Beim Gebrauchtwagenkauf gibt es einige Fallstricke. Nicht nur gibt es zwielichtige Händler, die einen zu gern über’s Ohr hauen möchten (schwarze Schafe gibt es ja leider überall), sondern auch die Autos an sich können so manche Probleme verstecken, die erst im Nachhinein teuer werden.

Daher dachte ich, mal eine kurze Liste zusammenzutragen, die man vor dem Gebrauchtwagenkauf durchgehen sollte, die einem helfen soll, das Risiko stärker zu minimieren.

  1. Modellprobleme recherchieren – ein erster Schritt, damit man überhaupt weiß, worauf man achten muss. Wer kennt ihn nicht, den Checker? Sein Wissen ist sicher auch nicht einfach auf ihn herabgeregnet. Also heißt es: ab in’s Internet! Anlaufstellen hierzu gibt es verschiedene: beim ADAC gibt es für Mitglieder eine Fahrzeugdatenbank, in der man Rückrufaktionen und bekannte Mängel, sowie die Pannenstatistik für ein Modell abrufen kann. Damit bekommt man schonmal einen groben Überblick. Danach sollte man entsprechende Foren oder Wikis aufrufen. Bestenfalls sucht man noch nach der genauen Baureihe. Also z.B. nicht nur nach „3er BMW“, sondern auch „E36“, damit man auch garantiert an der richtigen Stelle landet. In den entsprechenden Foren finden sich meist einige Themen zu den Standardproblemen, FAQs usw.
  2. Marktpreis ermitteln – denn er ist ein wichtiger Indikator, ob das Auto verramscht und damit schon den Anschein eines Problemkindes hat. Darüberhinaus geht es natürlich auch um eine wichtige Verhandlungsgrundlage. Eine Suche nach Modellen mit ähnlichem Baujahr (+/- 1-2 Jahre) und ähnlicher Kilometerleistung (+/- 20.000km) und gleicher Motorisierung verschafft schon einen guten Überblick. Es gilt aber: nicht an den günstigsten Preisen orientieren und auf die Ausstattung, sowie den Standort achten. Autos in Berlin sind meistens günstiger zu haben, als in München.
  3. Fahrzeuggeschichte prüfen – Zur Fahrzeuggeschichte gehört natürlich einerseits ein Verlauf über Reparaturrechnungen etc. Das ist kein Muss, aber schön, wenn es da ist und damit auch eine originale Kilometerlaufleistung bestätigt und einen Überblick verschafft, ob es sich um ein so genanntes „Montagsauto“ handelt. Einen Teil der Historie kann man auch vorab in Erfahrung bringen, zumindest das, was beim Hersteller gemacht wurde: wenn man beim Verkäufer die Fahrgestellnummer anfragt, kann man mit der beim Hersteller nach der Werkstatthistorie fragen und bekommt Überblick über Inspektionen und Reparatur-, sowie Garantiearbeiten. Werft außerdem einen Blick auf die Serviceintervalle: vielleicht ist bald ein Zahnriemenwechsel fällig?
  4. Scheckheft checken – Auch hier gilt wieder: ein lückenloses Scheckheft ist natürlich das Sahnehäubchen, aber kein Muss! Bei Autos über 150.000km ist das ohnehin selten gegeben, denn kaum jemand fährt mit so einem alten Auto noch zum Hersteller. Wenn aber regelmäßige Rechnungen über verschiedene Wartungsarbeiten in den letzten Jahren vorhanden sind, ist auch das als Scheckheftersatz zu verschmerzen. Alternativ ist es natürlich auch immer eine Sache des Vorbesitzers. Kauft ihr von Privat und der Verkäufer vermittelt den Eindruck eines Autoliebenden Selbstschraubers, ist das sicher auch anders zu bewerten, als wenn ihr ein rollendes Show&Shine Car eines Fusseltuners begutachtet.
  5. Auto äußerlich genau untersuchen – Klingt auf den ersten Blick banal, aber nehmt euch die Zeit. Wenn es regnet, bringt das Auto ins Trockene und wischt es ab. Versucht es unter gutem Licht zu betrachten. Selbst wenn ihr es nur noch in der Dämmerung anschauen könnt, nehmt eine Lampe mit, die ein klares, helles und weisses Licht hat. Mit der Glühbirnen-Funzel ist nicht viel zu erkennen. Die Frage ist natürlich: wonach überhaupt suchen? Geht in aller Ruhe mehrmals um das Auto herum, sucht unter gutem Licht nach Roststellen, Lackschäden, Beulen und vor allem: Farbunterschiede! Sind irgendwelche Teile blasser/kräftiger als andere, wurde schonmal etwas ausgetauscht. Wirkt der Lack irgendwo sehr „neblig“ oder wie eine Orangenhaut, wurde schlecht nachlackiert. Schaut euch alle Spaltmaße an: ist etwas ungleichmäßig? Liegt irgendetwas extrem dicht an? Vergleicht dabei auch immer mit der anderen Fahrzeugseite. Öffnet und schließt Türen, um zu schauen, ob sich das „gleich“ anfühlt. Wenn eine Türe sehr schwer auf und zugeht, ist möglicherweise etwas verzogen. Werft dabei auch einen Blick unter Zierleistungen, Dichtungen usw. Oft lauert hierunter irgendwo Rost. Schiebedächer sind auch gerne mal undicht.
  6. Einen Blick unter das Auto riskieren – Das wird schon etwas schwieriger. Im Zweifelsfall einfach das Auto auf einen Bordstein fahren und drunterkriechen. Dabei könnt ihr z.B. die Achsmanschetten auf Dichtigkeit prüfen, dass die noch ganz sind. Am Getriebeausgang nach Ölaustritt suchen und natürlich den allgemeinen Rostzustand des Unterbodens checken. Wenn irgendwo Öl zu sehen ist, genau schauen, wo das herkommt.
  7. Standardverschleißteile checken – Dazu gehören Sachen wie Dämpfer, Radlager, Bremsen, Kupplung usw. Die Dämpfer lassen sich meist während der Fahrt am besten am Fahrverhalten beurteilen. Das obligatorische „Autoschütteln“ im Stand könnt ihr euch getrost sparen. Die Kupplung lässt sich schnell checken, in dem ihr bei angezogener Handbremse und eingelegtem Gang die Kupplung langsam kommen lasst. Säuft der Motor ab, ist die Kupplung noch in Ordnung. Bremsbeläge lassen sich mit dem Finger checken.
  8. Blick in den Motorraum – Hier sind die üblichen Sachen zu tun: Ölstand checken, Farbe es Öls überprüfen, ob z.B. das Öl stark verrust ist. Vor allem aber sollte man sich nicht von einem supersauberen Motorraum blenden lassen. Ein „dreckiger“ Motorraum ist grundsätzlich der ehrlichere, denn eine Motorwäsche kann evtl. Flüssigkeitsaustritte kaschieren. Schaut also im Motor, ob es Stellen gibt, an denen starke Ölfilme zu erkennen sind, ob irgendwo weißliche Flecken zu erkennen sind oder ähnliches.
  9. Reifen untersuchen – Bei den Reifen zuerst auf das Reifenprofil achten: sind die Reifen gleichmäßig abgefahren? Weisen sie am Rand ein „Sägezahnmuster“ auf? Bei ungleich abgefahrenen Reifen, kann das von einer leicht verstellten Spureinstellung bis hin zu komplett verzogener Achse oder kaputten Lagern usw gehen. Auch hier kann eine Probefahrt meist genaueres klären. Bei den Reifen nicht nur auf die Profiltiefe, sondern auch auf die DOT Nummer achten. 2203 bedeutet z.B. dass der Reifen in der 22. Kalenderwoche des Jahres 2003 hergestellt wurde. Also ein sehr alter Reifen, dessen Gummi bei schlechten Bedingungen schon längst nicht mehr die volle Leistung erbringen kann.
  10. Probefahrt machen – Letzten Endes das A und O jedes Fahrzeugkaufes. Nicht nur um zu schauen, ob das Auto überhaupt den persönlichen Geschmack trifft, ob man sich wohl fühlt und die Ergonomie passt. Bei der Probefahrt ist ein gutes Gehör gefragt. Probleme mit den Querlenkern, Radlagern usw. lassen sich meistens durch „mahlende“ Geräusche erkennen. Kaputte Dämpfer schlagen bei Bodenwellen gerne durch und poltern. Auf jeden Fall auch mal mehr als 100km/h fahren, um zu sehen, ob irgendetwas unruhig wird, poltert, wackelt, vibriert, oder oder oder. Bei Tempo 50 auch mal eine Vollbremsung einlegen – natürlich nicht ohne Blick in den Rückspiegel, ob der Verkehr das überhaupt zulässt. Damit gucken, ob das ABS überhaupt funktioniert. Auch eine stärkere Bremsung ohne Hände am Lenkrad solltet ihr probieren, um zu sehen, ob der Geradeauslauf beim Bremsen passt. Beim Beschleunigen auf seltsame Geräusche achten und auch mal mit offenem Fenster fahren. Seltsame Außengeräusche hört man auch ganz gut, wenn man das Beifahrerfenster öffnet und an einer Hauswand vorbeifährt.
  11. Nicht vom Händler einlullen lassen – Ein Händler möchte verkaufen. Wenn er das nicht macht oder dabei Verlust macht, ist er im falschen Beruf. Folglich wird er versuchen, euch möglichst viele schöne Sachen zu erzählen. Dabei wird gerne der gehobene Berufsstand des Vorbesitzers unterstrichen. Aber warum sollte ein Arzt sein Auto besser behandeln, als seine Patienten? Kurzum: hierauf braucht ihr nicht viel geben. Auch die kleine Omi als Vorbesitzerin sagt nicht viel. Wenn ich mir anschaue, wie manch ältere Verkehrsteilnehmer mit schleifender Kupplung bei 5000 Umdrehungen im 2. Gang durch die Stadt juckeln, dann denke ich mir auch da eher: „nein, danke!“. Außerdem wird der Händler natürlich gerne gefundene Mängel herausreden mit Sätzen wie „Na ist halt kein Neuwagen“ und „Wer weiß bei 200.000km schon, was mit so einem Auto passiert ist“. Deswegen:
  12. Jemanden mitnehmen! Eine Begleitperson stärkt euch den Rücken, gibt euch mehr Selbstbewusstsein und macht es dem Händler schwerer, euch etwas vom Pferd zu erzählen. Dazu zähle ich aber nicht einfach nur den Lebenspartner: nehmt euch ruhig jemanden mit, der etwas von Autos versteht und zumindest kein leichtgläubiger Mensch ist.
  13. Vernünftig verhandeln – Autos sind welche der seltenen Gegenstände, bei denen es irgendwie völlig normal ist, zu handeln. Das wissen auch die Händler und haben das in ihrer Preiskalkulation auch entsprechend berücksichtigt. Lasst euch also nicht von Sätzen irritieren, wie „Von irgendetwas muss ich auch leben“, wenn ihr gerade einmal um 100 Euro verhandelt. Geht erstmal mit eurer Forderung weit nach unten, versucht es mit ein paar kleineren Mängeln zu unterstreichen. Auch wenn es schwer fällt und euch dreist vorkommt. Dann können ihr und der Verkäufer euch Stück für Stück annähern. Wenn ihr so langsam die Schmerzgrenze des Verkäufers ausfindig gemacht habt, unterlegt euer – nach wie vor niedriges – Gebot mit einem Killerargument nach dem anderen und packt die „teureren“ Probleme aus. Etwa wenn noch eine Servicearbeit gemacht werden muss. Dann solltet ihr auch den Händler weichgeklopft haben.
  14. Auf Leistungen beim Kauf achten – Zu guter letzt: schaut, was euch der Händler bietet. Gewährleistung müssen gewerbliche Verkäufer ohnehin übernehmen (solange das Auto nicht im Kundenauftrag verkauft wird). Garantien bei älteren Gebrauchten sind immer eher eine Frage des Geschmacks, ob sie das Geld wert sind. Schaut euch genau an, was wirklich mit dieser Garantie abgedeckt wird. HU und AU neu zu bekommen ist sicher auch ein Schmankerl, allerdings solltet ihr das nicht als 100%ige Garantie für das Auto wahrnehmen, denn auch die Händler haben sicher ihre HU-Kollegen an der Hand, die auch mal ein Auge zudrücken, wer weiß das schon?

Zum Schluss sei gesagt: man sollte sich für den Gebrauchtwagenkauf immer viel Zeit nehmen und nichts überstürzen. Wendet euch an Freunde, die einen pragmatischen, nüchternen oder kritischen Charakter haben. Die können euch dann auch im Zweifelsfall an die kurze Leine nehmen, wenn man glaubt DAS Auto gefunden zu haben und vor lauter rosa Brille keine Mängel mehr sieht, oder sich alles schönredet.

Ein Autokauf ist immer eine große Investition und nicht garantiert ist bei Gebrauchtwagen, dass nicht in ein paar Monaten doch noch irgendetwas anfällt. Aber ein bisschen Schützen kann man sich davor, wozu auch hoffentlich dieser Ratgeber zu beitragen kann.

[Fotos: flickr/epha, flickr/harry_nl]


Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

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