Vorbereitung ist alles. Ganz im Ernst! Hätte ich mich beispielsweise ein wenig besser auf die Autosport International vorbereitet – eine Messe in England, die ich eigentlich immer ein wenig im Blick habe – hätte ich euch möglicherweise schon früher vom Zenos E10 berichten können. Und nein, das ist keine neue E10-Spritmischung. Neu kommt trotzdem hin, denn es handelt sich um eine nagelneue Firma von der Insel, die Briten eben mal wieder. Völlig gaga, total leicht und überraschend günstig.

Zenos E10

Was hierzulande immer noch bei vielen Leuten für gesträubte Nackenhaare steht, könnte also bald schon ein in den Ohren echter Petrolheads wohlklingender Name sein: E10. Warum man sich für diesen Namen entschieden hat, weiß wohl niemand so genau, woher der Name „Zenos“ kommt, erklärt Mitgründer Ansar Ali aber liebend gerne: der erste Teil, Zen, steht dabei für den Begriff aus dem Buddhismus. Die Jungs von Zenos brechen das kurz und knapp darauf herunter, dass es um einen Zustand der Erleuchtung geht, bei welchem Körper und Geist im Einklang stehen, ohne Illusionen und ganz darauf konzentriert, Dinge zu sehen, wie sie sind. Ohne Beeinflussung oder Verzerrung. Klingt schon nach dem richtigen Ansatz für einen Sportwagen. Und das Os? Das steht für die lateinisch-anatomische Bezeichnung von Knochen. Os. Oder auch Ossa, wenn der Plural gefragt ist. Knochen an sich klingt jetzt noch nicht so spektakulär, fragt man dann noch die genaue Definition ab, macht das schon mehr Sinn:

Der Knochen (lateinisch-anatomisch Os, Plural Ossa, griechisch-klinisch-pathologisch meist Ost~, Oste~ oder Osteo~, von οστούν) oder das Knochengewebe (auch als Bein aus alter germanischer Wortwurzel, vergleiche Brustbein, Beinhaus und englisch bone) bezeichnet ein besonders hartes, skelettbildendes Stützgewebe der Wirbeltiere.

Quelle: Wikipedia

Aluminium-„Wirbelsäule“ und recyceltes Carbon

Und was will uns das jetzt sagen? Dafür müssen wir schon gleich dort einsteigen, wo beim Zenos E10 der spannendste Baustein zuhause ist: der E10 besteht im Wesentlichen aus einem Carbon-Cockpit, welches aber aus recyceltem Carbon hergestellt wird. Das erreicht immerhin 70% der üblichen Festigkeit von geschichteten Carbonfaserteilen, ist aber sehr viel günstiger. Um trotzdem eine hohe Steifigkeit zu erreichen, zieht sich von vorne nach hinten durch die Karosserie ein stranggepresstes Aluminiumprofil – sozusagen der Knochen, der das Auto stützt und zusammenhält.

Zenos E10 "Aluminiumknochen"

Und das ist die eigentlich spannende Neuerung, denn damit ist der E10 nicht „einfach nur“ irgendein weiteres Bastelauto aus England, sondern kann tatsächlich ein innovatives Gerüst vorweisen, jenseits des Ariel’schen Gitterrohrrahmen oder der unzähligen Kommt-wir-bauen-uns-mal-wieder-was-auf-der-Elise-Basis-Derivate. Das Know-How dazu sollten die Jungs haben: die Gründer Ansar Ali und Mark Edwards sind keine unbekannten. Bei Caterham war Ali bisher CEO, Edwards der COO. Davor waren beide im Lotus-Management tätig. Ansässig ist Zenos zudem auch in Hethel.

Das recycelte Carbon
Das recycelte Carbon

Auf dieses Carbon-/Aluminium-Konstrukt wird dann eine knappe Außenhaut aus glasfaserverstärktem Kunststoff gelegt. Das alles sorgt für ein schlankes Leergeweicht von nur 650 Kilogramm. Vorne mit Pushrod-Aufhängung ausgestattet, wird das Leichtgewicht von einem 2.0L-Ford-Vierzylinder ohne Zwangsbeatmung angetrieben. 203 PS, 210 NM, das ganze als Mittelmotor ins Chassis gequetscht und serienmäßig mit 5 handverlesenen Gängen. 0 auf 100 km/h in 4,5 Sekunden und 217 km/h Topspeed, damit wären dann also die wichtigsten Fakten abgefrühstückt.

Zenos E10 Heck

30.000-Euro-Tracktool für die Straße – aber nicht für Deutschland

Die Vision der beiden Gründer ist einfach: sie wollen ein Tracktool bauen, das auch auf der Straße bewegt werden darf und nicht weniger als das Auto mit dem besten Handling in seinem ganzen Segment werden soll – wobei natürlich die Frage offen bleibt, welches Segment das denn nun genau ist. Davon abgesehen sind aber wohl die Weichen gestellt. Die ersten Prototypen drehen momentan in Millbrook ihre Runden, um für das optimale Fahrwerkssetup zu sorgen, ab Mitte des Jahres soll es die ersten Probefahrten für Kaufinteressenten geben. Gerade 30.000€, rund 25.000 Pfund, müssen für den Zenos E10 über den Tisch gehen – kein schlechter Preis für ein doch recht innovatives Tracktool. Der Preis ist natürlich auch noch anzuheben, aber nicht mit unnötigem Komfort-Schnickschnack. Vielmehr finden sich in der Aufpreisliste Optionen wie ein Sperrdifferential, 6-Gang-Getriebe, stärkere Bremsen, Leichtbausitze und und und. Das Problem: obwohl Edwards und Ali bei Caterham federführend verantwortlich waren, die ersten Kleinserienabnahmen des Ford Sigma-Motors auf europäische Abgasbestimmungen durchzuführen, wird das beim E10 nicht passieren: Zeit und Geld sind dafür wohl zu knapp und so wird der E10 nur in England per Einzelabnahme seinen Weg auf die Straßen finden. Die Chancen, den E10 hiermit bei uns zu bewegen, stehen damit bei nahe Null.

Zenos E10 Cockpit

Sportlicher 3-Modell-Zukunftsplan

Ansar Ali vertröstet deutsche Petrolheads auf meine Anfrage hin aber auf 2016: dann soll der E11 auf den Markt kommen. Der soll ein zweisitziger Roadster werden, auf dessen Basis auch gleich ein Coupé, der E12, folgen soll. Ein ambitionierter Plan und ein durchaus selbstbewusstes Ziel, das voll darauf ausgelegt ist, dass der E10 mit seinen Verkäufen in England die Weiterentwicklung trägt. Ganz unwahrscheinlich ist das allerdings nicht. Ein Völkchen welches noch Trackday-verrückter ist, als die Engländer, dürfte es wohl kaum geben. Drücken wir die Daumen, dass es klappt und ich in 2 Jahren hier über Zenos E11 und E12 berichten kann – Vorbereitung ist eben alles.

Zenos E11
Zenos E11

Text: sb
Bilder: Zenos Cars


Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

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