Der Tag begann wunderschön. Nach einem fabelhaften Abend im Restaurant Vidocq, wachten wir morgens in unserem Hotel in Formigal auf und konnten einen beeindruckenden Blick auf die Berge genießen. Das Steuer übergab ich an Katrin, ich wollte während der Fahrt an meinem Artikel für Tag 6 arbeiten. Weit sind wir allerdings nicht gekommen..

Wir sind vielleicht eine halbe Stunde lang gefahren, als plötzlich ein lautes, schlagendes Geräusch aus unserem Radkasten dringt. Im Rückspiegel beobachten wir, wie schwarze Fetzen nach hinten herausschleudern. Sofort fahren wir rechts ran, ich greife zum Funkgerät und erreiche gerade noch so die anderen, bevor der Funkkontakt auf Grund des Geländes abbricht.

#thepluses3 - Reifenpanne in den Pyrenäen

Schadensanalyse: der Profilblock entlang der Mittelrille hatte sich von der Laufläche gelöst. Sie sah schon an Tag 2 vom extrem rauen und offenporigen Belag auf der spanischen Seite ziemlich mitgenommen aus und hat die Tortur letztlich nicht überstanden. „Das passiert, wenn du quietschst“, resümiert Sonat. Tja, ich kann nicht widersprechen.

Während Can & Co ein provisorisches Notfallcamp mit Zelten, Hockern, Getränken, Musik und Sandspielplatz für Sonat errichteten, telefonierte ich mit ADAC, Mercedes-Presseabteilung und dem Mercedes-Notrufservice. Letzterer war sichtlich bemüht, scheiterte aber an den von mir aus dem Command-Online mitgeteilten Koordinaten und konnte meine Position nicht bestimmen, bis dann schließlich ein zweiter Mitarbeiter die zündende Idee hatte, über die Notruffunktion im Auto den Anruf auszulösen. So würden alle Daten elektronisch übermittelt werden, ich würde lediglich bei einem Kollegen im urlaubsbedingt eher dünn besetzten Call Center landen.

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Nächster Versuch also. Die Telefonverbindung hielten wir währenddessen offen. Das nächste Gespräch gestaltete sich ein wenig schwieriger. Denn nun telefonierte ich mit 3 Leuten gleichzeitig: zwei an meiner Handyverbindung und eine Person über die Notruffunktion im Auto – gar nicht so einfach, dabei die richtige Person anzusprechen. Mit Biegen und Brechen hat es dann doch geklappt und dank der elektronisch übermittelten Daten konnte auch endlich mein Standort genau bestimmt werden. Jetzt hieß es nur noch: warten. Auf den Abschlepper und parallel die Nachricht, dass irgendwo hier im Norden, einer der dünnst besiedelten Regionen Spaniens, ein Reifen im Format 225/40/19 aufgetrieben werden kann – im besten Fall natürlich die Dunlop SP SportMaxx RT.

Die anderen zogen währenddessen weiter, zu sehr würde sonst die gesamte Planung aus den Fugen geraten – Top Gear lässt grüßen. Wer eine Panne hat, wird zurückgelassen. Nur vom ungeliebten Ersatzauto war nichts zu sehen… Was Can im GT-R unterdessen gemacht hat, lest ihr bei ihm selbst.

Gute 20 Minuten später bog ein Abschleppwagen in den Feldweg ein, an dem wir den Mercedes abgestellt hatten. „¿Español?“, fragt der Fahrer. „English?“, frage ich und kann mir die Antwort schon denken: „No“. Natürlich. Das kann ja etwas werden. Mittels Google-Übersetzer-Bruchstücken frage ich ihn, wohin das Auto gebracht werden soll, die Antwort tippt er mir ins Handy. Huesca. Hauptstadt der gleichnamigen Provinz in der autonomen Region Aragonien – auch das habe ich schnell bei Google gecheckt, während das Auto aufgeladen wurde und ich Can Bescheid gegeben habe, wohin die Reise für uns geht. Was wären wir heutzutage nur ohne unsere Handys?

Schade eigentlich nur noch, dass Huesca in der völlig falschen Richtung liegt, nämlich eine gute Stunde Fahrtzeit in Richtung Süden aus den Pyrenäen heraus. Die Fahrt dorthin kann man sich trotzdem gefallen lassen. Mit knapp 80 km/h kämpft sich der Abschlepper die Berge hinauf, um dann in die weite Ebene abzutauchen – umso mehr Zeit blieb, die Szenerie zu genießen. Was Spanien landschaftlich zu bieten hat, ist einfach mehr als beeindruckend.

In Huesca wurde das Auto ebenso wortlos abgeladen, wie die vorige Fahrt ausfiel. Lediglich einen Hinweis, wo wir uns melden müssten, gab er uns noch, bevor der Kollege wieder abfuhr. Eine Mercedes-Niederlassung in einem kargen Gewerbegebiet, immerhin aber auch mit einigen höherwertigen Fahrzeugen im Showroom – auch mit AMG-Felgen. Das ließ Hoffnung keimen, dass hier auch unser Reifenformat zu finden sein dürfte. Eine Stunde sollten wir aber noch warten. Siesta. Vor 15:30 Uhr oder 16 Uhr geht hier nichts. Mittags schließen fast alle Läden und öffnen erst am späteren Nachmittag wieder – auch die Mercedes-Niederlassung.

Wir kommen kurz nach 16 Uhr gerade vom Supermarkt zurück, als bereits 2 Mitarbeiter um unseren Mercedes herumstehen und den Reifen begutachten. Der „Boss“, wie er von seinen Mitarbeitern genannt wird, bittet uns, das Auto in die Halle zu fahren. Ein gutes Zeichen? Kann der Reifen gleich gewechselt werden? Die Ernüchterung folgt bald. Die unfassbar freundliche und äußerst bemühte Dame im Kundenservice, Irene, lässt uns wissen, dass das Reifenformat hier in Spanien äußerst selten ist. Man stehe bereits in telefonischem Kontakt mit Dunlop, Michelin und Continental, um ein passendes Gummi zu organisieren.

Wir warten und warten und warten, während wir uns über das Regionalfernsehen mit hektischen Schnitten von Live-Schaltungen auf Campingplätze und leere Autobahnausfahrten amüsieren. Schritte ertönen. „Das muss Irene mit einer guten Nachricht sein“, denke ich mir. Sie ist es. Ihre Nachricht aber kündet uns eine Nacht in Huesca an…

Text: sb
Fotos: sb

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Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

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