Der Renault Clio RS der dritten Generation war schon eine wahrhaftige Offenbarung. In meinem Test schrieb ich damals: „Wenn Lotus einen Kleinwagen bauen würde – genau so wäre sein Fahrwerk abgestimmt.“ . Das Fahrwerk war in seiner Abstimmung fantastisch. Der Motor? Ein wahrer Traum, ein Genuss! Mit schier uneingerschränktem Drehwillen kletterte das Triebwerk die Drehzahlleiter bis über 8.000 Umdrehungen hoch und brannte dabei ein Klangfeuerwerk ab, hinter welchem sich so mancher Motor mit mehr Hubraum und mehr Brennräumen verstecken musste.
Somit war klar: ein neuer Clio RS mit Turbomotor und ohne Handschaltung wird es schwer haben, an dieses fantastische Auto anzuknüpfen. Und obwohl mir persönlich der neue Clio allgemein bereits sehr gut gefällt, fehlt im ein wenig der massige und wuchtige Auftritt des Vorgängers. Die Kotflügel sind nicht nennenswert breiter, als beim „normalen“ Clio, die Tieferlegung des Cup-Fahrwerkes fällt mit 5 Millimetern ebenso sehr gering aus und die auffäligsten Erkennungsmerkmale sind in die Heckschürze integrierte Auspuffblenden und das RS-typische Spoilerschwert in der Frontschürze – und natürlich, hat man es bei der Bestellung angekreuzt, die nach wie vor auffällige und wunderschöne Farbe Sirius-Gelb. Und auch der Trick mit der C-Säule funktioniert: 2 Mitfahrer wollten über umzuklappende Frontsitze nach hinten einsteigen – obwohl es im Fond Türen gibt, deren Griffe sich aber kunstvoll in der C-Säule verstecken und so eher den optischen Eindruck eines Dreitürers vermitteln sollen.
Die große Ernüchterung folgt leider, sobald man über eine der 4 Türen den Innenraum entert. „Mon dieu“ entfleucht es einem mindestens leicht geschockt – zumindest, sobald man das erste mal etwas mit den Händen berührt. Dass es diese Form billigster Kunststoffe so heutzutage noch in einem Auto gibt, sorgt durchaus für Verwunderung. Das alleine schon, weil die hauchdünne Materialstärke der Oberflächenkunststoffe dafür sorgt, das jede Fläche argwöhnisch knarzt und ächzt, sobald man ein wenig Druck darauf ausübt. Das mag nun auf dem Armaturenbrett nicht so schlimm sein, bei der Türverkleidung wird es dann aber doch sehr nervig, weil dort schließlich auch das Bein des Fahrers anliegt. Noch schlimmer fühlt sich der Wählhebel für das „EDC“ (Efficient Dual Clutch) genannte Doppelkupplungsgetriebe an, dessen Entsperrknopf sich auch gerne mal verklemmen lässt. Wer nun denkt „gut, ich nutze ja eh nur die Schaltwippen“, wird leider auch enttäuscht: die missfallen mit langen Wegen und kommen vollkommen ohne definierten Druckpunkt aus. Man zieht und irgendwann schaltet das EDC dann plötzlich.
Ok, das hört sich alles ganz wild an, die Materialwahl ist aber leider wirklich nicht anders zu beschreiben, als mit dem Wort „Zumutung“. Sicher, auch der alte Clio RS musste mit viel einfachem Plastik auskommen, es war aber vor allem hartes Plastik, das fühlte sich eben alles rauh und harsch an. Der neue Clio wirkt auf Grund seiner Materialien im Innenraum vor allem zerbrechlich und „soft“ an. Und das ist wirklich schade, denn das Styling im Innenraum ist eigentlich sehr gelungen.
Aber genug Zeilen auf die sekundären Attribute des RS verschwendet, den schließlich war doch der König der kleinen Hot Hatches vor allem eines: ein echtes „Driver’s Car“! Fangen wir doch mal unter der Haube an: dort werkelt ein 1,6 Liter-Turbomotor mit Direkteinspritzung. 240 NM Drehmoment ab 1.750 Umdrehungen und 147 kW (200 PS) Leistung sorgen dafür, dass der Clio mit seiner Launch Control in 6,7 Sekunden auf Landstraßentempo spurtet. Ja, es ist ein Verlust, dass man nun nicht mehr diesen phänomenal guten Sauger unter der Haube hat. Andererseits ist das neue Turbotriebwerk in seiner Leistungscharakteristik so unterhaltsam und spielt mit solch genüsslicher Akustik, dass der Verlust zu verschmerzen ist. Der Motor selbst klingt schon knurrig und rauh, sobald Ladedruck aufgebaut ist, gesellt sich ein feines Fauchen hinzu und geht man vom Gas macht sich aus dem Bereich der Abgasanlage ein wildes und ungestümes Knattern, Brabbeln und Blubbern breit. Zudem ist die Kraftentfaltung des Motors sehr sauber zu dosieren und lässt den Clio RS damit auch beim Beschleunigen aus engen Ecken nicht zum leistungsbedingten Untersteuern verleiten.
Dazu passt das hervorragend präzise Gefühl in der Lenkung, welche extrem feines und detailliertes Feedback über den Straßenzustand an den Fahrer vermittelt. In der Lenkung ist sofort spürbar, was die Vorderachse macht, ohne den Fahrer mit irren Lenkkräften zu überfordern. Das Einlenken? Wunderbar! Untersteuern ist kaum zu spüren, aber im Vergleich zum Vorgänger muss man den neuen Clio schon deutlich mehr die Sporen geben, um das Heck auch wirklich zur Mitarbeit zu überzeugen. Wenn man es braucht, steht es aber jederzeit Gewehr bei Fuß. Dem Clio RS wird aber wieder sein Charakter zum Verhängnis: er ist schlicht etwas zu weich und zeigt sich mit auffälligen Wankbewegungen bei der Kurvenhatz. Das lässt etwas vertrauen missen, denn es fehlt das Gefühl absoluter Präzision. Obwohl er doch eigentlich so schön einlenkt und so schön arbeitet, fehlt einem hierdurch gerade bei schnellen Kurvenkombinationen das letzte Fünkchen Vertrauen. Das Getriebe im kurvigen Geläuf einen erstaunlich guten Job. Es wechselt die Gänge schnell und präzise, kommt dem Schaltwunsch unmittelbar nach und auch die Schaltzeiten – Renault gibt diese im Race-Modus mit unter 150 Millisekunden an – passen. Lediglich beim Anfahren nervt es und lässt gefühlt deutlich zu lange die Kupplung schleifen.
Fazit
Selten fällt es mir so schwer, einem eigentlich so unterhaltsamen sportlichen Gefährt ein vernünftiges Urteil auszustellen, wie beim neuen Renault Clio RS 200 EDC: betrachtet man den Clio RS für sich, ist er ein wirklich unterhaltsames Sportgefährt. Man kann es wild mit ihm treiben, er klingt toll, das EDC – auch wenn von den Puristen verpönt – macht einen guten Job und der Motor – von den Anhängern des Vorgängers verachtet – ist in Akustik und Charakteristik höchst unterhaltsam. Aber: irgendwie fühlt sich dann doch alles zu weich an, zu verspielt. Das geht beim schlechten Gefühl im Innenraum los und hört bei dem relativ weichen Fahrwerk auf. Man könnte meinen, der Clio wäre weichgespült worden, um ein Racer für Hipster zu sein. Betrachtet man ihn für sich, ist er ein wirklich unterhaltsames Auto – man darf nur nicht den Fehler machen, ihn ins Verhältnis zu seinem Vorgänger zu setzen. Denn selbst, wenn er sich nicht mehr so schroff und ehrlich anfühlt: schnell ist er, die Landstraße ist immer noch sein Revier! Übrig bleibt vor allem ein schlechtes Bauchgefühl, setzt man den im Vergleich zum Vorgänger deutlich höheren Preis ins Verhältnis zu den Materialien im Innenraum – hier darf Renault auf jeden Fall nachsitzen!
Wertung
- Fahrdynamik: 6
- Fahrspaß: 7
- Sound: 7
- Verarbeitung: 1
- Komfort: 4
- Ausstattung: 3
- Verbrauch: 3
- Preis/Leistung: 4
- Persönliche Anziehungskraft: 5
Technische Daten
Renault Clio R.S. 200 EDC
- Motor-Bauart:
- Vierzylinder DOHC Turbomotor mit Benzin-Direkteinspritzung
- Hubraum:
- 1.618 cm³
- Leistung:
- 147 kW / 200 PS bei 6.000 U/Min
- Drehmoment:
- 240 Nm bei 1.750 U/Min
- Höchstgeschwindigkeit:
- 225 km/h
- Beschleunigung (0-100 km/h)
- 6.7 Sekunden
- Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
- 8.1 L / 5.1 L / 6.3 L E10 (ROZ 95)
- Grundpreis Renault Clio R.S. 200 EDC:
- 23.950 €
- Testfahrzeugpreis:
- 26.950 €
- Testverbrauch:
- 12 Liter / 100 km über 1.441 km
- Leergewicht:
- 1.279 kg
- Max. Zuladung:
- 432 kg
- Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
- 4.090 mm / 1.732 mm / 1.434 mm
Disclosure zur Transparenz
Das Fahrzeug wurde mir freundlicherweise von Renault Autohaus Sens, Nördlingen für den Test zur Verfügung gestellt. Der Test erfolgte unabhängig. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.