Es hat sich abgezeichnet: am Verkauf des Nürburgring führte wohl kein Weg mehr vorbei – auch wenn all das eigentlich zu vermeiden gewesen wäre. Nach langem Gezetere konnte heute aber nun der neue Besitzer des einstmals landeseigenen Nürburgring vorgestellt werden. Der Ring geht an den Düsseldorfer Automobilzulieferer Capricorn.

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Gestern wurde im Rahmen einer Gläubigerversammlung entschieden, wer nun den Zuschlag zum Kauf des Nürburgring erhalten soll. Und nachdem die abschließende Pressekonferenz mehrmals nach hinten geschoben wurde, steht nun fest: die Firma Capricorn soll der neue Besitzer des Rings werden. Ich sage bewusst „soll“, denn noch muss im Rahmen eines EU-Verfahrens über möglicherweise illegale Beihilfen entschieden werden. Denn würde die EU zu dem Schluss kommen, dass bisher vom Land bereitgestellte Mittel illegal gewesen wären, würden die Forderungen für deren Rückzahlung auf den neuen Besitzer übergehen.

Ansonsten aber ist Capricorn ab dem 1. Januar 2015 offiziell der neue Besitzer des Nürburgringes. Der Ring würde sich damit erstmals nicht mehr in öffentlicher Hand befinden. Soweit kam es überhaupt erst, weil die damalige Regierung um Kurt Beck (SPD) sich auf Geschäfte mit dubiosen Investoren einließ und einen Freizeitpark bauen ließ, der auf magische Weise das ganze Jahr über Besucher an den Ring locken soll – auch dann, wenn dort gar kein Betrieb ist. Dass das nicht funktionieren kann, war soweit jedem klar, das Projekt wurde aber knallhart durchgezogen. Auch dann noch, als möglicherweise gar nicht existierende Investoren abgesprungen sind. Aus diesem Grund pumpte das Land Rheinland-Pfalz über 330 Millionen Euro aus Steuergeldern in den Freizeitpark, bestehend aus dem Eifel-Gastro-/Partydorf, dem Ring°Boulevard und der ring°racer-Achterbahn, die erst vor wenigen Wochen, nach gut 6 Jahren, ihre Betriebserlaubnis erhielt.

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Der neue Besitzer Robertino Wild, Geschäftsführer von Capricorn, möchte genau diesen „Freizeitpark“ so schnell wie möglich loswerden. „Höflich gesagt bedeutet das Rückbau“, antwortet er auf eine Frage hierzu während der Pressekonferenz. Kein Wunder: die Achterbahn und das Gastrodorf sind nie ausgelastet und verschlingen extrem viel Geld. Auf das Gelände des Eifeldorfes soll stattdessen ein „Technologie Cluster“ kommen. Die Fläche soll dienen, um Technologieunternehmen und Institute anzusiedeln, wie es bereits im Gewerbegebiet in Meuspath der Fall ist. Dort sitzen einige Reifen- und Automobilhersteller mit ihren Testzentren. Auch Capricorn selbst beschäftigt dort in einem Werk zur Herstellung von Carbon-Bauteilen für den Motorsport etwa 100 seiner rund 350 Mitarbeiter.

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Überhaupt kann man davon ausgehen, dass Capricorn ein ernstes Interesse am sinnvollen Weiterbetrieb des Ringes hat. Weder an Touristenfahrten noch an den anderen bekannten Events soll sich etwas ändern. Rock am Ring und auch die Formel 1 sollen nach wie vor bleiben und auch der Industriepool wird weiterhin fleißig auf dem Ring testen sollen. Kein Wunder: Capricorn ist als Hersteller von Kurbelwellen, Zylinderlaufbuchsen und anderen Motorenbauteilen ein wichtiger Zulieferer der Automobilindustrie, Robertino Wild selbst ehemaliger Rennfahrer.

Das Angebot für den Ring ist über 100 Millionen Euro dick. Davon sind bereits 25 Millionen als Investition in die Rennstrecke vorgesehen, unter anderem für moderne und automatisierte Sicherheitssysteme. Zudem soll mit einem variablen Preismodell für die Rundenticketes der Touristenfahrten auch unter der Woche für eine bessere Auslastung gesorgt werden und die ring°card abgeschafft werden. Das bedeutet, dass am Ring nun auch endlich wieder Bar gezahlt werden kann und Rundentickets nicht mehr „einfach so“ über das Jahr hinweg verfallen.

Lotus Elise - Nordschleife

Das klingt nun alles ziemlich gut und ich bin ehrlich: Capricorn und Robertino Wild traue ich einen erfolgreichen, nicht Rendite-getriebenen Betrieb des Ringes zu. Ohne Frage: der Privatbesitz birgt etliche Risiken und nach dem Massaker der ehemaligen Landesregierung am Ring ist das Vertrauen der „Eifelaner“ zurecht erschüttert. Hinzu kommt die Tatsache, dass der neue Eigentümer mit einem Kaufpreis von 77 Millionen ein echtes Schnäppchen macht, wie auch Tom Schwede schon schön vorrechnet.

Und doch bin ich guter Dinge. Lieber den Ring unter privater und vernünftiger Führung (sofern nicht die Rendite im Vordergrund steht), als in der Hand einer in Bezug auf das Management einer Rennstrecke unfähigen Regierung. Jetzt kann man natürlich sagen, ich sei zu gutgläubig, zu optimistisch: Mike schreibt immerhin über den schwärzesten Tag in der Geschichte des Nürburgrings. Kein Wunder: vor Capricorn gab es bereits genug andere Betreiber, die gescheitert sind. Aber am Ende bleibt wohl eine wichtige Überzeugung festzuhalten: mit Menschenleben spielt man nicht. Denn vom Überlegen des Rings hängen viele Existenzen in der Eifel ab.

Text: sb
Fotos: sb


Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

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