Majestätsbeleidigung! Da schickt Audi einen Polo vollgepumpt mit Steroiden und waschechtem quattro-Allradantrieb ins Rennen und begeht den vermeintlich größten Faux Pass der jüngeren Firmengeschichte, indem sie das Ding „S1“ nennen. So wie, na ihr wisst schon, DER Über-quattro. DER Bezwinger von Pikes Peak. Dass da gar nicht viel mehr Punkte auf der Haben-Seite des EINEN S1 liegen, hat Mechthild in seinem Artikel über den Audi S1 – wie immer – hervorragend herausgestellt. Gut so, denn dann müssen andere – so wie ich – sich nicht mehr damit herumplagen, zu heiß gekochte Legenden zu beackern. Wir können uns ganz dem widmen, was wirklich zählt: dem neuen Audi S1.
Denn beim neuen S1 hat Audi mächtig Kohlen ins Feuer geschüttet und mit alt-bekannten Zutaten des Hauses ein Süppchen gekocht, welches bei dem ein oder anderen Mitstreiter im Segment der Hot Hatches wohl für ein mulmiges Gefühl in der Magengrube sorgen könnte. Das ist aus dem heutigen Standpunkt betrachtet schon erstaunlich, denn drehen wir das Rädchen der Zeit ein paar Jahre zurück, mussten erst Ford und Renault mit Focus RS und Megane RS ordentlich die Peitsche schwingen, um zu zeigen, wie moderne Hot Hatches zu funktionieren haben. Bis dahin beschränkte man sich durch die Bank durch auf das Rezept: Kleinwagen, bisschen mehr Leistung, fertig. Fahrwerk? Na gut, 10 Millimeter tiefer geht, aber das muss reichen, der Controller mit dem Rotstift sitzt schon streng dreinblickend im Nacken.
Jetzt erleben wir eine regelrechte Renaissance und die Hersteller haben sich daran erinnert, dass ein Hot Hatch vor allem von zwei wichtigen Zutaten lebt: für die Fahrzeuggröße mehr oder weniger zu viel Leistung und ein Agilität versprechendes Fahrwerkssetup. In genau diese Kerbe schlägt Audi mit dem S1 und konstruiert dabei einen Kleinwagen, der – betrachtet man die reinen Zutaten – nicht so scheint, als würde er aus den Hallen der sonst eher wenig mutig auftretenden Ingolstädtern kommen: an der Vorderachse muss der 1.4-Liter-TFSI-Motor dem dicken 2-Liter-Benziner aus S3 & Co. weichen. An der Hinterachse hat man Platz geschaffen, um die aufwändigere und fahraktivere Mehrlenker-Hinterachse hineinzuzimmern. Und dazwischen? DSG? Pah, gibt es nicht! Dafür aber eine Haldex, damit der S1 seine 231 Pferdchen auch auf allen Vieren scharren lassen kann. Das ganze in einem Kleinwagen. Format Polo. Klingt verrückt? So fühlt es sich auch an.
Wo der Rotstift angesetzt wurde, wird einem dann klar, wenn man das Cockpit des S1 entert: Trotz Facelift bekommt man den Bordcomputer zwischen grau hinterlegtem Tacho und Drehzahlmesser immer noch in grobpixeliger LCD-Grafik präsentiert und das MMI weiß noch nichts von der neuen Version, die im Konzern bereits die Runde macht. Aber wen soll das noch stören, sobald man das erste Mal über den herrlich massigen Aluminium-Schaltknauf die Gänge reinpfeffert und dazwischen die 370 Nm des 2-Liter-TFSI ausnutzt, um sich gen Horizont zu katapultieren. Dann weiß man, dass es hier vor allem um eines geht: Fahren! Hier darf man noch spüren, dass ein Turbolader am Werk ist. Mit einem Tritt ins Kreuz signalisiert der S1, sobald ausreichend Ladedruck aufgebaut ist und versucht nicht, sich um Zurückhaltung zu bemühen, auch nicht akustisch. Heiser brüllend untermalt der S1 seinen Tatendrang, bassig unterstützt von einem Sound Symposer. Ganz ohne Effekthascherei geht es halt nicht, aber immerhin konfrontiert einen der S1 nicht so nervig monoton mit dem Sound aus der Retorte, wie es bei so manchem Markenbruder der Fall ist.
Auf schwedischem Eis darf der Audi S1 mit Spikes bewaffnet dann zeigen, was das quattro-Versprechen hält. Und Haldex sei Dank, lässt sich der S1 mächtig quertreiben. Bloß nicht zu scharf einlenken, ab auf den Pinsel und dann wie ein Ochs die Lenkung zumachen. Dann weiß das elektronische Gehirn Bescheid, dass mehr als der bisher eingeschlagene Fahrtwinkel gefordert sind, die Haldex schnappt schlagartig zu und mit dem schlagartig an der Hinterachse anliegendem Drehmoment wirft sich der S1 mit seinem kurzen Radstand so plötzlich in einen wilden Driftwinkel, dass man sich, wild kurbelnd, sofort eine Progressivlenkung wünschen würde und der Nacken vom angestrengten Blick in Richtung Kurvenausgang schon fast steif wird.
Gänzlich abschaltbarer Stabilitätskontrolle sei Dank, dass selbst die wildesten Driftwinkel möglich sind, ohne dass das System nervend eingreift. Bis dann eben der Punkt kommt, wo es immer noch nicht reicht und beim erreichen des maximalen Lenkwinkels die elektronische Sperre kurz das kurveninnere Rad anzuckt und die Fuhre willig in die gewünschte Richtung dreht.
Auf Asphalt lässt sich das Spiel in ähnlicher Form fortsetzen, der S1 verteilt willig Leistung an die Hinterräder. Aber wehe, die Haldex schnappt zu, dann sollte der Lenker über ein ausreichendes Maß an Reaktionsfähigkeit verfügen, sonst wird die Strecke im Kurvenscheitelpunkt in Richtung Wald verlassen. Und dank einer echten, mechanischen Handbremse, lässt sich der S1 auch schön im Rallye-Style in die Kurve kicken, um dann „flat out“ quer in Richtung Kurvenausgang zu schießen. Dem Schwedischen Tempolimit von 90 km/h und einer eher wenig kurvenreichen Zubringerstrecke sei dank, dass der finale Querdynamische Fahreindruck auf offener Straße noch warten muss, bis ich den S1 in heimischen Gefilden bewegen kann. Aber der erste Eindruck ist auch hier stimmig, von mangelnder Traktion keine Spur – wenn auch die aufpreispflichten Sportsitze dem Fahrer insbesondere im Schulterbereich etwas mehr „Grip“ zusprechen dürften.
Fazit
Der Audi S1 tritt an, um Erwartungen zu übertreffen. Weder hätte ich Audi soviel Konsequenz zugetraut, noch hätte ich ein so außerordentlich unterhaltsames Auto erwartet. Gut, von außen klingt der Sound sehr nervtötend brummig und kann mit keiner besonderen Klangfarbe glänzen, die vier Auspuffrohre sind vielleicht auch ein klein wenig zu viel des Guten, aber der S1 hat vor allem einen Job: eine spaßbringende Fahrmaschine zu sein. Und dieser Job gelingt ihn im beim ersten Eindruck ganz hervorragend. Wenn der Audi S1 nun auf trockener Straße in heimischen Gefilden noch halten kann, was der erste Eindruck verspricht, kann sich der Wettbewerb warm anziehen. Denn in diesem Segment kann kein Konkurrent mit Allrad die Stirn bieten. Langweilig ist der S1 erst Recht nicht und mit einem Grundpreis von knapp unter 30.000 € werden vor allem Konkurrenten wie der Mini JCW oder der Citroen DS3 Racing zu knabbern haben – günstiger sind die nämlich auch nicht.
Weitere Blogger zum Audi S1
- asphaltfrage.de – Aufklärung Audi S1
- auto-geil.de – Angefahren: Audi S1
- rad-ab.com – Liebling, Audi hat den S1 geschrumpft!
Text: sb
Bilder: sb
Technische Daten
Audi S1 Sportback 2.0 TFSI quattro
- Motor-Bauart:
- Reihenvierzylinder-Ottomotor mit Benzindirekteinspritzung, Abgasturboaufladung mit Ladeluftkühlung, Vierventil-Technik, zwei oben liegende Nockenwellen (DOHC)
- Hubraum:
- 1.984 cm³
- Leistung:
- 170 kW / 231 PS bei 6.000 U/Min
- Drehmoment:
- 370 Nm bei 1.600 – 3.000 U/Min
- Höchstgeschwindigkeit:
- 250 km/h
- Beschleunigung (0-100 km/h)
- 5.9 Sekunden
- Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
- 9.2 L / 5.9 L / 7.1 L E10 (ROZ 95)
- Grundpreis Audi S1 Sportback 2.0 TFSI quattro:
- 30.800 €
- Leergewicht:
- 1.410 kg
- Max. Zuladung:
- 450 kg
- Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
- 3.975 mm / 1.746 mm / 1.423 mm
Disclosure zur Transparenz
Ich wurde von Audi nach Åre, Schweden eingeladen. Reisekosten, Verpflegung und Übernachtung wurden von Audi übernommen. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.
15 Kommentare
Das mit dem Umgreifen ist mehr Kino als der ganze Schnee als solches! #beeindruckt
Da muss man schon ganz schön rudern.. 😉
Würde mir auch Spaß machen 🙂
Glaub ich sofort! 🙂 War für mich auch das erste Mal so auf Eis mit Spikes – absolut unterhaltsam!
Und das Auto natürlich auch 😉
#autobloggerGütesiegel: Giftzwerg! Neuer Audi S1 im Fahrbericht http://t.co/PfhbMU6FIj
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Interessant wär noch ein CUP Variante wie beim Clio RS.
Klima, Radio, Navi, Ledersessel und anderer unnötiger Schnickschnack raus, Schalensitze und etwas mehr Leichtbau rein, fertig. Aber sowas kann Audi als Premiumhersteller ja nicht machen.
Stimmt! 🙂 Wäre tatsächlich sehr sympathisch, aber ja.. bei Audi wohl leider eher undenkbar.