Es hat eine Weile gedauert, bis ich mich mit dem Design der dritten Elise-Generation anfreunden konnte. Das Überwinden dieser Berührungsängste hat sich aber gelohnt und so hatte ich die Gelegenheit, für ein paar Tage einen detaillierten Blick auf die besonders sportliche Variante der Lotus Elise zu werfen: der Elise S Club Racer. Besser könnte die Kombination in einer Typenbezeichnung eigentlich kaum sein: „S“ für mehr Leistung und „Club Racer“ für weniger Gewicht. Genug verlockende Gründe, um die kleine Engländerin durch den Schwarzwald zu scheuchen.

Lotus Elise S Club Racer

Dass es der sportlichsten aller derzeit erhältlichen „Elisen“ ernst ist, unterstreicht sie schon auf den ersten Blick eindrucksvoll durch ihr markantes Äußeres. Einzigartig sind ihre Proportionen: der breitere Vorderbau geht über in eine zart und schlank verlaufende Taille, um dann mit kräftig ausladenden Hüften das Auge zu verwöhen und seinen Abschluss in einem breiten Heckspoiler zu finden. Nein, wir sprechen gerade nicht von einer Frau, aber diese Proportionen sind es, die uns auch vermeintlich stumpfe Gegenstände wie Autos attraktiv scheinen lassen. Dazu passt auch das wunderschöne Daytona-Blue zusammen mit all den schwarzen Kontrasten, zum Beispiel in Form der tiefschwarz lackierten 17-Zoll-Schmiedefelgen. Der Dank geht ans optionale „Black Style“-Paket. Auch die Sitzschalen geben sich sofort als Vertreter der Fraktion „Leichtgewicht“ zu erkennen: Polster finden sich hier nur an den absolut nötigsten Stellen. Zeit, das kleine Cockpit innerhalb des geklebten Aluminiumrahmens zu entern. Das gestaltet sich immer noch so mühsam wie eh und je, dazu kommt, dass die Alcantara-bezogenen Sitzpolster verhindern, dass sich der Pilot einfach gelassen mit dem Hintern an der Rückenlehne entlang nach unten gleiten lässt, wie es mit Lederpolstern möglich wäre. So legt er mit der gewohnten Technik halt einen ungewollten Strip hin und findet anschließend erst einmal nahezu oberkörperfrei in dem ansonsten überraschend bequemen Sitz Platz.

Lotus Elise S Club Racer

Lotus Elise S Club Racer

Schnell das T-Shirt zurechtgerückt und die Zündung eingeschaltet, folgt auch schon gleich der nächste Schock. Dessen Ursache ist dabei weniger bei dem als „WM-Song“ titulierten Gequäke einer gewissen Shakira zu sehen, als viel mehr dem Umstand, dass sich überhaupt ein Radio in diesem „Club Racer“ befindet. Beim Blick auf einen kleinen runden Knopf unterhalb eines stilisierten Schneeflöckchens ist die Verwirrung schließlich komplett. Nein, an dieser Stelle, nahe der Lüftungsregelung, kann sich unmöglich irgendein Taster für einen „Schnee“-Modus des ESP befinden. Absurd wäre letztlich beides. Eine Lotus Elise mit Schneeprogramm im ESP ebenso, wie eine Klimaanlage an Bord. Tief Luft holen!

Eine Klimaanlage im Club Racer?

Vielleicht noch einmal kurz aussteigen, sich neu polen? Gehen wir die ganze Sache vielleicht falsch an? Doch allein der Gedanke an den Versuch, das Cockpit wieder zu verlassen beschwört einen allmächtig scheinenden inneren Schweinehund herauf. Nein, die Schuld ist hier tatsächlich weniger bei der als „Club Racer“ titulierten Elise zu suchen, als in der Optionsliste des Pressefahrzeugs, die bei Bestellung nämlich fleißig von oben bis unten angehakt wurde. Denn an und für sich kommt die Elise S CR sonst nämlich nackig daher. Richtig nackig. Nichtmals das fummelige Stoffverdeck gehört dann noch zum Serienumfang. Die ganz harten Burschen können auf Wunsch auch noch auf den Airbag verzichten und so im Extremfall unterm Strich bis zu 19 kg zur normalen Elise S einsparen, womit sich das Leistungsgewicht von 4,2 auf sagenhafte 4,1 kg/PS verbessert – einfacher wäre es dann wohl, wenn der Fahrer beim eigenen Leistungsgewicht anfängt.Macht aber nichts, die „Club Racer“ hat nämlich trotzdem ihren Sinn. Nämlich dann, wenn der Käufer kein noch so kleines bisschen mehr wünscht, als ein Spielzeug für den nächsten Trackday. Dann braucht’s auch kein Dach, das Radio bleibt nicht nur stumm, sondern fehlt ganz und die Klimaanlage ist ist sowieso nicht an Bord.

Lotus Elise S Club Racer

Also gut, Schluss mit Nebensächlichkeiten. Und nachdem gute 10 Minuten später die letzte Nebensächlichkeit namens „Wegfahrsperre“ überwunden wurde, das Radio ausgeschaltet und der Motor endlich zum Leben erweckt wurde, ist der ganze Rest ohnehin schnell vergessen. Auf den ersten Metern weiß die Elise S Club Racer unmittelbar mit ihrer Lenkung zu begeistern. Servo-Unterstützung gibt es hier nicht, mit der Folge dass es kaum ein Detail der Straße gibt, welches nicht über die Lenkung an die Fingerspitzen des Fahrers weitergegeben und damit in seinem Nervensystem registriert wird. Ist er bereit, diese Signale zu empfangen, ist er jederzeit bestens über den Zustand der Vorderräder informiert.

Das Vertrauen wächst mit der Temperatur der Yokohama-Gummis

Bis aber aus Mensch und Maschine ein eingespieltes Team wird, braucht es vor allem eines: Yokohama-Gummis, die auf Temperatur sind. Erst dann fühlt sich das ganze Gespann so richtig gut an und das Vertrauen beim Fahrer wächst. Dann vor allem glänzt das Fahrwerk ohne übertriebene Härte, lässt zwar ein wenig mehr Wankneigung zu, aber genau hier liegt der Trick im Setup der Elise. Sie ist leicht, muss mit ihren 905 kg nicht durch maßlose Härte auf Pseudosportlichkeit getrimmt werden und so gestehen die Ingenieure dem Fahrwerk einen ganz wichtigen Punkt zu: sie lassen das Fahrwerk arbeiten. So treibt die Elise S CR zu keiner Zeit ein undurchsichtiges Spiel und das Fahrverhalten kann vom Piloten voll erfühlt werden – tendenziell im Grenzbereich leicht untersteuernd, aber durch entsprechend vorgetragene Lenkbefehle auch mit einem seicht eindrehenden Heck in Richtung Scheitelpunkt dirigierbar.

Lotus Elise S Club Racer

Lotus Elise S Club Racer

Und überhaupt dürfen wir dem Gewicht eine ganze Menge mehr verdanken, seien es die messerscharf vorgetragenen Richtungswechsel oder dass die Bremsen auch bei heftiger Belastung kaum kleinzukriegen sind. Auch der Motor hat einfaches Spiel mit dem Fliegengewicht: die 162 kW (220 PS) fühlen sich in dieser noch weiter abgemagerten Elise einfach fantastisch an. Traktionsprobleme kennt die Elise S CR kaum und doch sind jederzeit ausrechend Leistungsreserven vorhanden, um bei nahezu jeder Drehzahl aus allen Ecken herauszubeschleunigen. Einmal brav brav dem Toyota-Motor „dankeschön“ sagen, vor allem aber dem Eaton-Kompressor, der ihn dezent unter Druck setzt. Denn lässt sich so wunderbar auch der niedrigere Drehzahlbereich nutzen, während nach obenheraus die dem Motor angeborene Drehfreudigkeit für das weitere Voranschreiten sorgt.

Mit Kompressor zur runden Leistungscharakteristik

Das ganze fühlt sich so stimmig und gut ausbalanciert an, dass sich der Leistungseinsatz zu jeder Zeit zielgenau dosieren lässt und auch Überholmanöver flott durchgeführt werden können. Dass sich eine Elise auf der Autobahn jedem Vertreterkombi geschlagen geben muss, ist damit nahezu Geschichte. 234 km/h schnell rennt die schöne Britin – wenn’s denn sein muss. Spaß macht das auf Grund der Lärmkulisse nur noch bedingt. Damit wir uns aber richtig verstehen: die Lärmkulisse wird hier vor allem von Windgeräuschen dominiert, dem Motor fehlt es hingegen eindeutig an Stimmgewalt. Der Sound klingt nach genau dem, was es ist: dem heiseren Rumgeplustere einer 1,8-Liter-Vierzylinderdose. Insofern ist es nicht weiter schlimm, dass ab Tempo 100 nur noch Windgeräusche zu hören sind. Die Begeisterung aber ohnehin mehr aus dem schier unendlichen Fahrspaß, den dieses wunderschöne Leichtgewicht auf kurvigen Landstraßen bereitet.

Lotus Elise S Club Racer

Fazit

So ganz wird man das Gefühl nicht los, dass das „Club Racer“ im Namen vielleicht doch einfach nur ein cooles Badge ist – vor allem dann, wenn sie, wie der gefahrene Testwagen, eben wieder voll ausgestattet wird. Colin Chapmans Claim „add more Lightness“ gilt zwar beim Club Racer wie eh und je – aber nur, solange man die Stift von den Kreuzchen in der Aufpreisliste lässt. Von einem Alltagsauto ist sie aber trotzdem noch so weit entfernt, wie eine S-Klasse vom Tracktool: ab Tempo 120 sind Autos im Innenspiegel auf Grund der heftigen Vibrationen nicht mehr zu identifizieren, ab Tempo 160 tut sich zwischen Verdeck und Rahmen der Windschutzscheibe ein zentimeterbreiter Spalt auf und in weiser Voraussicht der britischen Qualitätssicherung ist der Dachholm auch gleich mit dem Hinweis versehen, dass die Stoffhülle ja eh mehr dazu gedacht sei, ein paar Spritzer Wasser abzuhalten, statt als nennenswerter Regenschutz zu fungieren. Das Einsteigen will man ebenso wie das Aussteigen möglichst nur einmal am Tag bewältigen müssen: das eine früh am Morgen und das andere etliche Landstraßenkilometer später erst möglichst spät am Abend. Bei all dem ist es dann eigentlich auch egal, dass das Leistungsgewicht nur um 0,1 kg/PS verbessert wurde. Ein paar Punkte gibt es beim Komfort aber trotzdem, denn die Sitzposition ist sehr gut, das Sitzpolster erstaunlich komfortabel und die Pedale lassen sich sogar optimal für Heel’n’Toe bedienen. Überhaupt ist die Elise S Club Racer vielmehr eine liebevolle Hommage an das, was uns schon viel zu sehr verloren gegangen ist: pures, leidenschaftliches Autofahren. Jetzt zwar auch mit (abschaltbarem, aber sehr elegant regelndem) elektronischem Fangnetz und wenn es sein muss eben auch mit Klimaanlage. Trotzdem ist der Elise ihr Purismus auch heute noch bewahrt geblieben. Wer sie einmal bewegen durfte wird gänzlich neu geerdet und will eigentlich auch gar nichts anderes mehr. Außer eben vielleicht noch mehr „Lightness“. Wer es also mit seiner Elise radikal mag, der bestellt die S Club Racer, lässt jegliches Optionskästchen leer und spart im Vergleich zur Elise S ein paar Kilo und den ein oder anderen Euro ein.

Worin sie besticht

Fahren in Reinkultur – immer noch das, was einen Lotus auszumachen hat und auch die Elise S Club Racer ausmacht, ein Gedicht in seiner schönsten Form. Den Überraschungshit landet aber der Motor dank toller Charakteristik …


Worin sie nicht überzeugt

… allerdings ist es auch dieser Motor, der mit seiner gähnend langweiligen Akustik nicht gerade im Stande ist, Emotionen zu wecken. Der macht auch keinem Prius Angst.

Lotus Elise S Club Racer

Lotus Elise S Club Racer

Wertung

8.7/10
  • Fahrdynamik: 9
  • Fahrspaß: 10
  • Sound: 4
  • Verarbeitung: 4
  • Komfort: 2
  • Ausstattung: 3
  • Verbrauch: 6
  • Preis/Leistung: 6
  • Persönliche Anziehungskraft: 9
Mein passion:driving Wertungsschlüssel spiegelt meine subjektive Einschätzung des Testwagens in verschiedenen Kategorien wieder. Die fahrdynamischen Qualitäten spielen dabei eine große Rolle. Trotzdem wird ein Auto nur durch Performance keine 10er-Wertung erhalten können. Hier gibt es mehr Informationen zum Wertungssystem.

Technische Daten

Lotus Elise S Club Racer

Motor-Bauart:
Vierzylinder DOHC, Dual-VVT-i Toyota-Motor mit Magnuson R900 Kompressoraufladung
Hubraum:
1.796 cm³
Leistung:
162 kW / 220 PS bei 6.800 U/Min
Drehmoment:
250 Nm bei 4.600 U/Min
Höchstgeschwindigkeit:
234 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h)
4.6 Sekunden
Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
10.3 L / 5.9 L / 7.5 L Superbenzin (ROZ 95)

Grundpreis Lotus Elise S Club Racer:
45.580
Testverbrauch:
9.8 Liter / 100 km über 1.264 km
Leergewicht:
905 kg
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
3.824 mm / 1.719 mm / 1.117 mm

Disclosure zur Transparenz

Das Fahrzeug wurde mir freundlicherweise von Lotus für den Test zur Verfügung gestellt. Der Test erfolgte unabhängig. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.

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Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

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