Die Schlacht um die Krone der „Hot Hatches“ tobt mehr denn je! Der alte Platzhirsch, der Renault Megane RS wurde vom Seat Leon Cupra in die Schranken verwiesen, der die Nordschleife in unter 8 Minuten umrundete. Renault holt mit #under8 zum Gegenschlag aus. Ein wenig unbeteiligt steht da der Opel Astra OPC nebenan. Aus gutem Grund?

Opel Astra OPC - © Andy Wiezorek - https://www.flickr.com/photos/awiezorek/

Immerhin, die schärfste Version des Astra OPC tritt mit 206 kW (280 PS) gut gerüstet an. Leistungsmangel ist also nicht zu befürchten. Und auch sonst ist das Paket eigentlich ein sehr attraktives: kräftige Verspoilerungen rundum, tiefe belederte (optional, 1.995€) Sitzschalen für die Passagiere, ein Sportfahrwerk mit adaptiver Dämpferregelung und ein mechanisches Sperrdifferenzial an der Vorderachse. Klare Sache, der Astra OPC ist bestens für den Kampf gewappnet und macht daraus auch keinen Hehl.

Opel Astra OPC - © Andy Wiezorek - https://www.flickr.com/photos/awiezorek/

Das fällt alleine schon auf, wenn man das mit feinen, blauen Akzenten versehene Cockpit entert: in den OPC-Schalen sitzt man tief. Richtig tief. Vom Armaturenbrett fühlt man sich da schon fast erschlagen. Aufgelockert wird das Raumgefühl aber wieder von der optionalen Panorama-Windschutzscheibe – empfehlenswertes Feature! Optimaler Halt gewährleisten die schönen Schalensitze, alleine weil sie in jede denkbare Richtung verstellbar sind. Selbst die Seitenwangen können enger um den Körper geschlungen werden. Erschlagen fühlt man sich wiederum aber von der schieren Flut an Schaltern, die auf dem Armaturenbrett vom Fahrer studiert werden wollen. Zugegeben, schlimm ist das höchstens für jemanden, der nur mal eben hinters Steuer des OPC klemmt. Wer kauft, findet sich auf kurze oder lange Sicht damit ab und weiß, wo welches Knöpfchen zu finden ist. Und immerhin hat Opel inzwischen dazugelernt und mit der Modellpflege einige Schalter entsorgt.

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Ansonsten wirkt aber alles stimmig verarbeitet. Ein wenig altertümlich mutet zwar das rote Pixelmatrix-Display im Kombiinstrument an, aber das sei dem Rüsselsheimer verziehen. Nostalgischere Gefühle lässt da schon der Zündschlüssel anmuten. Nix Startknopf! Nein, hier darf noch selbst der Anlasser mit einer Handbewegung in Bewegung gesetzt werden. Was dann folgt ist schon eine klare Ansage: mit bassig-unrundem Leerlauf zeigt sich der Astra OPC gleich als Sportler, bis sich der Vierzylinder-Turbo wenig später auf seine Leerlaufdrehzahl eingeschossen hat und sich wieder etwas zurücknimmt.

Opel Astra OPC - © Andy Wiezorek - https://www.flickr.com/photos/awiezorek/

Einmal in Bewegung gebracht fühlt sich der Astra OPC dann auch nicht sonderlich spektakulärer an. Die Lenkung ist dank unterschiedlicher Fahrmodi erst einmal angenehm leichtgängig, das Fahrwerk fällt mit einer gewissen Härte auf, ist so aber dank der adaptiven Dämpfer immer noch sehr gut langstreckentauglich. Er kann aber auch den wütenden Hulk spielen, dafür muss der Fahrmodus nur auf OPC umgestellt werden. Aus einem kultiviert laufenden Vierzylinder wird dann ein infernalisch fauchendes Biest, gepaart mit einer brummigen Note, das den Kompakten mit seinen 400 Nm Drehmoment mächtig nach vorne marschieren lässt. Dank der Sperre mit bis zu 50% Sperrwirkung funktioniert das auch ausgesprochen gut. Lässig beschleunigt der Fronttriebler aus engen Kurven heraus, die Antriebseinflüsse auf die Lenkung fallen aber so aus, wie man es von einem starken Fronttriebler erwartet: eine feste Hand am Volant ist absolut notwendig.

Opel Astra OPC - © Andy Wiezorek - https://www.flickr.com/photos/awiezorek/

Das Hereinbremsen, das ist allerdings nicht so ganz seine Welt. Beim Einlenken spürt man das mit knapp 1,6 Tonnen hohe Gewicht: der Astra OPC schiebt, drückt und fühlt sich bei weitem nicht so leichtfüßig an, wie sein französischer Konkurrent. Dafür geht er dank der Mischung aus Verbundlenker-Hinterachse und Watt-Gestänge wie auf Schienen um die Ecken: kein Schaukeln, kein Wanken und eine wie von der Schnur gezogene Hinterachse. Völlige Neutralität bei hohem mechanischem Grip. Dank dieser Abstimmung hält sich auch das immer noch aktive ESP aus dem Geschehen heraus und muss nur ganz selten in die Presche springen. Natürlich lässt es sich aber auch, wie es sich eben für einen Sportler gehört, vollständig abschalten.

Opel Astra OPC - © Andy Wiezorek - https://www.flickr.com/photos/awiezorek/

Sportler sind aber auch für andere Eigenschaften bekannt, wenn auch nicht beliebt: Durst. Und den hat der Astra OPC. Und zwar gewaltig – zumindest solange man ihn scheucht. Bei Vollgas auf der Autobahn kann man auch schon nach 120 Kilometern nach der nächsten Tankstelle Ausschau halten. 15,2 Liter standen am Ende des Testzeitraums im Bordcomputer. SuperPlus, versteht sich. Wer also längere Strecken fahren will, sollte seinen Gasfüß zügeln oder muss eben einen Stopp an jeder zweiten Autobahntankstelle einplanen.

Fazit

Der Opel Astra OPC ist eine ausgesprochen gute Ergänzung für das Feld der Hot Hatches. Die Rüsselsheimer haben keine Chance verschenkt, den OPC von Anfang an konsequent auf Sportlichkeit zu entwickeln. Das Fahrwerk bietet eine unfassbare Neutralität und überraschend hohe Präzision, der Motor schiebt gewaltig und klingt fantastisch. Und dank der wählbaren Fahrmodi lassen sich auch lange Reiseetappen bequem bewerkstelligen, zumal die eng geschnittenen Sitze nicht nur dem sportlichen Fahrstil gewidmet sind, sondern auch das Thema Komfort beherrschen. Nur das hohe Gewicht trübt das gesamte Bild. Es geht ihm damit unnötigerweise an Leichtfüßigkeit verloren und die 280 PS wären zu noch mehr im Stande.

Worin er besticht

Die große Portion Sportlichkeit und der überraschend hohe Alltagskomfort, der vor allem auf das adaptive FlexRide Sportfahrwerk zurückführen lässt. Klanglich bietet er außerdem mehr Volumen, als der Megané RS.


Worin er nicht überzeugt

Für Langstrecken kommen ihm seine Trinkgewohnheiten in die Quere – aber auch das ist eher typisch für diese Klasse. Arbeiten muss er aber vor allem an seinem Übergewicht, dann könnte er noch unterhaltsamer sein.

Text: sb
Bilder: Andy Wiezorek

Wertung

7.8/10
  • Fahrdynamik: 7
  • Fahrspaß: 6
  • Sound: 8
  • Verarbeitung: 7
  • Komfort: 8
  • Ausstattung: 7
  • Verbrauch: 1
  • Preis/Leistung: 6
  • Persönliche Anziehungskraft: 6
Mein passion:driving Wertungsschlüssel spiegelt meine subjektive Einschätzung des Testwagens in verschiedenen Kategorien wieder. Die fahrdynamischen Qualitäten spielen dabei eine große Rolle. Trotzdem wird ein Auto nur durch Performance keine 10er-Wertung erhalten können. Hier gibt es mehr Informationen zum Wertungssystem.

Technische Daten

Opel Astra OPC

Motor-Bauart:
Vierzylinder DOHC Turbomotor
Hubraum:
1.998 cm³
Leistung:
206 kW / 280 PS bei 5.500 U/Min
Drehmoment:
400 Nm bei 2.500 – 4.500 U/Min
Höchstgeschwindigkeit:
250 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h)
6.0 Sekunden
Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
10.8 L / 6.5 L / 8.1 L SuperPlus (ROZ 98)

Grundpreis Opel Astra OPC:
34.990
Testfahrzeugpreis:
39.950
Testverbrauch:
15.2 Liter / 100 km über 1.784 km
Leergewicht:
1.550 kg
Max. Zuladung:
495 kg
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
4.466 mm / 1.840 mm / 1.489 mm

Disclosure zur Transparenz

Ich wurde von Opel eingeladen. Alle anfallenden Reisekosten habe ich selbst getragen. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.

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Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

7 Kommentare

  1. Er sieht innen auf jeden Fall besser aus wie der Seat. Das so ein Kraftpaket natürlich auch einen entsprechenden Durst mitbringt ist jetzt nicht verwunderlich und sollte den Käufern schon bekannt sein 🙂

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