Kennt ihr das Gefühl, wenn eine Person, vor der ihr große Achtung habt, sich einen so groben Schnitzer erlaubt, dass ihr nur noch denkt „was zum…?!“. So ist es mir heute geschehen, als ich die gestern frisch eingetroffene Sport Auto – übrigens das einzige Stück tote Holz, das zu mir im Abo kommt – durchgeblättert habe. Und meine Feststellung ist die folgende: Irgendwie ist es seltsam, dass wir Auto-Blogger in der Wahrnehmung schon so weit gediehen sind, dass angesehene Motorjournalisten uns als Ausrede nutzen, um hinzuwerfen.

Anja Wassertheurer, langjährige Redakteurin der Sport Auto, schließt mit dem Print ab und wechselt in die Industrie. Zum Abschied verfasste sie das Editorial und schreibt dort:

„Wo jeder Blogger publizistisch tätig werden kann und Informationen eine Halbwertszeit von wenigen Stunden oder Tagen haben, sinkt die Qualität und letztlich damit auch das Ansehen gut ausgebildeter Schreiber.“ – Zitat: Anja Wassertheurer, Sport Auto Editorial Ausgabe 09/12

Sie wirft also nach 16 Jahren hin, wegen der bösen Blogger und ihrer schlechten Qualität. Eigentlich sehr schade, habe ich doch auch ihre Arbeit sehr geschätzt und ihre Artikel gerne gelesen. Warum aber sollen wir Blogger daran schuld sein? Hervorragende Uhrmacher werfen doch auch nicht hin, weil andernorts Uhren als Massenware von Maschinen produziert werden. Das von Anja Wassertheurer zum Abschied verfasste Editorial lässt aber noch mehr seltsame Dinge aufkommen.

„Die Medienwelt hat der digitale Trend längst erfasst.“ – Zitat Sport Auto Editorial 09/12

Dieser Satz liest sich, als wäre der digitale Trend eine Seuche, die über die gesamte Medienwelt herfällt – gibt sicher auch Aufschluss über das dort verwurzelte Selbstbild. Würde der Satz aber lauten: „Die Medienwelt hat den digitalen Trend längst erfasst“, müssten Print-Magazine nicht das Internet verteufeln, sondern hätten verstanden, es für sich zu nutzen.

„Print is dead – mit diesem Wahlspruch selbst ernannter Mediengurus beginnt inzwischen so manche Fachtagung. Wie sich Print-Redakteure dabei fühlen, sei einmal dahingestellt.“ – Zitat Sport Auto Editorial 09/12

Hier bezieht sie sich wohl auf Treffen, wie der re:publica und kritisiert, dass ganz allgemein gesprochen und damit „Gefühle verletzt werden“. Nett aber, dass sie direkt davor ganz allgemein alle Blogger als Schreiberlinge schlechter Qualität bezeichnet. Ohne sich Gedanken zu machen, wie sich Blogger dabei wohl fühlen. Vorwurf vs Vorwurf, ohne sich an eigenen Maßstäben zu messen.

Tatsächlich schade, habe ich sie und ihre Schreibe doch sehr geschätzt und ihre Artikel in der Sport Auto liebend gerne gelesen. Gerade die Sport Auto geht meiner Meinung nach den richtigen Weg und hat mit ihrem „Facelift“ Anfang des Jahres erkannt, was Online-Medien wie Blogs ausmacht: persönliche, subjektive Meinungen, Empfindungen, mit den Testfahrzeugen erlebtes und und und. Und genau darauf ging man bei Sport Auto ein und hat einiges davon in die eigenen Artikel übernommen, was mir persönlich sehr gut gefällt. Und ein etabliertes Fachmagazin, wie die Sport Auto, wird meiner Meinung nach niemals um seine Existenz fürchten müssen. Von einem journalistischen Prekariat, wie es Frau Wassertheurer versucht herbeizureden, kann keine Rede sein. Liebe Sport Auto, macht weiter so! Liebe Anja Wassertheurer, viel Erfolg im neuen Job in der Industrie – und das mit der Verteufelung der Online-Schreiberlinge und des Internet im Ganzen üben wir noch einmal – dann vielleicht auch ohne plumpe Verallgemeinerungen. Immerhin: danke für die anerkennende Wahrnehmung.

Bjoern hat unter dem Titel „Schuld sind immer die anderen“ auch etwas zu dem Thema geschrieben: http://mein-auto-blog.de/blogger-print-sport-auto-anja-wassertheurer/


Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

7 Kommentare

  1. Ich finde es etwas armselig diese Art von Ausreden finden zu müssen. Sind Blogger wirklich so schlecht? Ist die Qualität die sie an den Tag legen wirklich so mies? Wer bestimmt die Qualität von Artikeln im Netz? Sind sie schlecht, weil vielleicht manche nicht über die Einzelheiten der Motorisierung sprechen, sondern einfach ihren Eindruck teilen?

  2. Siegfried Bauer Antworten

    „Die Computer und die Roboter vernichten unsere Arbeitsplätze“. Diese Aussage ist rund 30 Jahre als. Und jetzt? Gibt es keine Arbeitsplätze mehr? Doch, aber Andere und die Arbeitslosenzahlen sind so niedrig wie nie. Man kann aber auch den Blick für die Zukunft, mit einer Schwarz eingefärbten Sonnenbrille, verschließen und den Sonnenbrillenhersteller dafür verantwortlich machen, das man nichts sieht. Zukunft lässt sich nicht aufhalten – also, müssen wir lernen damit um zu gehen.

  3. Vielleicht gibt es aber neben den hier hauptsächlich behandelten, qualitativen Aspekten einen, der in diesem Zusammenhang nicht erwähnt wurde, der aber viel entscheidend für Frau Wassertheurer gewesen sein könnte?

    Sie verdient mit ihrem journalistischen Können ihren Lebensunterhalt. Ich weiß nicht, ob es so viele Blogger gibt, die das von sich behaupten würden. Vielleicht sind einige auf dem Weg dorthin. Das glaube ich aber, zumindest bezogen auf Deutschland, eher weniger.

  4. Ich habe die aktuelle sport auto auch gelesen, mir ist das Editorial aber nicht ganz so negativ aufgefallen – den Vergleich zu Seat und der Strategie, Autos ausschließlich über das Web zu verkaufen, fand ich gelungen.

    Ich sehe das so: Printjournalisten und Autoblogger haben dieselben Leidenschaften für das Schreiben und für Autos. Die einen haben jedoch eine Ausbildung absolviert und das journalistische Handwerk erlernt und die anderen haben sich wohlmöglich ohne Vorkenntnisse etwas aufgebaut. Das soll nicht bedeuten, dass Journalisten besser und Blogger schlechter schreiben, es ist sicherlich auch oft genug das Gegenteil der Fall, aber Journalismus ist ein Handwerk, das eine Gewisse Qualität den Lesern gewährleisten sollte. Im Autojournalismus kommt natürlich noch das technische Fachwissen dazu, aber Fachwissen ist immer nötig, wenn man über Special-Interest-Themen schreibt.

    Allerdings wird in der Industrie meist besser bezahlt als im reinen Journalismus 😉

    Schönen Gruß
    Christoph

    P.s: Sehr schöner Blog, ich würde mich freuen, wenn wir vielleicht uns gegenseitig vernetzen könnten. Mein Motorsportblog heißt: http://www.ck-motorsport.de

    • Hi Christoph,

      danke für deinen Kommentar. Natürlich ist das journalistische Handwerk noch mal etwas anderes, ohne Frage. Wobei Anja Wassertheurer, ja auch als Stewardess angefangen hat 😉

      Aber ja, schreib mich gerne einfach mal per Mail an, von wegen Vernetzen und so! 🙂

      Beste Grüße,
      Sebastian

  5. Viel mehr Leute bloggen, anstatt zu schreiben. Aber das sind alles Leute, die sonst nicht dazu gekommen wären. Wer hat behauptet, dass alles Geschriebene wahr und gut sein muss? Wer allerdings einen hohen Qualitätsanspruch hat und auf der Suche nach guten Informationen ist, greift oft noch nach der Fachzeitschrift.

  6. Ist Anja Wassertheurer nicht eigentlich auch die Freundin von Onkel Hotte von Saumagen und hat den Job bei sport auto nur deswegen bekommen?

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