royce würde das aber so sehr entsprechen, wie die Queen im Minirock auf einem Opernball – mal ganz davon abgesehen, dass 5,6 Meter Länge und knapp 2 Meter Breite nichtsdestotrotz eine gewisse Dekadenz zur Schau stellen.

Rolls-Royce Phantom Drophead Coupé

Nein, der wahre Luxus konzentriert sich im Rolls-Royce ganz darauf, dem Fahrer und allen Insassen ein besonderes Erlebnis zu bescheren. Da lenkt nichts unnötig ab. Knöpfe und Schalter sind im Innenraum ein seltener Anblick. Alleine die Steuerung des von BMW stammenden Infotainmentsystems versteckt sich in einer Konsole auf dem nicht durchgehenden Mitteltunnel – oder vielleicht eher „Mitteltempel“. Muss man das Navi nicht bedienen, muss man auch dessen Schalter nicht sehen. Und überhaupt geht das alles eigentlich auch wunderbar per Sprachsteuerung von der Hand. Die Klimaanlage ließe sich natürlich auch auf exakte Temperaturwerte einstellen, aber wen interessieren schon, ob es 22 oder 22,5 Grad warm sein soll im Innenraum? Nein, zwei Warm-/Kalt-Rädchen, eines für den Oberkörper, eines für die Füße, reichen aus, um den Fahrer nach seinem Wohlbefinden zu befragen, der Öffnungsgrad der einzelnen Lüftungsdüsen wird über ein feines ausziehbares Gestänge gesteuert – echte Mechanik und Handwerkskunst, die sich hier noch erfühlen lässt.

Rolls-Royce Phantom Drophead Coupé

„Und was ist mit der Quertreiberei? Der geht doch gar nicht ums Eck!“, höre ich euch schon rufen. Und es schein, dass ich euch Recht geben muss. Aber ihr ahnt es schon: wen interessiert es, ob sich dieses Coupé, das den Kopf fallen lassen kann, in 5,8 Sekunden auf 100 km/h stürmt. Wen interessiert es, dass das DSC vollständig abschaltbar und die ganze Fuhre, wenn es denn unbedingt sein muss, auch quer zu bewegen ist, obgleich die Karosseriebewegungen einem betrunkenen Kapitän auf der Queen Mary bei wildem Seegang entsprechen? Nein, ausnahmsweise muss ich hier einmal sagen: man macht sowas einfach nicht. Die Queen setzt man ja schließlich auch nicht als Sozius auf’s Pupperlhutschn und fährt dann mit ihr Maximum Attack im Wertungsprüfungsstil über alpine Bergpässe. Das Rolls-Royce Phantom Drophead Coupé definiert sich durch seinen Genuss, durch seine Art, alles genießen zu dürfen, ohne vom Fahren gestört zu werden. Und doch gibt es auch dem leidenschaftlichsten Petrolhead genug Stoff, sich am Fahren und am Automobil zu erfreuen – dann, wenn man es eben auch möchte. Lässt so ein Rolls-Royce also keine Wünsche offen? Fast. Eine Sitzkühlung, die würde ich mir noch wünschen. Aber in Anbetracht des butterweichen Lammfellteppich, ist das auch nur noch nebensächlich.

Rolls-Royce Phantom Drophead Coupé

Text: sb
Fotos: sb

Technische Daten

Rolls-Royce Phantom Drophead Coupé

Motor-Bauart:
Zwölfzylinder, DOHC, 48V mit Benzindirekteinspritzung
Hubraum:
6.749 cm³
Leistung:
338 kW / 460 PS bei 5.350 U/Min
Drehmoment:
720 Nm bei 3.500 U/Min
Höchstgeschwindigkeit:
240 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h)
5.8 Sekunden
Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
22.8 L / 10.2 L / 14.8 L Superbenzin (ROZ 95)

Grundpreis Rolls-Royce Phantom Drophead Coupé:
440.000
Leergewicht:
2.705 kg
Max. Zuladung:
345 kg
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
5.612 mm / 1.987 mm / 1.566 mm

Disclosure zur Transparenz

Ich wurde von Rolls-Royce nach München eingeladen. Alle anfallenden Reisekosten habe ich selbst getragen. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.

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Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

16 Kommentare

  1. MEEEHRRR! Jeden Tag check ich deinen Blog, einfach nur auf der Suche nach neuen oder noch nicht gelesenen Artikeln. Ich finds klasse wie du schreibst und Emotionen und Spaß vermittelst… Es gibt viele Blogs aber nur wenige die mich so begeistern:) Top Arbeit! Einfach nur meeeeeehhhr 😉

    • Hahaha 🙂 Vielen lieben Dank dir! Ich gebe mir Mühe, meine Artikelfrequenz wieder ein wenig anzuheben, spannende Themen habe ich noch genug auf dem Stapel. Freut mich zu lesen, dass gerade die Emotionen und die Begeisterung auch wirklich ankommen! Danke dir! 🙂

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