Meistens schreibe ich hier ja vor allem über sportliche Autos. Aber ich schreibe auch gerne darüber, wonach mir gerade ist. Soll heißen: ein Auto muss nicht immer sportlich sein, damit ich mich dafür interessiere. Eines dieser Autos, das mich einfach brennend interessiert hat, ist der Kia Optima. Nun von einer großen Überraschung zu sprechen, wäre sicherlich ein bisschen weit hergeholt: dass Kia gute Autos baut und die Koreaner mächtig Gas geben, ist inzwischen hinlänglich bekannt. Und doch war ich überrascht, wie gut die Koreaner Mittelklasse können, denn der Kia Optima hätte ein enormes Potential auch hierzulande in der Mittelklasse aufzuräumen. Hätte..

Kia Optima 1.7 CRDi

Wenn das Wörtchen “wenn” nicht wär’… Tatsächlich ist an diesem Ausspruch, wie so oft, ein kleiner Funken Wahrheit. Das trifft auch sehr gut auf den Kia Optima zu. Beim Design müssen sich die Koreaner jedenfalls nichts vorwerfen lassen. Inzwischen weiß auch ohnehin jeder, wer sich in letzter Zeit für das Design der Hyundai-Schwestermarke verantwortlich zeichnet: Peter Schreyer, ehemals Designchef, zuerst bei Audi, später bei VW, wurde von den Koreanern als Designchef angeworben. Dass sie es damit wirklich ernst meinen, sieht man schließlich daran, dass er mit diesem Posten sogar zum Vorstandsteam gehört, man misst dem Thema also durchaus einiges an Bedeutung zu. Man kann schließlich nichts anders festhalten, als die Feststellung: “es funktioniert!”. Der Kia Optima bringt ein elegantes, markantes Design mit ohne dabei aber den Spielereien zu verfallen, welche es den Deutschen so schwer machen, Limousinen aus dem asiatischen Raum zu akzeptieren. Der Deutsche mag es eben nicht verspielt, verschnörkelt, mit hier fünf Kurven, dort zwei ineinanderübergehende Linien und was weiß ich nicht alles. Man mag es eben eher geradliniger.

Kia Optima 1.7 CRDi

Das hat man bei Kia verstanden, ohne aber dadurch auf optische Reize zu verzichten. Bullig und kräftig tritt der Optima auf, erinnert mit dem Kühlergrill, den steil zulaufenden Scheinwerfern und den großen 18-Zoll-Alufelgen ein wenig, wie ein Transformer. Das Tagfahrlicht wurde inzwischen für das neueste Modelljahr an das “Eiswürfeldesign” des (pro_)cee’d GT angepasst. Das Interieur versprüht schon ein wenig mehr asiatischen Charme: die dem Fahrer zugeneigten Bedienelemente innerhalb des Armaturenbretts werden durch ein großes, karges Stück Plastik umfasst und auch die Bedienelemente selbst wirken trotz ihrer Chrom-Akzente nicht außerordentlich hochwertig. Dass wir uns aber nicht falsch verstehen, Asien-Plastikwüstencharme der ‘80er sucht man hier dennoch vergebens. Dominiert wird der Innenraum ohnehin vielmehr von den belederten Flächen mit schönen Ziernähten, teilweise – etwa an den Sitzen – auch in Kontrastfarbe. Die Mittelkonsole und auch die Armauflagen werden zudem durch ein grau-braunes-Holzimitat optisch hervorgehoben. Selbst wenn man sich, so wie ich, an Wurzelholzdekor schon lange sattgesehen hat: es sieht schön aus und sorgt dank des etwas blasseren Farbtons für einen modernen Touch.

Kia Optima 1.7 CRDi Innenraum

Etwas zu klein geraten wirkt im Vergleich das Touchscreen-Display des Infotainmentsystems. Die Kia-eigene Navigationssoftware lässt dagegen kaum Wünsche offen. Die Bedienbarkeit hat sicherlich noch Spielraum nach oben, aber Kartendarstellung, Berechnungsgeschwindigkeit & Co. sind völlig in Ordnung. Allerdings muss kritisiert werden, dass die Helligkeitsregelung des Displays leider nicht vollautomatisch funktioniert, man also bei Nachtfahrt selbst das Display dimmen muss. Zu allem Übel ist die dunkelste Stufe auch immer noch viel zu hell, so dass das Display bei Nachtfahrt auf der Autobahn oder dunklen Landstraßen ständig blendet. Das trifft auch für das schöne LCD-Display für den Bordcomputer im Kombiinstrument zu. Bei hellem Sonnenlicht ist das zudem tagsüber kaum noch abzulesen. Hier dürfen die Damen und Herren bei Kia also definitiv nochmal ‘ran. An der Verarbeitung gibt es indes aber nichts zu meckern, nichts klappert, nichts knarzt und alle Materialien fühlen sich angenehm wertig an, auch Übergänge zwischen den Teilen oder die Verarbeitung nicht sichtbarer Bereiche ist gut gelungen, keine unschönen Kanten und Grate welche die Haptik stören könnten.

Kia Optima 1.7 CRDi

Bei der Ausstattung gibt der Optima ebenfalls Gas. Der gefahrene Testwagen war mit so ziemlich allem ausgestattet, was sich auf der Aufpreisliste finden lässt. Das wären solche Dinge, wie der manchmal etwas unbeholfen wirkende Spurhalteassistent, Einparkassistent, ein beheiz- und klimatisierbarer Fahrersitz nebst Sitzheizung für Beifahrer und im Fond, beheizbares Lenkrad, ein Infinity-Soundsystem mit Subwoofer, USB-Anschluss für das Radio, Bluetooth-Freisprecheinrichtung, das Holzdekor, die Volllederausstattung und das große, zweigeteilte Panoramadach, welches ganz nebenbei erwähnt zu einem üppigen Raumgefühl beiträgt. Das meiste davon ist im Grundpreis 33.890€ der „Spirit“-Ausstattungslinie bereits enthalten. 1.490€ Aufpreis kostet das „Premium“-Paket, in welchem das Panoramadach, die Holzeinsätze, das beheizbare Lenkrad, die Sitzheizung im Fond, sowie die Klimatisierung für den Fahrersitz (seit dem Facelift für beide Vordersitze!) enthalten sind.

Kia Optima 1.7 CRDi

Getrübt wird der gute Komforteindruck des Kia Optima eigentlich nur durch zwei Punkte: da wäre erstens das Gestühl. Die Sitze sind an und für sich zwar bequem, geben ein für dieses Fahrzeug ausreichendes Maß an Seitenhalt, sind aber einerseits etwas zu kurz, sowohl in der Länge, als auch in der Höhe, sind aber vor allem von einer deutlich zu hohen Sitzposition geprägt, welche das Raumgefühl für den Fahrer unnötigerweise nach oben hin deutlich einschränkt. Der zweite Kritikpunkt ist der Geräuschdämmung anzuheften. Die Windgeräusche sind zwar auf einem erträglichen Niveau, Störgeräusche sucht man ebenso vergebens, insbesondere das Abrollgeräusch der Reifen dringt aber stark an die Insassen, was auf eine spärliche Radhausdämmung schließen lässt.

Kia Optima 1.7 CRDi

Schade, denn sonst wäre der Kia Optima nah dran an einer optimalen Reiselimousine. Denn das Fahrwerk ist fein abgestimmt, schluckt Unebenheiten zum Großteil gut auf, reagiert nur auf kurze Stöße bei höherem Tempo etwas ruppig. Und auch der mit nur 1,7 Litern Hubraum recht kleine Dieselmotor eignet sich gut als Langstreckentourer: die Leistungsentfaltung ist ausreichend, die Geräuschentwicklung auf angenehmen Niveau und der Verbrauch mit 6,2 Litern im Schnitt über über 2.300 Kilometer mehr als nur fair – ihr kennt meinen schweren rechten Fuß… Ein Sprinter und ein wildes Tier für die linke Spur wird er damit freilich nicht, aber es reicht zum zügigen Vorankommen und insbesondere dank der guten Elastizität und der angenehm präzisen, nicht übermäßig straffen Schaltung funktioniert der Optima damit auch im Stadtverkehr sehr gut.

Kia Optima 1.7 CRDi

Jetzt das Offensichtliche: ein Kurvenjäger ist der Optima natürlich nicht. Die recht direkt übersetzte Lenkung ermöglicht zwar schnelles Einlenken, ziemlich schnell merkt man aber, dass die Vorderachse eigentlich gar nicht so wild will und den Fahrer schnell mit kräftigem Untersteuern straft, während Lastwechselprovokationen hingegen durchaus das Heck auskeilen lassen. Darüber wollen wir aber keine großen Worte verlieren, denn der Optima ist einfach keine Sportlimousine, er will es auch gar nicht sein. Wer das sucht, sollte sich dann eher den Honda Accord anschauen.

Kia Optima 1.7 CRDi

Fazit

Gut, viele warme und wohlgemeinte Worte also, die ich über den Kia Optima verliere. Der Optima ist eine wirklich gelungene Mittelklasse-Limousine, immer noch nicht ganz auf dem Premium-Niveau deutscher Hersteller, aber bei der beeindruckenden Entwicklung, welche Kia an den Tag legt, kann das nur noch eine Frage der Zeit sein. Auf Augenhöhe ist er aber schon jetzt. Der Optima kann aber mit einer Wertigkeit, Anmutung und Haptik punkten, an welche andere Limousinen beispielsweise aus Japan lange nicht herankommen. Er könnte hierzulande vielleicht sogar ein Kassenschlager werden, wenn … ja, wenn das Wörtchen “wenn” nicht wär’: das Design gefällt, keine einzige von mir befragte Person konnte sich nicht mit dem Design anfreunden. Ich wurde sogar beim Tanken auf den Optima ansprochen. Und trotzdem bleibt ein Problem: Deutschland ist das Kombiland, Limousinen sind hier schon lange out. Das ist eigentlich schade und ich hoffe, dass Kia über eine Kombi-Option nachdenkt. Denn dann könnte der Optima sicherlich hierzulande die Aufmerksamkeit bekommen, die ihm zustehen würde – auch man sich bei Kia bewusst ist, dass man “über” der asiatischen Konkurrenz steht. Das merkt man nämlich am durchaus auch selbstbewussten Preis, ein billiger Schnapper ist der Optima nämlich nicht. Sein Geld ist er aber wert.

Worin er besticht

Verarbeitung, Haptik und Ausstattung sind auf wirklich hohem Niveau. Noch dazu sieht der Kia Optima gut aus. So ist er neben dem Octavia wohl die beachtenswerteste nicht-deutsche Mittelklasse-Alternative.


Worin er nicht überzeugt

Beim Komfort müssen die Kia-Entwickler noch einmal nachsitzen: die Sitzposition ist für europäische Größen nicht optimal und auf Autobahnetappen dringt das Abrollgeräusch der Reifen zu stark in den Innenraum und die Lenkung wirkt etwas zu nervös.

Kia Optima 1.7 CRDi

Wertung

6.7/10
  • Fahrdynamik: 4
  • Fahrspaß: 5
  • Sound: 2
  • Verarbeitung: 8
  • Komfort: 6
  • Ausstattung: 8
  • Verbrauch: 7
  • Preis/Leistung: 6
  • Persönliche Anziehungskraft: 3
Mein passion:driving Wertungsschlüssel spiegelt meine subjektive Einschätzung des Testwagens in verschiedenen Kategorien wieder. Die fahrdynamischen Qualitäten spielen dabei eine große Rolle. Trotzdem wird ein Auto nur durch Performance keine 10er-Wertung erhalten können. Hier gibt es mehr Informationen zum Wertungssystem.

Technische Daten

Kia Optima 1.7 CRDi Spirit

Motor-Bauart:
Vierzylinder Common-Rail Turbodiesel mit variabler Ventilsteuerung mit Tassenstößeln
Hubraum:
1.685 cm³
Leistung:
100 kW / 136 PS bei 4.000 U/Min
Drehmoment:
325 Nm bei 2.000 – 2.500 U/Min
Höchstgeschwindigkeit:
202 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h)
10.3 Sekunden
Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
5.7 L / 4.4 L / 4.9 L Diesel

Grundpreis Kia Optima 1.7 CRDi Spirit:
33.890
Testfahrzeugpreis:
35.960
Testverbrauch:
6.2 Liter / 100 km über 2.234 km
Leergewicht:
1.675 kg
Max. Zuladung:
475 kg
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
4.845 mm / 1.830 mm / 1.455 mm

Disclosure zur Transparenz

Das Fahrzeug wurde mir freundlicherweise von KIA Deutschland für den Test zur Verfügung gestellt. Der Test erfolgte unabhängig. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.

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Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

7 Kommentare

  1. Peter Reichert Antworten

    Worin er nicht überzeugt
    Beim Komfort müssen die Kia-Entwickler noch einmal nachsitzen: die Sitzposition ist für europäische Größen nicht optimal und auf Autobahnetappen dringt das Abrollgeräusch der Reifen zu stark in den Innenraum und die Lenkung wirkt etwas zu nervös.
    Das alles kann ich absolut nicht nachvollziehen!!!!! Ich bin jetzt 70000 km Autobahn gefahren. Ich sitze gut….Abrollgeräusche habe ich nicht….Lenkung ist perfekt….

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