Wir kennen das: ein Hersteller präsentiert auf irgendeiner Messe eine tolle Designstudie. Das Design polarisiert, zeigt sich neu, gefällt, lässt den Hersteller mutig wirken und uns irgendwie hoffen, dass eine solche Studie auch mal in Serie geht. Unterm Strich bleiben die meisten Studien dann aber doch der Straße fern oder werden ein paar Jahre später in einer stark abgewandelten – meist langweiligen – Form auf den Markt gebracht. Anders beim Juke.

Wirklich selten kommt es vor, dass ein Auto auf dem Markt seiner Designstudie so ähnlich
sieht. Meistens nicht ohne Grund: so eine Studie ist doch oft sehr experimentierfreudig und das hochmoderne Design schreckt einige Leute ab. Der Mensch ist eben doch ein Gewohnheitstier. Ähnlich verhält es sich wohl beim Nissan Juke, der auf der Straße noch sehr – wie soll man sagen? – unwirklich wirkt. Und auch hier scheiden sich die Geister. Die einen stehen auf das Design, freuen sich, dass sich ein Hersteller endlich mal traut, so etwas zu verkaufen. Die anderen weichen erschrocken zurück und wundern sich über diese ungewohnt kleine Mischung aus bulligem Coupe und SUV, die aber kaum größer ist, als ein aktueller Polo.

Ja, man muss das Design des Juke mögen. Wem es aber gefällt, der findet darin eine Mischung aus allem, was Nissan designtechnisch gut gemacht hat, wieder: die Heckleuchten ähneln denen des 370Z. Die Kotflügel erinnern an den GT-R, der Kühlergrill in der Front ähnelt dem Murano. Zum Glück! Das unglaublich langweilige und zeitlich vollkommen unpassende Design des neuen Nissan Micra K13 ließ schon befürchten, irgendwelcher begabter Designer bei Nissan wäre der Zeichenstift aus der Hand gerissen worden.

Hübscher Innenraum mit netten Spielereien

Chic ist übrigens auch der Innenraum des Juke geworden. Zwar könnte das verwendete Plastik ein bisschen angenehmer in der Haptik wirken, insgesamt passt aber optisch alles zusammen. Die weisse Armaturenbeleuchtung mit den roten Zeigern sieht schön sportlich aus. Auch die restlichen Instrumente fügen sich da ganz gut ins Bild. Die aufpreispflichtigen Ledersitze sind relativ bequem, haben aber relativ breite Rückenlehnen und bieten somit nicht unbedingt den besten Seitenhalt, den man sich wünschen würde. Auch das Lenkrad ist leider nur in der Höhe, nicht aber in der Tiefe zu verstellen. Trotzdem lässt sich sowohl für groß-gewachsenen Menschen, als auch für eher kleinere Menschen eine angenehme Sitzposition finden. Lediglich der Schalthebel ist für kurze Arme fast etwas weit weg und die äußerst großen Rückspiegel versperren mit zusammen mit der massigen A-Säule den Blick in Linkskurven hinein. Die Ausstattung hingegen lässt keine Wünsche offen. Die gefahrene Tekna-Version ist ausgestattet mit Klimaautomatik, Radio/Navi Kombination mit MP3 Unterstützung, USB und AUX Anschluss in der Mittelkonsole, Rückfahrkamera, elektrisch einstellbarer Fensterhebel, Licht- und Wischerautomatik, Bordcomputer und Lenkradfernbedienung. Insbesondere die mit dem Navigationssystem kombinierte Rückfahrkamera erweist sich als besonders praktisch, ist doch die Sicht nach hinten durch die kleine Heckscheibe und die abfallende Dachkante und der breiten C-Säule stark eingeschränkt.

Passend zu einem Auto, dass sich nach außen hin als besonders cool und sportlich präsentiert, bietet der Juke auch innen einige nette Features. Da wäre zum einen das Dynamic Management, welches den Fahrer zwischen drei unterschiedlichen Fahrmodi wählen lässt: Eco, Normal und Sport. Auf dem kleinen Display im unteren Bereich der Mittelkonsole sieht man dann, abhängig vom Modus unterschiedliche Anzeigen. Während man im Eco Modus 5 Sterne angezeigt bekommt und durch möglichst sparsame Fahrweise versuchen sollte, die 5 Sterne immer auszufüllen, wird im Sport Modus eine Ladedruckanzeige auf das Display gebracht. Darüberhinaus werden durch die unterschiedlichen Modi verschiedene Parameter verändert, wie die Gaspedalkennlinie. So hat man im Sport Modus ein sehr aggressives Ansprechen auf die Gaspedalbewegungen, während der Eco Modus versucht die Gasbefehle etwas zu „dämpfen“. Das Display hat noch dazu einige weitere Funktionen: zum einen kann man sich darin unterschiedliche Informationen über den aktuellen Fahrzustand anzeigen lassen. Das besondere Gimmick hierbei ist vermutlich der G-Monitor, welcher die aktuell auftretenden Fliehkräfte visualisiert.

Der Platz im Innenraum ist für die vorderen Passagiere mehr als ausreichend. Auch nach oben bietet das Dach besonders viel Platz. Auf der Rückbank ist der Platz schon wieder sehr viel eingeschränkter, angesichts der geringen Länge des Autos (gerade einmal 4 Meter) aber immer noch ausreichend. Der Kofferraum hingegen fällt mit 251 Litern ziemlich klein aus. Man kann zwar noch einiges in einem doppelten Boden verstauen und auch die Rückbank umklappen, unterm Strich fällt der Laderaum aber recht spärlich aus.

Das Fahrwerk überrascht

Der Juke sieht sich als sportlicher Crossover, also wollen wir doch auch mal sehen, was der kleine so auf dem Kasten hat. Im Test ist der 1.6 DIG-T Turbobenziner mit 190 PS und 240 Newtonmeter Drehmoment. Diese Leistung wird ausschließlich über die Vorderachse auf die Straße gebracht. Bekanntermaßen fordert das eine gewisse Kompromissbereitschaft: wenn 240NM an der Vorderachse zerren, kann man sich schonfast ausmalen, wie sich das anfühlt. Richtig! Der Juke zerrt ungemein am Lenkrad. Den Wagen auf leicht unebener Straße bei Vollgas in der Spur zu halten, erfordert vollste Konzentration. Ebenso wird frühes Herausbeschleunigen auch schon aus länger gezogenen Kurven mit einem Durchdrehen der Räder gedankt. Man muss ihm aber zugestehen, dass keiner seiner Konkurrenten in dieser Fahrzeug- und Leistungsklasse es wirklich besser kann. Der Renault Clio RS mit 200PS ist hier wahrscheinlich die einzige Ausnahme. Den Sprint auf Landstraßentempo erledigte der Juke im Test in rund 7,5 Sekunden.

Ansonsten weiß aber vor allem das Fahrwerk zu überraschen. Und das sogar mehr als positiv. Im Gegensatz zu dem, was man von so einem SUV-ähnlich hoch gebautem Fahrzeug eigentlich erwartet, liegt der Juke angenehm straff auf der Straße. Die Wankbewegungen der Karosserie fallen sehr gering aus. Das Fahrwerk wurde wirklich betont sportlich abgestimmt. Und so macht der Juke auch bei einer zügigen Kurvenhatz mehr Spaß als so mancher Kleinwagenkonkurrent. Die Lenkung ist relativ straff und direkt abgestimmt, gibt ganz gutes Feedback von der Straße an den Fahrer weiter. Was die Vorderräder aber machen, verwässert sie aber ein wenig. Wenn ein Untersteuern einsetzt, merkt man davon im Lenkrad etwa relativ wenig.

Ausgewogener Turbomotor mit leichter Durchzugsschwäche

Der Motor ist der erste Punkt, der den positiven Gesamteindruck ein wenig schmälert. Der aufgeladene Benziner mit 1,6 Liter Hubraum lässt sich gerade bei niedrigeren Drehzahlen sehr angenehm fahren und spricht direkt auf jeden Gasbefehl an. Das Turboloch fällt sehr gering aus und auch schon bei niedrigen Drehzahlen baut sich genug Drehmoment auf. Das gefällt! Nach oben heraus fühlt sich das Triebwerk aber dann irgendwie zugeschnürt an. Es fühlt sich an, wie eine kleine Ewigkeit an, bis man das gesamte Drehzahlband ausgedreht hat. Man merkt, dass Nissan versucht hat, dieses Problem gezielt durch den Ladedruckaufbau zu „verschleiern“: über das mittlere Drehzahlband scheint nicht der volle Ladedruck anzuliegen, erst nach oben herhaus wird der Ladedruck wieder angehoben. Zum Teil fällt dieser Unterschied nämlich gut spürbar aus. Ab etwa 5.000 Umdrehungen geht dann aber auch dem Lader die Puste aus. Etwas mehr Druck im mittleren Drehzahlbereich für den gefühlt kräftigen Antritt aus dem Keller heraus nicht so verwässern. So tritt man von unten heraus aufs Gas, freut sich über das ordentliche Ansprechen und ist dann kurz danach schon wieder gelangweilt, bevor es oben heraus wieder etwas spritziger wird.

Das Getriebe ist dabei recht gut passend übersetzt und fügen sich gut ins Gesamtbild. Die Schaltung an sich fällt dabei recht knackig aus. Die Schaltwege sind relativ kurz und die Gänge lassen sich gut definiert wechseln. Nissan-typisch ist sie aber auch ab und zu ein wenig hakelig, manchmal ein bisschen widerspenstig. Hat man den Dreh aber mal raus, kann man sich schön sportlich durch die Schaltgassen bewegen. Nur der 1. und 2. Gang können einen des öfteren mal frustrieren, wenn sie sich mal wieder dagegen wehren, dem Schaltwunsch des Fahrers nachzukommen.

Mit rund 10 Litern Durchschnittsverbrauch während der Testfahrt könnte man meinen, der Juke hätte ein kleines Trinkerproblem. Dafür dass der Wagen währenddessen aber auch ganz ordentlich bewegt wurde, geht dieser Wert auf jeden Fall in Ordnung. Bei sparsamer Fahrweise sind ist es möglich mit rund 7 Litern auszukommen.

Fazit

Der Juke ist ein alles andere als langweiliges Auto. Das Design hebt sich wohltuend vom Einheitsbrei ab, das Fahrwerk überrascht positiv und unterm Strich fällt der Gesamteindruck deutlich besser aus, als man es eigentlich erwartet hätte. Der Motor, der mit seinen 190 PS eigentlich leichtes Spiel mit den gerade einmal 1,2 Tonnen des Juke haben sollte, enttäuscht hingegen etwas. Verglichen mit einem schwereren Mini Cooper S fehlt hier einiges an Spritzigkeit, die man eigentlich von so einem Triebwerk erwarten würde. Der Preis mit rund 24.700 Euro für die gefahrene Tekna-Version ist aber mehr als fair. In jedem Fall kann man sich aber sicher sein, dass man mit dem Juke ein außergewöhnliches und spaßiges Auto bekommt, das gerade auch in Bezug auf die Ausstattung mit einem unverschämt guten Preis punktet.


Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

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