Die Nacht nach dem Izoard war kurz. Nach den Dreharbeiten, den letzten Aufnahmen im Hotel, dem Laden aller Geräte und dem Stellen des Weckers war die Nacht schon weit fortgeschritten. Und der Blick auf’s Display des Handys verriet: in 3 Stunden ist ohnehin schon wieder Schluss mit Schlaf, denn unser Ziel war es vor dem Sonnenaufgang aufzubrechen.

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#thepluses2 - Tag 4, Route des Grandes Alpes

Vor uns lag nämlich ein Ziel, das an und für sich kein Teil der Route des Grandes Alpes ist, aber – glaubt man den Berichten im Internet – unbedingt besucht werden sollte. Eine kleine Wüstenlandschaft, karg und schroff. Der Weg dorthin führte uns im Morgengrauen durch kleine, verträumte Dörfer und gemeine Schluchten. Finden konnten wir sie aber nicht. Ein deprimierender Start in den Tag, wenn man extra hierfür vor dem Morgengrauen aufsteht. Die Stimmung war am Tiefpunkt angekommen. Die vergangenen Tage steckten uns alle in den Knochen, die Nacht war viel zu kurz, die Strapazen vom Vortag groß, beim Foto vom Sternenhimmel waren wir gescheitert und als Motivation half zu diesem Zeitpunkt nicht einmal mehr die Erkenntnis, dass wir einen wunderbar klaren Morgen erleben durften und die beiden Hochleistungstriebwerke des Audi R8 und des RS5 um die Wette brüllten. Dazu kam auch bei mir die Vorstellung, dass ja jetzt nicht mehr viel kommen könne. Den Iseran und Galibier konnten wir nicht fahren, den Izoard haben wir am Vortag abgefeiert, nun würde uns wohl nicht mehr viel spektakuläres erwarten. Was für ein Trugschluss!

#thepluses2 - Tag 4, Route des Grandes Alpes

Pass #11: Col de Vars, 2109m

Der Weg zum Col de Vars führte uns durch ein schroffes, malerisches Tal. Im warmen Licht der Morgendämmerung und bei dieser wunderbar klaren Luft, war selbst dieses Stück schon ein Highlight. Mit offenem Dach saugten wir den Morgen in uns ein und ab einer gewissen Spieldauer der V8-Ballade des RS5 Cabriolet war auch der anfängliche Frust fast wieder vergessen. Spätestens aber auf dem Col de Vars ging dies dann ganz schnell.

#thepluses2 - Tag 4, Route des Grandes Alpes - Col de Vars

Dabei war es weniger die wunderbar fließend angelegte Straße, die sich den Berg hinaufschlängelte. Sondern viel mehr war da wieder dieser Moment. Alles war gehüllt in das Licht eines wunderschönen Morgens, eine ruhige Morgenstimmung die vom hellen Geschrei des R8-Zehnzylinders durchsägt und vom bassigen V8-Beat des RS5 rhytmisch begleitet wurde und dann: diese Aussicht! Noch während der Auffahrt, nicht auf der Passhöhe, gab uns der Col de Vars einen atemberaubenden Blick auf die umliegende Landschaft frei. Ein faszinierend Tiefer Blick ins Tal, eingerahmt von majestätischen Gipfeln und das alles mit dieser zarten Färbung, wie sie nur die Morgensonne malen kann. Die weitere Auffahrt zum Col de Vars war von dieser Stimmung geprägt. Wenn auch oben die Aussicht weit weniger spektakulär, dafür landschaftlich aber ebenfalls äußerst interessant war. Vom Col de Vars ging es dann wieder in ein malerisches Tal hinunter, welches von alten Festungen übersäht war, wie etwa dem Fort de Tournox, welches spektakulär in den Fels geschlagen wurde. Die Nähe zum Mittelmeer, die mediterrane Prägung der Landschaft war hin schon immer mehr spürbar.

Pass #12: Col de la Cayolle, 2326m

In Barclonette ließen wir nun noch den Morgen bei einem gemütlichen Frühstück in einer Boulangerie ausklingen. Nach den ersten unerwartet spektakuläre Kilometern dieses 4. Tages hatten wir uns ein ausgedehntes Frühstück verdient, bevor uns der Weg zum Col de la Cayolle hinaufführen sollte. Auf dessen ersten Metern war sofort klar: hier ist Entspannung für den Gasfuß angesagt. Die Straße kaum breiter als unsere Autos selbst, wurde es bei Gegenverkehr schon mal ganz schön brenzlig. Auch die Durchfahrt durch die Baustelle, welche nach einem Felsabgang die Straße wieder notdürftig instand setzen sollte, gestaltete sich als eng genug, um das Nervenkostüm auf ein gesundes Maß an Anspannung zu bringen.

#thepluses2 - Tag 4, Route des Grandes Alpes - Col de la Cayolle

Dieses enge Tal, durch das wir uns mühsam den Cayolle hochschlängelten öffnete sich bald aber immer mehr, um uns mit einer Landschaft zu konfrontieren, die kontrastreicher kaum sein könnte. Entspannung und Erholung war angesagt, für uns, aber auch für unsere Boliden. Das erste Mal während unserer Tour mussten sich die beiden Motoren nicht ein einziges Mal auf einem Pass bemühen, jedes einzelne ihrer Pferde in Bewegung zu setzen, nicht ein einziges Mal bot sich die Gelegenheit, die Grenzen der Physik auszureizen. Nein, das adaptive Fahrwerk des RS5 auf Komfort gestellt, das Dach offen und einfach nur die gemütliche Auffahrt genießen. Mit dem Motorrad ist dieser Pass vielleicht etwas sportlicher zu fahren, machen sollte man es trotzdem nicht: zu schade wäre es um die verpasste Aussicht.

#thepluses2 - Tag 4, Route des Grandes Alpes - Col de la Cayolle

#thepluses2 - Tag 4, Route des Grandes Alpes - Col de la Cayolle

Wer zudem auf der Suche nach dem sportlichen Kick ist, der sollte den Pass nach dem landschaftlichen Genuss gleich nochmal von der Südseite her befahren. Dort reiht sich Serpentine an Serpentine und es eröffnet sich der Blick auf eine schroffe Felswand bedeckt von einer weißen Schneekuppe.

Frankreichs „Grand Canyon“: Gorges du Daluis

Auf dem Weg zu den nächsten Pässen planten wir einen weiteren Abstecher der Route des Grandes Alpes ein, nämlich zum Gorges du Daluis. Einer riesigen Schlucht hindurch zwischen roten Felsen. Eine große Schlucht, geformt durch die frühen Urgewalten des „Vars“, dem Fluss der sich hier hindurchzieht. Die Straße wurde dabei eng an den Fels gezimmert, die Streckenführung oftmals auf zwei Fahrstreifen aufgeteilt: während sich ein schmaler Tunnel in einer Fahrtrichtung durch den Fels zieht, führt die Gegenspur auf einer engen Trasse um den Fels herum. Einfach nur spektakulär und surreal. Für mich auch unfassbar, dass es so etwas hier bei uns in Europa gibt. Die Tiefe der Schlucht beläuft sich an einigen Stellen auf mehrere hundert Meter – senkrecht. Bis zum Ende sind wir nicht gefahren, aber als Abstecher von der Route des Grandes Alpes, sollte der Gorges du Daluis unbedingt eingeplant werden – und sei es nur für wenige Kilometer.

#thepluses2 - Tag 4, Route des Grandes Alpes - Gorges du Daluis

#thepluses2 - Tag 4, Route des Grandes Alpes - Gorges du Daluis

Pass #12 – #14: Col de Valberg, Col de la Couillole, Col Saint-Martin

Die nächsten Pässe – verzeiht es mir – möchte ich in dieser Erzählung nun überspringen. Ja, es lohnt sich, sie alle zu fahren. Nein, sie sind aber nicht so spektakulär, als dass ich nun viele Worte über sie verlieren wollen würde. Viel wichtiger war nämlich eines: mit jedem Kilometer war die Nähe zum Mittelmeer nun zu spüren, wir sollten unserem Ziel immer näher kommen. Das war an der Vegetation zu spüren, aber auch an dem unfassbar schönen Wetter, mit dem wir im Laufe dieses vierten Tages beglückt wurden. Leider, wie es eben so ist, war uns das Glück aber nicht lange treu. In den Bergen vor der Côte d’Azur manifestierten sich regenstarke Wolken und sollten uns das letzte Highlight unserer Route nochmal ordentlich verwässern.

Pass #15: Col de Turini, 1607m

1607 Meter. Das ist nicht viel, erst recht nicht im Maßstab dieser faszinierenden Route des Grandes Alpes. Der Turini braucht aber keine Höhenmeter, um mit seinem majestätischen Antlitz zu glänzen. Sein Ruf eilt ihm voraus. Denkt man an den Turini, denkt man an die „Nacht der langen Messer“. Jene legendäre Etappe der Rallye Monte Carlo, wenn sich die Rallyewagen Nachts, meist im Schnee, den Berg hinaufkämpfen. Legenden wurden hier geboren und Legenden sind hier bereits gefahren. Wir dürfen heute in Walter Röhrls Fußstapfen treten. Statt des legendären Ur-quattros, dem Audi S1, sind es bei uns heute zwar RS5 und R8, der Allrad ist aber trotzdem vorhanden und der sich vor uns ergießende Starkregen lässt zumindest in unserer Vorstellung die Herausforderung der Nacht der langen Messer in uns aufleben.

Wie sich diese Straße den Berg hinaufschlängt, anfangs noch geprägt von starkem Verkehr, ist schlicht atemberaubend. Hier, auf der nassen Straße haben die 525 PS des R8 Spyder auch trotz Allradantriebs leichtes Spiel mit der Hinterachse. Im sahnigen Drift aus den Kehren herausbeschleunigen ist auf dem nassen Untergrund kein Problem, hellwach sollte man aber trotzdem sein, denn die Konterreaktion des Mittelmotorsportlers ist abrupt und hart.

Die Abfahrt über die aufeinander gestapelten Serpentinen des Turini legen einen Schluss nahe: den Turini muss man einfach von Süden her fahren, erst dann macht dieses legendäre Asphaltband so richtig Spaß. Und: auf Regen kann man hier getrost verzichten. Trotzdem, es bleibt das besondere Gefühl, diese Legende aller Alpenpässe mit diesen Supersportwagen bezwungen zu haben. Ein Gefühl, das so schnell nicht verebben wird. Wer sich der Bedeutung des Turini bewusst ist, kann diese besondere Stimmung nachvollziehen.

Pass #16: Col de Castillon, 706m – Das Ziel unserer Reise: das Mittelmeer

So schön der Turini auch war, so anstrengend war das Wetter und entsprechend tief gesunken war auch wieder unsere Stimmung. Dieser Tag war lang, dieser Tag war hart und vor allem war die Nacht zuvor kurz. Einfach zu kurz. Wir hatten mit unserer Kondition und mit unserer Konzentration zu kämpfen, unsere Körper machten uns die Erschöpfung überdeutlich, also wollten wir nun nur noch so schnell wie möglich ans Ziel kommen. Glücklicherweise ließen wir mit dem Turini auch den Regen hinter uns.

Der Col de Castillon ist eigentlich nicht der Rede wert, er ist unspektakulär in der Streckenführung und – wir waren nun zum besten Feierabendverkehr unterwegs – geprägt von jeder Menge Verkehr. Frust baute sich auf, wurde aber schnell wieder von dem Wissen verdrängt, dass wir es fast geschafft haben, dass wir fast am Ziel angekommen sind. Und kurz bevor man vergaß, welcher Moment uns eigentlich noch bevorsteht, wurden wir von eben genau diesem Moment wie eine Dampfwalze überrollt: nach einer seichten Kurvenkombination tut sich am Horizont plötzlich das auf, dass wir alle als unser Ziel identifizieren konnten: das Mittelmeer. Ein fast fließender Übergang von blauem Himmel in blaues Meer. Nach 4 Tagen waren wir am Ziel unserer Reise angekommen. Diese wunderschöne Route führte uns vom Genfer See ans Mittelmeer, begleitet von zwei unfassbar feinen Boliden, von 18 Zylindern und 9,4 Litern Hubraum. Die beiden mussten ob der schwierigen Straßen ordentlich leiden, wir mussten einiges wegstecken, aber wir waren endlich am Ziel. Die Strapazen, der zwischenzeitliche Frust, das alles war vergessen, erst Recht, als wir schließlich in Menton ankamen.

#thepluses2 - Tag 4, Route des Grandes Alpes

Der Abend brachte uns dann noch die Suche nach einer Unterkunft, die wir schließlich auf italienischer Seite finden sollten. Direkt am Meer gelegen, checkten wir in ein kleines, aber gemütliches Hotel ein, ca 30 Kilometer von Menton entfernt. Nach einem Besuch in der örtlichen Pizzeria war für uns alle die Erleichterung zu spüren, aber auch die Freude über das, was wir in den vergangenen Tagen erleben durften. Der RS5 und der R8 durften sich ein letztes Mal im Carpark des Hotel erholen, während wir mit dem Rauschen des Meeres in den Ohren schnell, sehr schnell unseren verdienten Schlaf finden durften.

Eigentlich wollten wir am nächsten Tag direkt wieder die Heimreise angehen. Dank des gemütlichen Hotels und der Anstrengung entschließen wir uns aber, noch einen Tag mehr hier am Mittelmeer zu verbringen und den Genuss zu erleben, mit den beiden Sportwagen an der Küste entlangzucruisen und die aufgeregten „Bella Macchina!“-Schreie der autoverrückten Italiener zu genießen und die Côte d’Azur noch ein wenig in uns aufzusaugen.

Und mit diesem letzten Teil zu #thepluses2 und unserer Tour über die Route des Grandes Alpes ist diese Geschichte nun zu Ende. Es folgt aber noch mehr: Routenbeschreibung, das Video und und und. Insofern bleibt aber zu sagen: DANKE AN DIESES GROSSARTIGE TEAM! Danke an Audi für die Unterstützung bei diesem Trip und danke an euch Leser, die uns während des Trips live verfolgt haben! Bis bald!

#thepluses2 - Tag 4, Route des Grandes Alpes

Text: sb
Fotos: Can Struck, Sebastian Bauer

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Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

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