Obwohl – oder gerade weil – von Audi immer als DER Sportwagen vermarktet, sah sich der TT der Audi-typischen Kritik ausgesetzt: Untersteuert, zu perfekt, emotionslos, langweilig. Mit der dritten Generation soll nun alles anders werden und genau das habe ich mir angeschaut.
Audi TTS Coupé

Nein, ich muss mich outen: so langweilig empfand ich den alten TT gar nicht. Zumindest nicht, wenn man im richtigen saß: Denn der TT RS begeistert. Alleine schon dank seines mächten Fünfzylinders und dem imposanten Flügelwerk. Ich mag ihn, auch heute noch. Aber das Fahrverhalten, ja. Das könnte sehr viel mehr aufregender sein. Und auch sonst ist halt alles eben sehr kühl und perfekt. Gut, vielleicht kann man dem TT doch eine gewisse Tendenz zur Langeweile unterstellen. Die zahllosen Käufer schätzen aber wohl gerade diese kühle Emotionslosigkeit.

MQB – kennen wir doch schon!

Den neuen TT hat Audi auf den modularen Querbaukasten gesetzt (MQB), die gleiche Plattform, auf welcher wir schon im A3, S3, dem Golf, GTI und zahllosen anderen Derivaten unterwegs waren. Und obwohl jeder der letzt genannten für sich betrachtet ein äußerst gutes Auto ist, sind die Erwartungen nicht besonders hoch: es ist halt nur die zwölfunddreißigste MQB-Interpretation. Ist man ja schon zigfach gefahren und überhaupt: Sport und Emotionen brauchen wir auch hier nicht erwarten, denn auch das Äußere ist nach wie vor eher kühl gezeichnet und von klaren Linien geprägt.

Audi TTS Coupé

Klar, kantiger ist er geworden, so wie es jetzt eben so bei Audi ist. Die Front duckt sich deutlich tiefer auf den Asphalt, der kantige Single-Frame-Grill ist flacher geworden. Von vorne unterscheidet er sich noch am deutlichsten von seinem Vorgänger, denn dort wirkt er dank dieser Modifikationen vor allem flacher, breiter und damit maskuliner. Auffällig ist aber die neue Lichtsignatur des Tagfahrlichts: eine horizontale Linie wird von zwei schrägen vertikalen Linien gekreuzt. Das macht den TT im Rückspiegel eindeutig erkennbar und es sieht schon auch ein wenig sexy aus.

Der Teufel steckt im Detail – und hat dort vernünftig Hand angelegt

Sexy sind auch die weit ausgestellten Seitenschweller, welche vorzüglich funktionieren, um den verlängerten Radstand zu betonen. Der ist dank des MQB gewachsen, die Überhänge sind entsprechend verkürzt worden. Ansonsten ist die Seitenlinie aber (fast) ganz die alte und auch am Heck würde man höchstens ein Facelift vermuten. Die Intention ist klar: man will eben eine Designikone schaffen, vergleicht sich gerne mit dem Porsche 911. Auch wenn es eifrig nachgeredet (und geschrieben) wird, so wird ein Auto nicht einfach so zur Ikone, nur weil das Marketing öffentlichkeitswirksam in jeder Pressemitteilung verkündet. Großes Lob gibt’s aber dafür, dass die zwei Auspuffrohre beim TT, nicht TTS, nun wieder mehr in Richtung Mitte gewandert sind. Das erinnert an das Topmodell der ersten TT-Generation, den 3.2 quattro. Beim TTS zeigt sich hingegen die S-typische vierflutige Abgasanlage.

Audi TTS Coupé

Genug der Äußerlichkeiten, denn die eigentlichen Highlights sollen sich schließlich im Innenraum des TT verstecken. Das Virtual Cockpit wird von Audi ins Rennen geschickt, uns von analogen Rundinstrumenten zu befreien. Oder so. Denn dort, wo diese bisher ihren Platz fanden, sitzt nun ein 12,3-Zoll-großes Display, welches alle Aufgaben übernimmt, die sich bisher Kombiinstrument und zusätzliches Infotainment-Display geteilt haben. Und ja, es gab schon digitale Displays als Tacho-Ersatz. Zum Beispiel bei Jaguar oder Mercedes. Niemand hat die Idee bisher allerdings so konsequent durchgezogen, wie Audi hier im neuen TT. Mal davon abgesehen, dass es in der S-Klasse – mit Verlaub – sehr unglücklich aussieht, wie man dort zwei große, lieblos ins Armaturenbrett gezimmerte Monitore aneinandergereiht hat.

Audi TTS Coupé Virtual CockpitAudi TTS Coupé

Das kann der TT besser: um das Display schmiegt sich eine für ein Kombiinstrument typische Einfassung, welche ihm Form verleiht und das ganze System deutlich plastischer wirken lässt. Gesteuert wird das alles über das Lenkrad, was nach überraschend kurzer Eingewöhnungszeit sehr flott von der Hand geht. Ach und das Lenkrad: sehr, sehr sexy! Schön geformt, offene Speichen und dann auch noch dieser kleine, runde Pralltopf – saubere Arbeit! Man hat aber noch weiter reduziert, was sich im Innenraum reduzieren lässt: aus den vier typischen Schaltern plus Dreh- und Klickrad in der Mittelkonsole wurden nun zwei Wippen plus Dreh- und Klickrad. Die Steuerung für die Klimaanlage hat man auch gleich über den Haufen geworfen und in die Lüftungsdüsen integriert – inklusive kleiner Monitore, welche die dort getätigten Einstellungen anzeigen. Ja, richtig: Monitore in (!) den Drehreglern der Lüftungsdüsen!

Audi TTS Coupé LenkradAudi TTS Coupé

Das Resultat: der wohl aufgeräumteste Innenraum seit Autos immer digitaler wurden. Der Effekt ist großartig, denn es gibt nur noch eine Rennsport-ähnliche Schalterleiste für wichtige Basisfunktionen (zum Beispiel drive select und das ESP) und das war’s dann auch schon. Das Virtual Cockpit und alles was damit einhergeht IST eine Innovation. Es ist nicht nur ein Display als Tachoersatz, es ist ein komplett neues, intuitives Bedienkonzept. Hut ab dafür! Kritik? Klar, die gibt es auch: denn, egal wie sehr man damit wirbt, dass man einen Nvidia Tegra 3 Prozessor an Bord hat, ist es dem Kunden ziemlich einerlei. Der wünscht einfach nur ein schnell reagierendes System. Und genau das tut es leider nicht immer. Gerade beim Umschalten zwischen Menüs oder Ansichten gönnt sich das System durchaus eine Gedenksekunde – das kann BMWs ConnectedDrive besser.

Überall Virtual Cockpit – aber fährt er auch?

Bleibt die Frage: hat man denn bei all den Überlegungen zum Innenraum noch Geld übrig gehabt, um das Ding auch vernünftig fahren zu lassen? Scheint so. An Potenz mangelt es natürlich weder dem TT, noch dem TTS. Mit 169 kW (230 PS) ist der Einstiegsbenziner schon ausreichend motorisiert. Es gibt auch einen Diesel mit 135 kW (184 PS), den sind aber andere gefahren. Richtig Dampf unter der Haube hat dann der TTS mit 228 kW (310 PS). Allerdings war Leistung noch nie ein Problem beim TT und TTS. Die Frage ist eher: geht’s auch ums Eck?

Audi TTS Coupé

Dafür hat man sich bei Audi Mühe gegeben. Einige Mühe. Aber leider nicht alle Mühe. Zum Beispiel wurde der quattro-Allradantrieb erstmals beim TT auch in das drive select mit eingebunden. Das sorgt dafür, dass beim Einlenken bereits die Kupplung des Allradantriebs mehr Antriebsmomente an die Hinterachse leitet und so beim Tritt auf’s Gas deutlich weniger Untersteuern proviziert wird. Überhaupt ist die Fahrwerksabstimmung nun deutlich hecklastiger geworden, erlaubt beim Lastwechsel sogar, dass der geübte Fahrer das Heck in die Kurve hineinwerfen kann. Übersteuern ist plötzlich erlaubt – wer hätte das gedacht?

Elektronik statt Mechanik

In der Kurve dürfen sich dann aber die Regelsysteme einen Wolf arbeiten, um mittels radselektiven Bremseingriffen ein agiles Fahrverhalten sicherzustellen und auch beim Beschleunigen eine Momentverteilung zwischen den Rädern der Vorderachse zu Gunsten der gewählten Linie zu ermöglichen. Das Resultat: nach 3 Runden auf dem Ascari Race Resort, auf welchem nur an wenigen Stellen hart aber sehr punktuell gebremst wird, streckt die Bremsanlage die Flügel und will nicht mehr so, wie es der Fahrer befiehlt. Kein Wunder, wenn sie im Dauereinsatz ist – eben nicht nur beim Verzögern, sondern auch beim Beschleunigen.

Audi TTS Coupé

Warum ein vergleichsweise unaufgeregter Golf GTI auf gleicher Plattform eine so herausragend gut funktionierende elektronisch geregelte Quersperre an der Vorderachse fahren darf, sich der knapp zwanzigtausend Euro teurere TTS aber mit mehr schnöden Regeleingriffen die Bremsen wundscheuern muss? Der TTS sei eben kein Tracktool. Es sei ein Kompromiss zwischen Alltagstauglichkeit und Sportlichkeit. Eben darauf ausgelegt, wie ihn die anvisierten Käufer nutzen und fahren werden. Man könnte das nun so verstehen, als sei der Golf GTI aus Audi-Sicht der konsequentere Sportwagen. Und die Bremsen? Quasi gleiche Antwort: Der Fokus liege eben auf Alltagstauglichkeit. Geräuschentwicklung, Bremsverhalten bei Kälte und Nässe, Bremskomfort – das alles hat eben Vorrang.

Fazit

Und das ist eigentlich mehr als schade. Denn Fahren und ums Eck gehen, das kann der TT und der TTS alles ganz vorzüglich. Er fühlt sich gut an, das Fahrwerk ist grandios gut und sauber abgestimmt, endlich kann man mit ihm auch spielen, muss nicht mehr über stoisches Untersteuern klagen. Er klingt gut, er zieht gut, er streift sich endlich – zumindest in großen Teilen – seine viel kritisierte Langeweile ab. Freilich ist er immer noch nicht eine so emotionale Büchse, wie etwa ein Alfa 4C – muss er ja aber auch nicht. Auf der Landstraße ist der TTS ein wirklich genussvolles Auto. Der Haken an der Sache: das alles kann der 230 PS TT ebenso gut. Wenn der TTS also nicht “sporttauglicher”, nicht wirklich besser und belastbarer ist als der TT, warum dann einen TTS ordern? Logisch, Leistung geht immer. Ob einem 80 PS allerdings 15.000 € wert sind, das muss dann jeder für sich selbst entscheiden. Mein Tipp also: TT mit 230 PS kaufen, 10.000 € sparen, in die Bremsanlage investieren und Spaß haben. Ich freue mich derweil auf den TT RS. Der macht dann aus dem TT in Puncto Bremse und Fahrdynamik hoffentlich das, was der sonst so gute TTS jetzt eigentlich schon sein könnte.

Audi TTS Coupé

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Text: sb
Fotos: Audi AG / Tobias Sagmeister / sb

Technische Daten

Audi TTS Coupé 2.0 TFSI quattro S tronic

Motor-Bauart:
Reihen-Vierzylinder-Ottomotor mit Benzindirekteinspritzung, Abgasturboaufladung mit Ladeluftkühlung, Vierventil-Technik, DOHC
Hubraum:
1.984 cm³
Leistung:
228 kW / 310 PS bei 5.800 U/Min
Drehmoment:
380 Nm bei 1.800 – 5.700 U/Min
Höchstgeschwindigkeit:
250 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h)
4.6 Sekunden
Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
8.4 L / 6.1 L / 6.9 L E10 (ROZ 95)

Grundpreis Audi TTS Coupé 2.0 TFSI quattro S tronic:
49.100
Leergewicht:
1.460 kg
Max. Zuladung:
400 kg
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
4.191 mm / 1.832 mm / 1.343 mm

Disclosure zur Transparenz

Ich wurde von Audi nach Malaga, Spanien eingeladen. Reisekosten, Verpflegung und Übernachtung wurden von Audi übernommen. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.

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Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

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