Autos, welche ein „RS“ im Namen tragen, stecken die Erwartungen hoch, steht RS doch meist für Rennsport, Rally-Sport oder ähnlich ambitioniert klingende Bezeichnungen. Schaut man beim Škoda Octavia RS auf das Datenblatt, scheinen die angegebenen 147 kW (200 PS) erst einmal für Ernüchterung zu sorgen. „Muss man ja nicht so eng sehen“, kann man sich da beruhigen, schließlich steht das SL bei Mercedes-Benz ja eigentlich auch für „Sport-Leichtbau“. Aber ein langweiliger RS? Das wäre ja quasi so, als würde man einen BigMac bestellen und beim Öffnen des Kartons einen Cheeseburger vorfinden. Oder?

Škoda Octavia RS

Sportliches, zurückhaltendes Auftreten – echtes Understatement!

Optisch ist der Octavia RS schon mal ein Hingucker – wenn auch ein zurückhaltender. Er macht auf Sport, ohne mit der Türe ins Haus zu fallen. Mir gefällt das Design, speziell die durch die sportlichen Retuschen ausgeformten Muskeln – dezent aber doch sichtbar. Die Frontschürze mit einem kleinen Frontsplitter und auch die Seitenschweller stehen dem Tschechen sehr gut, die Doppelrohrauspuffanlage zeigt auch nach hinten raus etwas Sportlichkeit. Die Limousine kommt zudem noch mit einem formschönen Heckspoiler auf dem Kofferraumdeckel daher. Pommestheke hin oder her, der Heckspoiler ist sehr schön gezeichnet und passt gut zum Auto. Die 18-Zöller mit 225er Gummis runden das Gesamtbild ab – auch wenn ich die Felgen zugegebenermaßen etwas unaufregend finde. Immerhin: für 65 € Aufpreis kann man die Felgen auch in schwarz ordern, das lockert das biedere Bild der Alus etwas auf. Sehr gut passt dazu auch das gefahrenen Racing-Blau als Außenfarbe. Damit sieht der Octavia RS also echt schnieke aus. Lediglich 1-2 Zentimeter tiefer dürfte er sein – aus der Seitenansicht wirkt er doch noch relativ hoch und könnte somit noch etwas sportlicher daherkommen.

Škoda Octavia RS Innenraum

Im Innenraum erwartet einen wenig verspielte Klarheit: alles hat seinen Platz und ist dafür aber auch intuitiv bedienbar. Die Verarbeitung lässt keine Wünsche offen und vor allem trumpft der Octavia mit allerlei pfiffigen Ablagefächern und Verstaumöglichkeiten auf. Okay, das Handschuhfach könnte größer sein und einen USB Anschluss muss man unsinnigerweise per Aufpreis dazuordern, um ihn in selbigen unterzubringen. Trotzdem gefällt es einem im Innenraum, insbesondere die Instrumente sehen echt hübsch aus. Auch das Platzangebot ist sehr gut. Mit meinen 1,89m konnte ich eine sehr bequeme Sitzposition finden und dank der Verstellmöglichkeiten des Volants in alle Richtungen braucht man auch mit größerem Beinabstand keine gestreckten Arme bei der Kurvenhatz befürchten. Auch die etwas sportlicher ausgeformten Ledersitze bieten einen brauchbaren Seitenhalt und fühlen sich in jedem Fall gut an.

Škoda Octavia RS Heckspoiler

Warum immer diese Schnitzer bei der Multimedia-Bedienung?

Meine Standard-Challenge „Verbinde dein Handy per Bluetooth“ war übrigens auch hier nicht in ein paar Minuten erledigt: im optionalen Multimediasystem mit großem Display und allerlei Bedienmöglichkeiten habe ich mich zuerst auf das „Phone“-Menü gestürzt – Fehlanzeige. Nächster Versuch: „Ach, Setup klingt doch gut“ *klick* „Mhm, Telefon, jawoll“ – Pustekuchen, auch nix. Geschätzte 20 Minuten habe ich versucht, das Handy hierüber mit dem Auto zu verbinden, aber keine Chance. Erst der verzweifelte Blick in die Anleitung verrät: das Verbinden eines Telefones ist nur über das Multifunktionsdisplay zwischen Drehzahlmesser und Tacho möglich. Was zum… ? Wofür habe ich denn schon ein schönes großes Bedienteil, dass mich mit Menüpunkten wie „Phone“ oder „Setup“ lockt. Übrigens: die gleiche Challenge habe ich verschiedenen Mitfahrern auf den Weg gegeben, 4 Stück an der Zahl, auch Fabian war unter den Versuchskaninchen. Resultat: keiner kam auf die Idee, es über das Multifunktionsdisplay zu machen.

Škoda Octavia RS

Mit dem Display sind wir auch schon gleich beim nächsten Kritikpunkt: die Bedienung erfolgt nämlich über den Scheibenwischerhebel. Über einen seitlichen Kippschalter geht man in den Menüs auf und ab – lang gedrückt halten führt einen ins Hauptmenü. Einen Punkt auswählen kann man, in dem man einen Knopf auf der Unterseite (!) des Hebels drückt. Am Anfang stellt man also gerne mal den Scheibenwischer an oder aus, während man eigentlich durch die Menüs navigieren wollte. Dort kann man übrigens dann auch immer nur einen „Modus“ wählen. Zum Beispiel Bordcomputer oder Navi oder eben Audiosystem. So kann man darüber „bequem“ Titel vor und zurückschalten. Hat man aber z.B. auf dem Multimediamonitor in der Mittelkonsole das Navi offen und auf dem Multi-Display den Bordcomputer kann man die Titel nur per Touchscreen in der Mittelkonsole durchschalten. Das ist etwas fummelig und lenkt von der Fahrt ab. Zumal – das ist leider ein Kritikpunkt, der sich durch das ganze System zieht – das Multimediasystem etwas träge und leicht verzögert auf Berührungseingaben reagiert. Schade eigentlich, denn optisch gefällt das System und klanglich kann sich auch die Audioanlage absolut hören lassen. Warum es keine Bedienknöpfe am ansonsten fantastisch in der Hand liegenden Lenkrad gibt (beim RS auch nicht optional) ist mir leider schleierhaft.

Škoda Octavia RS on the Road

Kerniger Sound und Drehfreude pur!

Aber apropos Sound: der kommt auch aus dem Motorraum und ist nicht zu verachten. Der 2L Turbo-Direkteinspritzer im RS ist ein alter bekannter und kommt in ähnlicher Form auch im Golf GTI zum Einsatz. 147 kW (200 PS) leistet er hier und drückt ein Drehmoment von 280 Newtonmeter an die Vorderachse. Das reicht immerhin für 7,2 Sekunden auf 100 km/h. Das alles klingt nun nicht nach viel – erklärt sich aber durch die überaus gelungene Charakteristik des Motors: hier wurde nicht mit einem großen Turbolader auf dickes Drehmoment gesetzt. Stattdessen hat der Motor eine eher drehzahlfreudige Charakteristik. Statt fiesem Tritt ins Kreuz ab dem unteren Drehzahlbereich, baut sich die Leistung vielmehr kontinuierlich auf, um dann willig und zügig das Drehzahlband hinaufzuklettern. Und das macht – auch wenn ich eher ein Fan von drehmomentstarken-Turbomotoren bin – im Octavia RS richtig Spaß! Der Motor klingt ab 5.000 wunderbar kernig und die Drehfreude lässt das Ausfahren der Gänge niemals zur lästigen Sport-Pflicht werden – im Gegenteil: hier fühlt sich der RS wohl! Damit widerspricht er dem typischen Turbomotor-Image, bereitet damit aber auch sehr viel Freude. Über den Verbrauch muss man indes nicht sprechen: Direkteinspritzung hin oder her, auf den Testzeitraum genehmigte sich der sportliche Tscheche trotzdem über 11 Liter im Schnitt – wie gewohnt allerdings nicht bei zimperlicher Fahrweise. Mein Renault Megane RS wäre bei dieser Fahrweise mit rund 15 Litern zu kalkulieren gewesen. Und bei „normaler“ Fahrweise waren auch Schnitte um die 7-8 Liter kein Problem.

Škoda Octavia RS on the Road

Sportlich souverän und gediegener Gleiter

Was das Fahrverhalten angeht, ist der Octavia RS strengstens der Neutralität verpflichtet. Leicht untersteuernd kündigt er an, wenn man die Kurventempi auf die Spitze treibt, nervöse Reaktionen am Heck sind dafür aber ebenfalls nicht zu befürchten. In engen Ecken muss er dann auch mit Gripverlust am kurveninneren Rad kämpfen, allerdings nicht übertrieben stark – dass die Leistung dort vollständig verpufft, passiert fast nie – ein Vorteil des verhältnismäßig zivilen Drehmoments. Leider lässt sich das ESP weder abschalten, noch in einen zurückhaltenden Modus versetzen – da die Elektronik allerdings nicht übermotiviert früh ins Geschehen eingreift, ist das noch zu verschmerzen.

Wirklich überzeugen kann der Octavia RS zudem vor allem auch dann, wenn man es nicht so wild mit ihm treibt. Dann lernt man nämlich seine Qualitäten als sportlicher Alltags-Familiengefährte kennen. Gemütliche Autobahnetappen – wenn es sein muss auch bis zu 242 km/h schnell – sind ebenso sein Ding, wie die Großeinkäufe im Supermarkt: im Kofferraum ist jede Menge Platz und der ist auch praktisch zu beladen.

Škoda Octavia RS

Cheeseburger oder BigMac? Fazit!

Bleibt nun also die Frage: Cheeseburger oder BigMac? Hält der Octavia RS das, was das das RS-Badge verspricht? Tatsächlich muss man den Octavia RS etwas differenzierter betrachten. Man kann sich entweder auf den Standpunkt festsetzen, dass bei einem RS im Namen mindestens 250 PS oder mehr unter der Haube sein müssen und man einen reinrassigen Sportler zu erwarten hat. Oder, man schaut sich an, was das RS Modell von der Serie unterscheidet und zu welchem Preis das Gebotene zu erstehen ist. Dann nämlich fällt einem auf, dass der Octavia RS keineswegs der konsequente Rennsportler zu sein versucht, sondern ein unglaublich attraktives Fahrzeugangebot für die Familie ist, dessen Fahrzeugsteuerer auch nicht unbedingt auf eine sportlichere Gangart verzichten will. Wenn man überlegt, dass man für den Einstiegspreis von rund 28.000 € quasi schon fast „volle Hütte“ geboten bekommt und selbst der Testwagen mit 31.290 € nur geringfügig teurer ist, muss man sich ernsthaft überlegen, welche Konkurrenz es da überhaupt gibt. Mit hochwertigem Soundsystem, 200 PS, einer angenehmen Reiselautstärke und sportlichen Veranlagungen – für mich in dieser Klasse eigentlich ein No-Brainer. Wenn man dann noch den Kombi als Karosserieform wählt, steht dem Alltagsnutzen überhaupt nichts mehr im Wege. Selbst wenn man es gerne mal etwas sportlicher treibt, bringt der Octavia RS alles mit, was es dazu braucht. Genau so muss eine sportive Limousine der unteren Mittelklasse aussehen – definitiv ein BigMac!

Vielen Dank an Fabian für die Bilder! Er hat den Octavia RS nach mir übernommen, bei autophorie.de werdet ihr also auch in Kürze noch etwas zum flotten Tschechen zu lesen bekommen!

Technische Daten

Škoda Octavia RS Limousine

Testwagenpreis:
31.290,00 €
Motor Bauart:
Reihenvierzylinder, Turbobenziner DOHC, Direkteinspritzung
Hubraum:
1.984 cm³
Leistung:
147 kW / 200 PS bei 5.100 – 6.000 U/Min
Drehmoment:
280 NM bei 1.700 – 5.000 U/Min
Höchstgeschwindigkeit:
242 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h):
7,2 Sekunden
Verbrauch städtisch / außerstädtisch / kombiniert:
10,2l / 5,9l / 7,5l Benzin
Testverbrauch:
11,5l / 100km bei >2.500 km
Leergewicht:
1.435 kg
Max. Zuladung:
555 kg
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
4,597 / 1,769m / 1,447m


Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

6 Kommentare

  1. Hallo,

    super detailierter Bericht! Spiegelt vieles wieder was ich aus dem Alltag kenne. Vielen Dank dafür.

    Nur eine kleine Anmerkung habe ich. das Verbinden des Handys über Bluetooth ist definitiv nicht nur über die MFA möglich. Das geht auch problemlos über das gelungene Display des Amundson+.

    Es besteht die Möglichkeit, das du das Columbus hattest und es darüber nicht möglich ist, da das Uralt ist.

    Vielleicht könntest du das ja noch erwähnen.

    Vielen Dank noch und Viele Grüße
    Timo

    • Hi Timo,

      danke für deinen Kommentar 🙂 Das hast du völlig richtig erkannt: es war tatsächlich das „Columbus“ verbaut, gut zu wissen, dass es mit einem anderen System besser funktioniert hätte.

      Kannst du sagen, ob das von dir genannte System auch „flotter“ auf Eingaben reagiert? Das Columbus hatte sich bei vielen Sachen eine kleine Gedenksekunde gegönnt. Dadurch hat man dann gerne mal z.B. gleich 2 Lieder weitergedrückt, weil man dachte, beim ersten Tippen hätte das System nicht reagiert..

      • Das Amundsen+ reagiert in jeder Hinsicht schneller als das Columbus. Allerdings liegt das nicht am Alter, sondern an der verbauten, recht langsamen Festplatte. Diese führt zu längeren Startzeiten, Musikauswahl wirkt zäher und das Laden der Navidaten dauert ebenfalls. Wann immer die Festplatte im Spiel ist, dauern die Vorgänge des Columbus länger als erwartet.

      • Halo,
        ich habe auch das Ammundsen gewählt. Grund hierfür war das mir kein Verkäufer erklären konnte was das Columbus wirklich mehr kann. Immerhin 1000,– € Mehrpreis. Ich habe mich für das Ammundsen entschieden weil hier gleich der bessere Radio dabei ist. Also kostet Navi nur 300,– € mehr Da ich sowieso ein Update meines mobilen gebraucht hätte ein echtes Schnäppchen! Nun bin ich ja wirklich beruhigt das ich kein Columbus habe. Das Ammundsen reagiert allerdings auch nicht wirklich schnell. Aber für den Preis unschlagbar! Ich habe die Navi-CD auf eine SD-Karte gebrannt. Allerdings nimmt das Navi das gar nicht an. Schade denn wenn dass Navi benutzt wird kann keine andere CD gehört werden! Kann mir da vielleicht jemand helfen?

        • Das ist doch schön zu hören! 🙂 Versuche es doch am besten umgekehrt: lasse die Navi CD drin und kopiere deine Musik auf die SD Karte. Da hast du gleich deutlich mehr Auswahl an Musik während der Fahrt. Vielleicht kann dir ja auch der Sebastian Koch vom skoda-portal.de weiterhelfen?

  2. Siegfried Bauer Antworten

    Hallo Sebastian,

    ein ganz gelungener und toller Bericht über den Oktavia RS.

    Ich bin froh das du uns ein Stück auf diesen Testfahrten mit genommen hast und ich mich nach verstauen der Kotztüten selber hinter das Steuer setzten durfte um das Feeling im RS zu erleben.

    Die richtige Sitzposition, um den Rest der Fahrt mit cruisen zu genießen, war schnell gefunden. Die Bedienelemente sitzen da wo man sie vermutet und man hat gleich ein heimisches Gefühl.
    Das nächste Aha-Erlebnis hat man wenn man das Kupplungspedal tritt und den Motor startet. Das Kupplungspedal lässt sich so „Butterweich“ betätigen ohne das Gefühl für die Kupplung zu verlieren. Ein riesen Plus im Stadtverkehr oder in Staus.

    Fazit nach diesem kurzen Fahrspaß mit dem Oktavia RS muss ich sagen, ein gelungenes Auto für jeden Familienvater mit Freude am Autofahren, der die Motorreserven zu schätzen weiß.

    Sebastian, vielen Dank das ich den Oktavia RS mal „probieren“ durfte.

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