Ihr kennt das sicherlich: man wächst meistens in einer Familie auf, die einer gewissen Automobil-Marke treu ist. In meiner Familie war das zum Beispiel Nissan. Seit etlichen Jahren fahren meine Eltern und meine Schwester Nissan und so bin ich mit Micra, Maxima, Qashqai, Xtrail und Co. aufgewachsen. Insofern hatte ich ein gesteigertes Interesse, den Murano einmal auf Herz und Nieren testen zu können.

Und um das machen zu können, stand für zwei Wochen ein Nissan Murano mit 2.5 Liter dCi-Dieselmotor vor der Türe. Zugegeben, solche SUV sind nicht jedermanns Sache und auch ich bin nun nicht gerade der größte SUV-Fan. Aber der Ur-Murano zu Zeiten des Nissan 350Z hat mich damals irgendwie angemacht. Der neue Murano ist zwar nicht mehr ganz so extrovertiert und auch deutlich weniger „amerikanisch“, auffällig ist man mit ihm auf deutschen Straßen dennoch unterwegs. Im allgemeinen hat Nissan das Design vor allem an den europäischen Geschmack angepasst und den Murano um einige Chrom erleichtert. Zudem wurde insbesondere die Heckpartie stärker an den Qashqai angenähert. Das kann man mögen. Kann…

Für meinen Geschmack hat der Murano dadurch von einem wuchtigen Auftritt eingebüßt. Aber sei’s drum. Von vorn betrachtet fällt die „hohe Stirn“ auf und der breite Chromkühlergrill. Was ich immer wieder als sehr störend empfunden habe, war die tiefe Abrisskante unterhalb der Frontschürze. Nissan nennt das Frontspoiler und „äußerliches Alleinstellungsmerkmal“ der Dieselversion. Tatsächlich aber musste man nur irgendwie einen Ladeluftkühler unterbringen und für ein Mindestmaß an Schutz des selbigen sorgen. Insbesondere von der Seite betrachtet, sieht dieser „Frontspoiler“ sehr seltsam aus, da die Front damit einige Zentimeter tiefer ausfällt, als die Seitenpartie – das wirkt fürchterlich ungewollt.

Innen bietet der Murano dafür etwas, das ich bei nahezu allen Nissan schmerzlichst vermisse: ein Lenkrad, welches auch in der Tiefe verstellbar ist! Endlich. War es mir dadurch möglich, eine bequeme Sitzposition zu finden? Leider nein. Zumindest nicht uneingeschränkt. Ja, die Sitze sind bequem, das Leder ist angenehm weich. Aber was man bei Nissan unter Beinablage versteht, verstehe ich normalerweise eher als Sitzbank. Die wenig aufliegenden Beine und die daraus resultierende geringe Unterstützung der Sitzhaltung lassen einen auf langen Strecken schnell ermüden. Mich zumindest. Meine Freundin mit 1,58m Länge hatte da natürlich weniger Probleme. Ansonsten ist die Verarbeitung im Innenraum sauber. Hier und da ein unsauber geschliffener Grat, welche einem aber höchstens auffallen, wenn man gezielt danach sucht, dafür aber ein aufgeschäumtes Armaturenbrett. Im Großen und Ganzen also sauber verarbeitet. Aber Materialanmutung und -Qualität schaffen es nicht, den gesetzten Premium-Anspruch zu verkörpern. Nicht, dass sie schlecht wären, aber sie entsprechen auch nicht unbedingt meinen Erwartungen. Dafür punktet das Infotainmentsystem, welches Nissan von der Edel-Tochter Infiniti übernommen hat. Gute Bedienbarkeit, schickes Design, tolle Spracherkennung und eine schöne grafische Ansicht des Navis – das gefällt rundum. Und zusätzlich kann man im Stand und mit angezogener Handbremse sogar DVDs abspielen. Dazu überzeugt auch die saubere Klangwiedergabe des BOSE-Soundsystems. Ich bin kein Fan der Marke, aber im Murano wurde das System sehr angenehm abgestimmt.

Der Motor bringt seine Kraft über eine 6-Gang-Automatik auf die Straße. Insgesamt macht das Getriebe einen guten Job und auch der Motor liefert … sagen wir “brauchbare” Fahrleistungen. Denn sind wir mal ehrlich: 190 PS auf über 1,9 Tonnen Gewicht sind nun nicht gerade überragend. Zumal wir hier vom Trockengewicht sprechen. Mit Normfahrer und halbem Tank sind wir im fahrbereiten Zustand bei knapp über 2 Tonnen. Aber es reicht eben zum vernünftigen Vorankommen. Der Verbrauch lag am Ende des Tests bei 9,1 Litern. Das geht angesichts der Fahrzeugabmessungen für einen Diesel gerade noch in Ordnung. Die Höchstgeschwindigkeit liegt übrigens bei 196 km/h. GPS gemessen kam ich leicht drüber und auch bei den Geschwindigkeiten fährt sich der Murano erstaunlich souverän, trotz seines hohen Aufbaues. Auf der Autobahn kann er übrigens auch seine größte Stärke ausspielen: die Geräuschkulisse. Gedämmt ist der Murano nämlich hervorragend. Dank doppelt-verglasten Scheiben sind auch bei hohen Geschwindigkeiten so gut wie keine Windgeräusche zu vernehmen. Wären da nicht die zumindest für mich eher wenig langstreckentauglichen Sitze, wäre der Murano ein fantastischer Reisebegleiter, denn das Platzangebot ist enorm.

Klappt man die Rücksitze um, lässt sich sogar eine ganze Menge mitnehmen. Es reicht zur Entsorgung großer Fernseher und Verpackungen – selbst getestet! 😉 Zudem unterstützt er hier mit seinem ebenen Kofferraumboden – auch wenn der Kofferraum insgesamt recht hoch sitzt. Hat man den Kofferraum erst wieder geleert, kann man die Rücksitze praktischerweise voll-elektrisch wieder hochfahren und einrasten lassen – und das sogar ohne Verzetteln der Gurte! So lob ich mir das und man erspart sich damit das unangenehme Herumgekrieche zum Aufklappen der Rücksitze.

Fazit

Lange habt ihr nun auf den Bericht zum Nissan Murano 2.5 dCi warten müssen. Das lag nicht zuletzt daran, dass ich mir diese Zeilen immer wieder durch den Kopf gehen ließ. Der Murano ist wirklich ein guter Crossover, hat schöne Features an Bord, bietet das Maß an Verarbeitung, welches ich mir von anderen Nissan wünschen würde. Auch der Motor geht „in Ordnung“, aber angesichts dessen, dass der 4-Zylinder-Diesel mit der Masse des Murano zu kämpfen hat, bei Vortrieb und Verbrauch, wäre der konzerneigene V6-Diesel wünschenswert. Insbesondere an zwei Punkten eckt der Murano allerdings leider bei mir an: der Preis und das “Premium”-Label, dass man ihm seitens Nissan aufgeklebt hat. Denn so richtig Premium ist er leider nicht. Er bietet zwar das ein oder andere nette Gimmick, aber es mangelt an echten “Premium”-Features, Fahrassistenzsystemen etc, um diesen Anspruch gerecht zu werden. Sprechen wir von Premium-Fahrzeugen dieser Klasse, lande ich unweigerlich bei der Konzerntochter Infiniti: dort gibt es den Infiniti EX, ein Crossover, nur wenige Zentimeter kürzer als der Murano. Er bietet einen edel-luxuriösen Innenraum, Fahrassistenzsysteme, wie einen adaptiven Tempomat, Spurhalteassistent und noch dazu einen V6-Diesel mit 238 PS für – und das ist das eigentliche Dilemma – gerade 2.000 € mehr beim Basispreis. Ausstattungsbereinigt sticht der Infiniti den Nissan Murano sogar aus und der Infiiniti wird dem Premium-Anspruch ausnahmslos gerecht. Es fällt mir also schwer, dem Murano das Premium-Label zuzugestehen, wenn die Konkurrenz aus dem eigenen Hause das Spiel in Puncto Exklusivität und Preis gewinnt. Der Nissan Murano ist ein guter Crossover, sauber und wertig verarbeitet – ein gutes Auto für sich betrachtet. Im Vergleich mit den selbst-gesetzten Ansprüchen muss er aber leider Federn lassen.

Worin er besticht

Die hervorragende Geräuschdämmung und das gute Zusammenspiel aus Automatik und Diesel machen den Murano zu einem angenehmen Gleiter für nicht all zu groß gewachsene Menschen. Endlich auch eine Materialanmutung, wie ich es mir von manch anderem Nissan wünschen würde!

Worin er nicht überzeugt

Im Premiumsegment kann der Murano nicht mitspielen. Wertig und sauber ja, Premium nein. Dazu mangelt es im Innenraum an Exklusivität und für den Preis an echten Premium-Features.

Wertung

5.3/10
  • Fahrdynamik: 3
  • Fahrspaß: 4
  • Sound: 4
  • Verarbeitung: 6
  • Komfort: 6
  • Ausstattung: 5
  • Verbrauch: 4
  • Preis/Leistung: 3
  • Persönliche Anziehungskraft: 5
Mein passion:driving Wertungsschlüssel spiegelt meine subjektive Einschätzung des Testwagens in verschiedenen Kategorien wieder. Die fahrdynamischen Qualitäten spielen dabei eine große Rolle. Trotzdem wird ein Auto nur durch Performance keine 10er-Wertung erhalten können. Hier gibt es mehr Informationen zum Wertungssystem.

Technische Daten

Nissan Murano 2.5 dCi Executive

Motor-Bauart:
Vierzylinder DOHC Common-Rail Turbodiesel (YD25)
Hubraum:
2.488 cm³
Leistung:
140 kW / 190 PS bei 4.000 U/Min
Drehmoment:
450 Nm bei 2.000 U/Min
Höchstgeschwindigkeit:
196 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h)
10.5 Sekunden
Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
10.1 L / 6.8 L / 8 L Diesel

Grundpreis Nissan Murano 2.5 dCi Executive:
50.900
Testfahrzeugpreis:
51.770
Testverbrauch:
9.2 Liter / 100 km über 1.863 km
Leergewicht:
2.042 kg
Max. Zuladung:
447 kg
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
4.860 mm / 1.885 mm / 1.720 mm

Autor Sebastian

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

6 Kommentare

  1. muhdiekuh

    Definiere „ein Lenkrad, welches auch in der Tiefe verstellbar ist“ — Wenn ich dich nicht falsch verstehe, würde ich behaupten, mein Qashqai hat ein solches Lenkrad. 🙂

    • passiondrivingblog

      Stimmt, richtig! Beim Qashqai ist es auch zweifach verstellbar, da war mir allerdings der Verstellbereich nicht groß genug. Da war der Murano für mich, bei dem ich wirklich alles perfekt einstellen konnte. Bei mir ist sonst das Lenkrad immer zu weit weg, wenn ich den Sitz angenehm für die Beine einstelle. Beim Murano ist der Verstellbereich deutlich größer. Sicher aber auch ein körperspezifisches Problem 😉

    • passiondrivingblog

      Hallo Marcello,

      dCi steht für „Diesel Common-Rail Injection“. Also einen Dieselmotor mit Direkteinspritzung mittels Common-Rail Technologie.

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