Über die Sinnfrage vieler Fahrzeuge mache ich mir schon lange keine Gedanken mehr. Mir geht es um die Passion, die Leidenschaft und die Emotionen, die man während der, vorzüglich sportlichen, Fahrt spürt. Die wenigsten dieser Fahrzeuge könnten die Frage nach dem Sinn oder Unsinn ihrer Existenz zufriedenstellend beantworten. Der Mercedes-Benz CLS Shooting Brake ist ein heisser Kandidat für eine solche Sinnfrage: als vor wenigen Jahren die Studie erstmals vorgestellt wurde, stimmten kritische Stimmen im Chor: welcher Mensch braucht so ein Auto? Ich war gestern zur Fahrvorstellung, um diese Frage zu klären. Mercedes-Benz CLS Shooting Brake

Design

Schon bei meiner Begegnung mit dem Audi A7 ließ ich ja bereits durchsickern, dass ich kein Freund von Fließheck-Limousinen bin. Und doch: der CLS konnte mich begeistern. Manche sagen sogar, er sei der schönste Mercedes überhaupt. Wie dem auch sei: gerade, als dann aber der Shooting Brake vorgestellt wurde, bin ich dem CLS gänzlich verfallen. Die wunderschönen Konturen, welche in den Seiten gezeichnet sind, finden in dem deutlich länger wirkenden „Kombiheck“ (man verzeihe mir diesen Ausdruck) ihre Erfüllung. Mercedes-Benz CLS Shooting Brake Der CLS Shooting Brake war für mich übrigens die erste tatsächliche Mercedes-Begegnung. Vor einigen Wochen bin ich zwar einmal eine A-Klasse E-Cell gefahren, das war es aber auch schon. Dementsprechend gespannt war ich auf die erste Begegnung. Und kaum eingestiegen, zeigte mir der Innenraum auch direkt, dass ich all die Jahre echt etwas verpasst habe: hochwertige Materialien, edle Verarbeitung, hervorragende Haptik – wunderschön. Natürlich, bei einem Audi mag sich alles noch etwas präziser und genauer definiert anfühlen. Hier aber noch einen Unterschied zu machen, wäre fast schon vermessen. Was mir sehr gut gefällt: im Gegensatz zum sehr nüchtern, fast schon leblosen Audi-Innenraumdesign, wirkt das im CLS alles irgendwie lebendiger und liebevoller, etwas runder. Natürlich, all das ist freilich Geschmackssache. Mich spricht das Design aber, sofern man auf das Holzdekor für die Flachen auf dem Armaturenbrett verzichtet, sehr an.

Innenraum und Ergonomie

Ansonsten findet alles im Innenraum seinen Platz. Auf Grund meiner Mercedes-Erstbegegnung brauchte ich ein wenig Eingewöhnung, bis ich mit allen Funktionen vertraut war, es ging aber trotz umfangreicherer Funktionen schneller vonstatten, als in meinem aktuellen Tester. Beifahrer Jens, der schon etliche Mercedes im Testfuhrpark hatte, wusste hingegen sofort wo alles seinen Platz hat. „Einmal Mercedes und du setzt dich in jeden anderen herein und bist sofort zu Hause!“, so seine Aussage. Mercedes-Benz CLS Shooting Brake Cockpit

Das Gestühl? Ein Traum: „Keine Sorge, mein Freund, ich halte dich!“

Besonders hervorzuheben sind die besonders guten Sitze. Die Sitzposition ist hervorragend und die Einstellmöglichkeiten vielfältig. Mein persönliches Highlight: nicht nur sind die Sitzwangen individuell verstellbar und so kann man sich prächtig eng von dem Sitz umschließen lassen. Nein, die Sitze bieten vielmehr auch „dynamische Seitenwangen“. Das bedeutet, dass die bei Kurvenfahrten zur Fahrtrichtung entgegengesetzte Seitenwange automatisch etwas mehr aufgeblasen wird, um den Fahrer zu stützen und die Rückenmuskulatur zu entlasten. Das kann man sich in etwa so vorstellen, als ob in Kurvenfahrten jemand freundlich seinen Arm um einen herum schließt, leicht hält und sagt „Komm, ich halte dich mal ganz sanft. Alles ist gut, ich passe auf dich auf.“ Wirklich, ein großartiges Feature, dass sich selbstredend nur in einer ellenlangen Aufpreisliste finden lässt.

Nicht immer geht es hoch hinaus

Einzige Kritikpunkte im Innenraum: für eine sportlichere Fahrweise, wird die Sitzposition durch die eng bemessene Kopffreiheit eingeschränkt. Die flach zulaufende A-Säule zollt ihren Tribut bei etwas längeren Personen. Bei kräftigen Bodenwellen kann man sich dann schonmal unangenehm den Kopf anhauen – immerhin ist der Fahrzeughimmel gut gepolstert. Einen weiteren Kritikpunkt muss sich der Shooting Brake bei der Lenkradposition gefallen lassen: egal welches Lenkrad man wählt, alle liegen sie gut in der Hand. Leider ist aber die Lenksäule ein Stück nach rechts versetzt, so hat man das Gefühl, das Lenkrad nicht genau mittig vor sich zu haben. Auch wenn es evtl. nur ein subjektiver Eindruck ist: man hat den Eindruck, leicht verdreht am Volant zu sitzen. Immerhin: eventuellen Verspannungen lassen sich dank der Massagefunktion entgegenwirken.

Platz ohne Ende: Vorne, im Fond, im Kofferraum, überall

Was das Platzangebot angeht, ist der CLS Shooting Brake über jeden Zweifel erhaben: nicht nur im Fond kann man relativ bequem als erwachsener Mensch mit einer Körperlänge von 1,89 Metern Platz finden. Der Kofferraum ist schlicht riesig! Das traut man einem solchen Auto nicht zu. Klappt man die Rückbank um, kann ich mich sogar in voller Länge in den Kofferraum hereinlegen. Was der Kofferraum fasst, hat auch Jens beeindruckend bewiesen: der hat nämlich kurzerhand einem Rennradler das Bike weggenommen und in den Kofferraum des CLS Shooting Brake geworfen. Mercedes-Benz CLS Shooting Brake Kofferraum

Antrieb & Fahrwerk

Aber kommen wir nun zum Wesentlichen, dem Fahren. Folgende Modelle habe ich an diesem Wochenende bewegt: den CLS 350, CLS 500 und den CLS 63 AMG. Ersterer ist mit einem 3,5 Liter V6 ausgestattet und leistet 225 kW (306 PS). Preislich liegt der V6 bei mindestens 66.818 Euro. Leider kam ich nicht mehr dazu, die Einstiegsmotorisierung des CLS 250 CDI zu fahren, aber nach einem ersten Feedback der Kollegen scheint hier kein Leistungsmangel vorzuliegen. Der 3,5 Liter V6 ist jedenfalls ebenfalls ein Triebwerk, dass den CLS Shooting Brake mit ausreichender Vehemenz vorstürmen lässt. Die geschmeidig arbeitende Automatik sortiert die Gänge immer sehr zielgenau und passt hervorragend zur eleganten Charaktersistik des avantgardistischen Kombis. Erst recht liefert der 4,6 Liter umfassende Biturbo-V8 des CLS 500 Schub ohne Ende. Das sonore V8-Röhren wird im 300 kW (408 PS) starken CLS 500 durch ein feines Turbofauchen seitens der Abgasanlage untermalt – passt meiner Meinung nach nicht ganz zum eleganten Wesen des Fahrzeuges, der Motor macht aber Spaß. Für den muss man folglich aber schon tiefer in die Tasche greifen: wer mit der Kraft von zwei Turbos und 8 Pötten dahingleiten möchte, muss immerhin schon 82.229 Euro auf den Tisch legen. Mercedes-Benz CLS Shooting Brake

Der richtige Antrieb?

Die Qual der Wahl hat der potentielle Käufer sicherlich. Den 350er Benziner fand ich in seinem aufgeweckten Charakter und seiner hellen Klangkulisse nicht unbedingt so passend zu dem Edel-Kombi. Die Leistung ist absolut ausreichend, aber irgendwie wirkte der Motor nicht unbedingt passend im Charakter. Macht aber nichts, denn die Auswahl ist groß. Der V8 Biturbo des CLS 500 ist da wohl schon die passendere Wahl, sicher aber auch eine Preisfrage in Sachen Anschaffung und Kosten. Wenn ich wählen müsste: ich würde wohl den CLS 350 CDI nehmen – auch wenn ich ihn nicht gefahren bin, scheint mir der Motor der beste Kompromiss und sehr stimmig zu sein, alleine von dem, was ich beim Jens so herauslesen konnte. Mercedes-Benz CLS Shooting Brake

Gemütliches Gleiten und sportliches Treiben

Auch in Sachen Fahrwerk war der erste Eindruck positiv: der CLS Shooting Brake lenkt zielgenau ein, folgt treu allen Befehlen. Eine gewisse Wankneigung ist gerade dem CLS500 mit seinem massigen Motor allerdings nicht abzusprechen. Und trotzdem: der CLS Shooting Brake lässt sich auch mal etwas flotter bewegen, auch wenn kein AMG auf dem Kofferraumdeckel steht. Aber das für mich wichtigste dieser ersten Probefahrt: im Gegensatz zu seinem Ingolstädter Mitbewerber fühlt man sich nicht vom Fahrgeschehen isoliert. Man spürt hier noch, was aus den Impulsen am Volant gemacht wird und hat nicht das Gefühl in einer Quarantäne-Zelle zu sitzen. Sicher, an den fahrdynamischen Benchmark dieser Klassen, dem Porsche Panamera, reicht der CLS Shooting Brake nicht heran. Das geht aber auch völlig in Ordnung, denn es ist schlicht und ergreifend auch nicht sein Anspruch. Beim CLS 63 AMG ist das alle wieder eine gänzlich andere Geschichte. Und weil diese Geschichte so anders zu erzählen ist, wird das noch in einem separaten Beitrag folgen. Daher verleibe ich mal mit diesem Ersteindruck.

Fazit vom Ersteindruck

Braucht es denn nun wirklich ein solches Auto? Nun, wer ein Auto fahren möchte, welches eine gewisse Einzigartigkeit ausstrahlt, der ist mit dem CLS an sich bestens bedient. Wer nun auch noch dazu auf praktischen Nutzen nicht verzichten möchte, der kommt um den Shooting Brake in dieser Fahrzeugklasse eigentlich kaum herum. Gerade diese besondere Mix aus außergewöhnlich und damit per se erst einmal „ohne Sinn“, kombiniert mit diesem hohen Nutzfaktor, machen den Mercedes-Benz Shooting Brake zu einem gelungenen Auto. Und ja, der Basispreis von 61.761 Euro für den CLS 250 CDI ist happig. Man muss aber anerkennend zugeben: das Auto ist sein Geld wert.

Disclosure

Ich wurde von Mercedes-Benz zur Fahrvorstellung nach Florenz, Italien eingeladen. Reisekosten und Verpflegung vor Ort wurden von Mercedes-Benz übernommen. Ich wurde für diesen Beitrag nicht bezahlt und gebe mit diesem Beitrag meine persönliche Meinung wieder.

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Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

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