Auf dem Autosalon in Genf hatte ich die Gelegenheit, mit Infinitis Produktmanager für Europa, Gert van Avondt ein paar Minuten zu sprechen. Darüber, was Infiniti ausmacht, was wir uns vom Q50 Eau Rouge erwarten dürfen und wie Infiniti in Deutschland endlich Fuß fassen will. Lest hier das Interview.

Infiniti Produktmanager Gert van Avondt
Infiniti Produktmanager Gert van Avondt

Herr van Avondt. Zuerst einmal: ich bin mit einem Q50 Hybrid hierher nach Genf gefahren und war wieder ziemlich begeistert von dem System. Es ist sehr simpel aufgebaut, fühlt sich aber gut an und der Verbrauch passt. Welche Bedeutung hat der Hybridantrieb für Infiniti?

Der Hybrid ist für uns eine Art Downsizing. Er erfüllt hier den gleichen Zweck, wie ein Turbolader oder ein Kompressor, hat aber ein sehr viel direkteres Ansprechverhalten auf Grund des sofort anliegenden Drehmomentes. Wir können damit den Fahrspaß erhöhen und den Verbrauch reduzieren, so dass man auch bequem damit rein elektrisch in der Stadt fahren kann. Er ist damit unser Verständnis vom Antrieb der Zukunft und er passt zu unserem Slogan „Inspired Performance“.

Hybriden sind ja nun hier in Deutschland noch nicht besonders weit verbreitet, der Deutsche setzt ja eher auf andere Motoren. Was hat Infiniti dem entgegenzusetzen?

Für unseren Q50 bieten wir ja bereits einen 2 Liter Diesel an …

Ein Motor von Mercedes-Benz.

… richtig, ein Motor aus unserer Partnerschaft. Zusätzlich werden wir im Herbst noch einen 2-Liter-Turbobenziner nachliefern, welcher 208 PS leisten wird. Der Motor ist für uns auch ein sehr wichtiger Schritt bei unserer europäischen Ausrichtung. Das ist genau ein solcher Motor, wie er hierzulande gewünscht wird.

Das ist ein gutes Stichwort. Aus irgendeinem Grund sind hierzulande Kombis ja sehr beliebt. Werden wir bald einen Q50 Kombi zu sehen bekommen?

Richtig, in Deutschland sind mindestens 50% in diesem Segment Kombis, in manchen europäischen Ländern sogar noch mehr. Unser wichtigster Markt, die USA und auch unser zweitwichtigster Markt, China, sind allerdings Länder, in denen fast nur Limousinen gekauft werden. Unsere Priorität liegt daher in erster Linie vor allem darauf, unsere Modellpalette in die Breite wachseln zu lassen und auszubauen, bevor wir über neue Varianten unserer Modelle nachdenken. Nach unten hin werden wir beispielsweise mit dem Q30, den es bereits als Concept Car zu sehen gab, einen wichtigen Schritt in diese Richtung unternehmen.

Infiniti Q50 Eau Rouge mit Nissan GT-R-Motor in Genf
Infiniti Q50 Eau Rouge mit Nissan GT-R-Motor in Genf

Kommen wir zum Q50 Eau Rouge. Offen gestanden, ich war ein wenig überrascht, nun den Antrieb vom Nissan GT-R hierin wiederzufinden. Meiner Meinung nach natürlich eine gute Sache.

(lacht) Ja, da stimme ich voll und ganz zu. Der Motor konnte seine Stärken bereits unter Beweis stellen und hat einen guten Ruf. Wir hätten natürlich auch andere Motoren nehmen können, aber hier haben wir einen anerkannten Motor innerhalb unseres Konzerns zur Verfügung, da ist klar, dass wir auf den zurückgreifen. Natürlich haben wir noch ein paar Änderungen daran vorgenommen, damit er mehr dem typischen Infiniti-Charakter entspricht.

Jetzt ist der Nissan GT-R ja eigentlich ein Fahrzeug in Transaxle-Bauweise. Wenn ich mich hier aber nun herunterbeuge, kann ich da hinten kein Getriebe ausmachen. Doch nur ein Show-Car, das schnell für den Autosalon einen GT-R-Motor vorne hereinbekommen hat?

Nein, wir haben hier das 7-Gang-Automatikgetriebe verwendet, das wir auch schon beim Hybrid verbauen. Wir haben es hier ja mit einer anderen Plattform zu tun, als beim GT-R, daher ist das Getriebe auch dort, wo es für die Plattfom vorgesehen ist, direkt am Motor. Aber natürlich ist das hier noch ein Konzeptfahrzeug, das sich noch in Entwicklung befindet und so lässt sich dann auch noch nichts über die finalen Spezifikationen sagen.

Aber dann mal Hand auf’s Herz: wie hoch stehen die Chancen, den Q50 Eau Rouge in 1-2 Jahren auf unseren Straßen fahren zu sehen?

Wenn es ganz allein nach mir gehen würde, klar, würden wir ihn ganz bald sehen. Er sieht beeindruckend aus, die Spezifikationen sind beeindruckend. Aber wir müssen den Business Case erst noch überprüfen. Gibt der Markt das wirklich her und all solche Fragen müssen geklärt sein. Natürlich betreiben wir dieses Projekt mit einer klaren Absicht, aber Situation und Markt müssen stimmen. Ich hoffe natürlich, so früh wie möglich, aber sagen können wir das leider noch nicht.

Infiniti Q50 Eau Rouge mit Nissan GT-R-Motor in Genf
Infiniti Q50 Eau Rouge mit Nissan GT-R-Motor in Genf

Der Markt ist ein gutes Stichwort: Infiniti hat in Deutschland immer noch Schwierigkeiten, richtig auf die Beine zu kommen. Es war schon längst geplant, ein dichteres Händlernetz zu haben, Standorte im Süden, zum Beispiel in München zu eröffnen. Bisher findet sich dort aber noch nichts. Wie sind da eure weiteren Pläne. Ist eure große Hoffnung, dass der Q50 die nötige Aufmerksamkeit bescheren wird?

Auf nächste Zeit gesehen auf jeden Fall. Aber natürlich darf man nicht vergessen, dass insbesondere der deutsche Markt eine Herausforderung darstellt, immerhin ist Deutschland Heimat der drei großen Premiummarken. Daher baut unsere Strategie auf drei Säulen auf. Die erste ist das Produkt. Da ist der Q50 schon der erste Schritt in die richtige Richtung, insbesondere durch den bereits angebotenen Diesel und den kommenden Vierzylinder-Turbo. Dazu kommen dann neue Modelle, wie der Q30. Der wird unser bisher am konsequentesten für den europäischen Markt konzipierte Fahrzeug sein. Er wird in Europa designed, wird in Europa entwickelt und wird in Europa gebaut werden.

Die zweite Säule ist die Entwicklung und der Ausbau unsere Händlernetzes. Momentan sind wir da sehr stark zum Norden hin ausgerichtet. Südlich von Frankfurt am Main gibt es bisher noch gar nichts. Aber gerade in Städten wie Stuttgart und München wollen wir präsent sein. Das ist etwas, das wir auf die nächsten 5 Jahre angelegt haben.

Die dritte Säule ist die Stärkung unserer Marke hierzulande. Der Q50 Eau Rouge ist daher für uns auch sehr wichtig, denn natürlich erhoffen wir uns damit einiges an Aufmerksamkeit aus Deutschland. Wir wollen an den M3 herankommen, vielleicht sogar ein bisschen besser sein, denn der M3 ist eine historische Referenz in diesem Segment. Aber auch unsere Partnerschaft mit Red Bull Racing zeigt sich als großartiger Boost für unsere Marke und unsere Außenwarhnehmung.

Aber klebt ihr dabei nicht nur ein paar Infiniti-Aufkleber auf die Autos?

(lacht) Nein, da findet tatsächlich auch ein technologischer Austausch statt. Zum Beispiel haben wir beim Q50 Eau Rouge auf viel Aerodynamik-Know-How der Formel1-Kollegen zurückgegriffen. Oder das dritte Bremslicht unten im Heckdiffusor etwa, das ist exakt das gleiche Bauteil aus dem RB9 Formel1-Auto aus dem letzten Jahr. Aber es ist ein Technologie- und Know-How-Austausch in beide Richtungen. Einer unserer Infiniti- Elektronikspezialisten sitzt beispielsweise in Milton Keynes in den Red Bull Racing Büros. Unser europäisches Technologiezentrum ist nur 20 Kilometer von Milton Keynes entfernt. Es gibt also einen konstanten Austausch. Red Bull Racing nutzt beispielsweise die gleichen Magnesium Schaltwippen, die wir auch im Q50 verbauen. Das Team hat begrenzte Ressourcen und wir haben die Expertise in diesem Gebiet. Ebenso auch die „Diamond-Like“-Beschichtung, die wir in unserem Automatikgetriebe verwenden, wird auch von Red Bull Racing eingesetzt.

Dann noch eine letzte Frage: was war denn ihr persönliches Highlight am Q50, in welches am meisten Blut und der meiste Schweiß geflossen sind?

Ganz klar, das war die Direct Adaptive Steering (DAS, vollelektronische Lenkung), vor allem weil ich selbst anfangs, als die ersten Präsentationen von der Entwicklung kamen, dem System eher skeptisch gegenüberstand. Aber ich mag das System und es bietet eine ganze Menge Vorteile. Insbesondere wenn später irgendwann mal die rechtliche Voraussetzung entfällt, eine Lenksäule als Notlösung zu verbauen. Das bedeutet alleine für die Sicherheit einen großen Fortschritt, denn es kann keine Lenksäule mehr in den Innenraum eindringen. Und natürlich spart es Platz und Dinge wie Rechts- und Linkslenker sind deutlich flexibler zu lösen.

Werden wir das System auch im Q30 sehen?

Das ist noch nicht entschieden. Da der Q30 eine andere Plattform besitzt (Anm.: Plattform der Mercedes-Benz A-Klasse), wird es unter Umständen schwierig, das System dort zu integrieren. Aber wir werden die DAS auf jeden Fall in künftigen Infiniti-Modellen sehen.

Vielen herzlichen Dank für die Zeit und das Interview!

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Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

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