Hätte mir vorher jemand gesagt, was für ein Mammutprojekt Can und ich uns mit #thepluses2 vorgenommen haben, ich hätte ihn einfach reden lassen und mir gedacht „Jaja, lass‘ mich mal machen!“. Aber die Person hätte wohl Recht behalten. Nicht, weil wir 2.500 Kilometer zurückgelegt haben oder etwa weil wir die ganze Nummer dieses Mal auch filmisch begleiten wollten. Auch nicht, weil wir uns mit der Königin aller Alpenstraßen, der Route des Grandes Alpes angelegt haben. Und auch nicht, weil wir mit fast 1.000 PS unterwegs waren. Sondern eigentlich, wegen all dem zusammen. Und deshalb möchte ich nun hiermit anfangen, das alles aufzuarbeiten.

#thepluses2 an Tag 0

Der Start hätte besser nicht sein können: Samstags, an unserem „Tag -1“, reisten wir aus unterschiedlichen Himmelsrichtungen nach Karlsruhe an. Can im Audi RS5 Cabriolet, ich im R8 Spyder. Natürlich aber auch unser Kamerafahrzeug, ein Q7. Bei bestem Wetter trafen wir uns am Samstagabend im Biergarten um letzte Details zu besprechen. Wie wollen wir filmen? Wie kommunizieren wir Fahrmanöver während des Filmens per Funk? Aus wessen Blickrichtung geben wir Richtungsbefehle an? Aus Blick unseres Kameramannes Jonas, der im Kofferraum des Q7 sitzen würde oder aus unserer Blickrichtung? Sind alle Akkus geladen? Haben wir überhaupt an genug Lademöglichkeiten gedacht?

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Endlose Fragen reihten sich zwischen Spätzle und Bio-Bier aneinander, nur um letztlich mit dem seltsamen Gefühl beieinanderzusitzen, dass sich diese Zusammenkunft genauso anfühlt, wie unsere Probeaufnahmen im April. Wohl aber mit der Gewissheit, dass es nun Ernst wird. Ein seltsames Gefühl, dass letztlich purer Vorfreude wich.

Tag 0 – der Weg an den Genfer See

Sonntagmorgen, unser Tag 0. Auf dem Programm steht die Abreise in Richtung Genfer See. 1 1/2 Stunden vergehen, bis das Kameraequipment im Q7 vollständig aufgebaut ist. Das Wetter? Immer noch traumhaft. Begleitet wurde der Morgen aber vor allem von einer Mail, die Can und ich um Mitternacht von einem von mir geschriebenen Script bekamen: „Status des Col d’Izoard hat sich von geschlossen zu OFFEN geändert.“. So nüchterne Worte, die bei uns aber Begeisterungsstürme auslösten. Denn uns beiden war klar: eigentlich sind wir für die Route des Grandes Alpes Ende Mai noch deutlich zu früh unterwegs. Wir redeten uns etwas ein vom milden Winter, viel Wärme und wenig Schneefällen, aber letztlich war uns klar: alle Pässe werden wir nicht zu Gesicht bekommen.

Da war diese Mail ein echter Hoffnungsschimmer: sollten jetzt im letzten Moment doch noch die letzten Pässe öffnen? Nach den ersten Dreharbeiten stachen wir in See auf die Autobahn – die erste Gelegenheit die beiden fantastischen Motoren das erste Mal gemeinsam toben zu lassen! Das Wetter war uns bei der Abfahrt immer noch gewogen – noch unterwegs war für mich (Spitzname: „Krabbe Sebastian“ – ratet mal, warum…) die erste Ladung Sonnencreme fällig. Allerdings war schon in der Schweiz klar: das Wetter wird uns nicht gewogen bleiben. Schon vor Genf zog der Himmel zu, ein erster Schauer begrüßte uns am Genfer See.

#thepluses2 in Genf - Audi R8 V10 Spyder RS5 Cabriolet

Dennoch blieb der Regen weitestgehend aus. Wir fuhren einen Campingplatz an, welchen Can vorab herausgesucht hatte. Die Rezeption war bereits nicht mehr besetzt, aber ein Aushang teilte uns den Code für die Schranke an der Einfahrt, sowie Plätze für zu spät gekommene mit. So konnten wir uns kurz darauf schon der Herausforderung stellen, spätabends in Genf noch etwas zu Essen zu bekommen (mehr oder weniger erfolgreich) und uns über Nacht für Tag 1 der Route des Grandes Alpes zu stärken. Die neugierigen Blicke auf unsere beiden Boliden blieben am Campingplatz leider aus – wir waren einfach zu früh dran, die Saison hatte noch nicht begonnen. Ein gutes, aber auch ein schlechtes Zeichen für unsere Unternehmung.

#thepluses2 - Camping am Genfer See - Audi R8 V10 Spyder RS5 Cabriolet

Tag 1 – Der Einstieg in die Route des Grandes Alpes

Zeitpläne sind meist völlig umsonst, weil sie sich ohnehin nie so ausführen lassen, wie man es mal angenommen hatte. Wer hätte gedacht, dass das Abbauen unserer Zelte und das Einladen des Equipments dann doch wieder so lange dauert. Oder wer kann schon damit rechnen, dass morgens beim Check Out eine (gefühlt mindestens 3) französische Grundschulklasse die Rezeption belegt? Egal, es gab wichtigeres: nämlich den „Kilometer Null“ der Route des Grandes Alpes. Der liegt in Thonon-les-Bains, ziemlich nah am Hafen und ist in Form eines in den Boden eingelassenen Gullideckel, oder sowas in der Art, zu erkennen. Ich sage „sowas in der Art“, weil wir den KM0 eben nicht gefunden haben. Eigentlich haben wir ihn auch gar nicht gesucht. Unser schon beim Aufstehen durcheinander geratene Zeitplan, das zu diesem Zeitpunkt wieder sehr nasse Wetter und der kräftige Berufsverkehr in dem Luftkurort Thonon-les-bains schreckten uns ab, wir wollten lieber die ersten echten Kilometer der RDGA unter die Räder nehmen.

Pass #1: Col des Gets, 1.172m

Wir verließen die Küstenlinie des Genfer Sees und stiegen nur wenige Kilometer ins Hinterland ein, wenige Höhenmeter kamen dazu und schon windete sich die Straße um die ersten Kurven. Nichts besonderes eigentlich, Kurven wie sie selbst jede durchschnittliche deutsche Landstraße zu bieten hat. Aber die Euphorie stieg trotzdem ins Unermessliche. Denn wir waren endlich angekommen am Ziel unserer Reise und konnten endlich diese so hochgelobte Route erkunden. Nach nur wenigen Kilometern war mit dem Col des Gets auch schon der erste Pass der RDGA bezwungen. 1.172m. „Bezwungen“ ist sicher ein wenig hochgegriffen – der Pass bot nur ein paar leichte Kurven.

Pass #2: Col de la Colombière, 1.613m

Ganz anders sah es da schon beim zweiten Pass der Route aus. Die noch leicht an den Schwarzwald erinnernde Landschaft wurde schlagartig schroffer und rauher. Die Straße windet sich in wilden Schlangenlinien den Berg hoch, auf den letzten Kilometern vor der Passhöhe eng an eine Felswand zur rechten Seite angeschmiegt. Das erste Mal durften unsere beiden Autos zeigen, was sie können. Und das erste Mal konnten wir, trotz des Regens, mit geöffneten „Akustikschleusen“ (beim R8 Spyder wäre das die versenkbare Heckscheibe, beim RS5 die separat versenkbaren hinteren Seitenscheiben) genießen, wie die schroffe Felswand die volle Klanggewalt des V10 im R8 Spyder und die  brutalen Drohgebärden des hochdrehenden V8-Saugers im RS5 ungefiltert an unsere Ohren zurückfeuert. Eine Wucht! Das erste Mal auf der Route ein echter Gänsehautmoment. Da gab es vor uns nur noch diese Straße, kaum befahren, leicht feucht, stellenweise neblig. Und diese beiden fantastischen Autos.

#thepluses2 - Tag 1, Col de la Colombière | Route des Grandes Alpes

#thepluses2 - Tag 1, Col de la Colombière | Route des Grandes Alpes

Der Colombière war schon häufig im Programm der Tour de France vertreten, denn – und das konnten wir selbst erleben – auf der Nordseite ist die Strecke durchaus anspruchsvoll zufahren und der letzte Kilometer vor der Passhöhe zieht sich mit einer Steigung von 10% den Berg hinauf. Auch eben dank der Tour de France wurden wir oben auf der Passhöhe von einer auf die Straße gemalte Ziellinie empfangen. Was für ein Einstieg in solch eine Tour. Während wir die beiden Sportwagen nach dieser ersten Wertungsprüfung kaltlaufen ließen, gerieten Can und ich sofort in ein erstes euphorisches Zwischengespräch. Jetzt war endgültig das Gefühl da, dass wir hier die nächsten Tage etwas großartiges vor uns liegen haben.

#thepluses2 - Tag 1, Col de la Colombière | Route des Grandes Alpes

Die Abfahrt vom Colombière windet sich über mehrere kleine Kehren den Berg ins Tal hinunter. Die Aussicht dabei ist beeindruckend und auch fahrerisch können diese Kehren noch einmal fortsetzen, was sich beim Aufstieg schon manifestiert hat: der Col de la Colombière ist vielleicht nicht der spektakulärste, aber ein fahrerisch lohnender Pass, der auch wirklich etwas für’s Auge bietet!

Pass #3: Col des Aravis, 1.486m – und schon eine Reifenpanne?

Nur wenige Kilometer führt die Strecke vom Colombière ins Tal hinunter. Kaum unten in Saint-Jean-de-Sixt angekommen, geht es auch schon direkt wieder in die Höhe. Nicht viel, gerade einmal auf 1.486m. Entsprechend unspektakulär fällt auch die Auffahrt von der Westseite her aus. Wenig spannende Kurven, umso mehr entlohnt aber die wunderschöne Landschaft auf dieser Straße. Direkt auf der Passhöhe überfährt man auch die Grenze zwischen den Départements Haute-Savoie und Savoie. Die Abfahrt ist schon mehr eine Herausforderung. Fließend ineinander übergehende Kurven, genau, was das Fahrerherz mag. Und dann folgte aber auch schon unser erster ungewollter Zwischenstopp: der RS5 ließ seltsame Geräusche aus den Radkästen verlauten.

#thepluses2 - Col des Aravis, Route des Grandes Alpes

Ein klapperndes, flatterndes Geräusch. Vielleicht ein Stein im Profil? Schlimmstenfalls eine Schraube? Das genaue Absuchen der Vorderreifen ließ aber nichts entdecken. Nach einigen Minuten genauester Untersuchungen entschieden wir uns für die Weiterfahrt – das mulmige Gefühl, dass irgendwas nicht stimmen könnte, blieb aber…

Pass #4: Col des Saisies, 1.633m

Auch der vierte Pass der Route wusste vor allem mit fantastischen Aussichten und einer malerischen Landschaft zu begeistern. Die Kurven, alle schon ein wenig spannender, aber auch schon spektakulärer gesehen. Das Gesamtbild dafür umso besser: kein Verkehr, inzwischen wieder abtrocknende Strecke. Unsere beiden Audi wurden nicht geschont. Der Genuss sich hier Biegung um Biegung, Kurve um Kurve mit dem Auto und der Straße zu vereinen – traumhaft. Hier wurde einem schlagartig auch die Bedeutung der Route des Grandes Alpes bewusst: verkehrstechnisch gesehen hat sie nämlich schlicht keine. Überhaupt keine. Als ob ihre Erbauer sie wirklich einfach mit dem Gedanken erdacht hätten, Menschen, die das Leben genießen wollen, über einen möglichst schönen und einsamen Weg durch ihr Land ans Mittelmeer zu schicken. Ganz nebenbei wird man dabei auch an solchen Highlights, wie dem Käseparadies Beafourt vorbeigeschickt, welches wenige Kilometer hinter der Passhöhe des Saisies liegt. Wer sich je selbst der Herausforderung stellt, diese Route unter die Räder zu nehmen, sollte sich unbedingt genug Zeit nehmen allerlei Orte und Plätze an und neben der Route zu erkunden. Unser enger Zeitplan ließ da leider viel zu wenig zu . Aber soviel sei gesagt: es lohnt sich!

#thepluses2 - Audi R8 V10 Spyder und RS5 Cabriolet am Col des Saisies | Route des Grandes Alpes, Frankreich, France

#thepluses2 - Audi R8 V10 Spyder im Drift am Col des Saisies | Route des Grandes Alpes, Frankreich, France

Oben, kurz vor der Passhöhe des Col des Saisies, unmittelbar vor einem weitläufigen Ski-Gebiet, beeindruckt der Saisies vor allem mit unfassbar schönen Aussichten. Von hier ergibt sich ein tiefer Blick ins Tal hinunter und weit in die Berge hinein. Zusammen mit den sich dramatisch über uns einfindenden Wolken bot sich ein beeindruckendes Bild. Fast schon sprachlos waren wir, als wir hier oben standen. Bis der Pilot unseres Kamerafahrzeuges, Cem, auf die Idee kam: „Hier ließe sich doch schön Driften, oder nicht?“ Was für eine bescheuerte Idee. Auf 1.600 Metern, vor dieser Aussicht die völlige Ruhe mit dem heiseren Geschrei eines V10 zerschneiden und jede Menge Staub aufwirbeln? Geht klar! Ich glaube, ich hatte an diesem Tag auch wieder mein „HOONIGAN“-Shirt an. Nun ja.

Pass #5: Col de Méraillet, 1.605m – Beware of the Cow!

Der Col de Méraillet ist fahrerisch wieder ein fantastisches Sahnestückchen. Landschaftlich geht es zwar die meiste Zeit eng geschlungen durch ein Tal, das keine großen Aussichten erlaubt und mit vielen Bäumen bewachsen ist. Die Streckenführung bietet aber genau die Form von schnellen und fließenden Links-/Rechts-Wechseln, die das Fahren zum Genuss werden lassen. Lediglich das Wetter, das wollte uns wieder einmal nicht in die Hände spielen. Nach wenigen Höhenmetern wurden wir – mit offenem Verdeck fahrend – von strömendem Regen heimgesucht. Das zusätzlich von der Straße aufgewirbelte Regenwasser des vor mir fahrenden RS5 drückte damit solche Wassermengen auf meine Windschutzscheibe, dass der R8 über den Scheibenrahmen kurzzeitig immer wieder mit Regenwasser geflutet wurde. Zeit, sich darüber Gedanken zu machen blieb aber keine. Zu schön war die Straße und zu sehr fordern Alpenstraßen vollste Aufmerksamkeit. So, wie in dem Moment, als die weiß-rote High-Speed-Formation schlagartig und heftigst den Anker werfen musste: Kühe. Eine ganze Herde Kühe auf der Straße – und kein Weg daran vorbei. Jeder Versuch, eine Lücke in der Herde zu nutzen trieb die Tiere immer weiter die Straße hinauf. Was macht man also? Richtig, man fährt schweres Geschütz auf. Unseren Q7 nämlich, der sich unbeirrt seinen Weg durch die Herde freikämpfte und die – zugegeben, jetzt etwas verstörten – Lebendfilets auseinandertrieb. Das erlebt man eben nur hier.

Kaum war die Straße geräumt, führte uns der Pass weiter den Berg hinauf, als sich an einer Kreuzung der Wald schlagartig lichtete und den Blick auf den Lac de Roselend freigab. Und schon wieder. Sprachlos. Keine Worte, die beschreiben könnten, was für eine beeindruckende Szenerie sich einem hier darbietet. Ein gewaltiger Stausee umzingelt von mächtigen, massiven Bergen. Unfassbar, wie die Natur hier mit einem spielt. Einem ein Highlight nach dem nächsten vorsetzt und zeigt, wie klein man ist. Mit zugekniffenen Augen war am Berg auf der gegenüberliegenden Seite auch eine Straße zu erkennen und der Blick in unsere Karten verriert: unser Weg führt um den See herum, genau dort hinauf. Jackpot!

Aber dazu dann später mehr. To be continued …

#thepluses2 - Lac de Roselend |Route des Grandes Alpes Frankreich France

#thepluses2 - Lac de Roselend | Route des Grandes Alpes, Frankreich, France

Text: sb
Fotos: Can Struck, sb

 

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Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

40 Kommentare

    • Nachher wäre der R8 beim Ausweichen eines Kindes noch auf dem Dach gelandet! Ja, unverantwortlich, hast Recht 🙁

  1. kein Wunder, eine Kuhherde lässt sich natürlich nur von der allmächtigen Leitkuh, der Kuh7 antreiben 😉

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