Porsche kann ja gar keine Autos mehr für Enthusiasten bauen. Selbst den Doppelkuppler zwingen sie dir schon auf. Und das ausgerechnet in der derzeitig sportlichen Krönung der 991-Baureihe, dem 911 GT3. Und dann noch die Hinterachslenkung und überhaupt! Verrat am Sportfahrerherz! Das hat uns ja gerade noch gefehlt. Das kann ja keinen Spaß machen. Weder in den Schweizer Alpen, noch auf der Rennstrecke. Oder?

#radical14 - Porsche 911 GT3 991

Zweifelsohne ist diese Frage natürlich provokant und eigentlich auch völlig sinnfrei. Denn sind wir mal ehrlich, egal welches knapp 500 PS starke Gefährt man uns spinnerten Petrolheads in die Hand drücken würde um damit Pässe hoch- und runterzufeuern oder auf der Rennstrecke Gas zu geben: wir hätten immer unseren Spaß. Fast. Also wahrscheinlich immer. Ausnahmen bestätigen sicher die Regel, aber soviel sei gesagt: bei #radical14 ließ sich diese Ausnahme nicht finden. Bleibt insbesondere die Frage zu klären, ob sich Porsche einen Gefallen damit tut, den GT3 bis an die Zähne mit Zeug zu bewaffnen, welches den Fahrer grundsätzlich noch weiter vom Geschehen loslöst? Wenn man den Fabi fragt, sowieso, der liebt „seinen“ GT3 wie eh und je.

Aber offensichtlich tun sich die Zuffenhausener damit tatsächlich einen Gefallen, denn sie bedienen sich eines simplen Tricks, den viele so genannte Sportwagen heute nicht mehr beherrschen: zieh‘ den Fahrer einfach so tief ins Geschehen, lass‘ ihn sich so eng mit der Straße verbunden fühlen, dass es ihm egal ist, ob er Wippen statt eines Hebels und eines dritten Pedals bedient. Dass es ihm egal ist, ob Aktuatoren die Hinterachse gegen- oder auch mitläufig durch die Kurve lenken. Und dass es ihm auch total Wurscht ist, ob nun eine elektromechanische oder eine hydraulische Servolenkung beim Umwuchten der Fuhre hilft.

#radical14 - Porsche 911 GT3 991

Dieses „tief ins Geschehen saugen“, das kann der 911. Das konnte er schon immer. Und der GT3 mit so feiner Hardware wie dem mechanisch rasselnden Einmassen-Schwungrad sowieso. Because Racecar eben. Bestens der Aufmerksamkeit zuträglich zeigt sich aber der 3,8-Liter-Boxer, artgerecht natürlich im Heck untergebracht. Insbesondere dann, wenn er wütend und heiser der 9.000er Marke entgegenstürmt. Dann ist nicht nur im Cockpit die volle Aufmerksamkeit mit einhergehender Gänsehaut garantiert, auch auf den Zuschauerplätzen kann man sich ihrer sicher sein – sowieso, wenn die Klappen der Sportabgasanlage auf Durchzug stehen.

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Dabei ist es auch diese Vielseitigkeit, die einen 911, auch als GT3, so besonders machen: gemütlich aufstehen, einsteigen, per Tempomat und mit unter 9 Litern gemütlich zur Rennstrecke rollen, von nichts genervt werden, vollen Fahrkomfort genießen. Und dann fährst Du auf die Piste, legst den Sport- oder SportPlus-Modus ein, ballerst wie ein Irrer um die Ecken und wo Du vorher – genau wie du es von deinem Daily Driver willst – gar nichts vom Auto mitbekommen hast, bist Du jetzt einfach mittendrin. Voll verbunden, mit dem Auto und der Straße. Und die ganzen technischen Finessen, die ganzen Details, dieser totale Tech- und Präzisionsnerdismus der Zuffenhausener ist Dir einfach völlig egal. Langweilig? Emotionslos? In diesem Moment, wo die Nadel bei 9.000 in den Begrenzer schnattert, werden solche Gedanken vom sägenden Boxerkreischen in der Luft zerrissen. Schnell per PDK die nächste Stufe nachgefeuert. Der fiese Nackenschlag im SportPlus-Modus dient wohl mehr dazu, den Nachbarn bei einer Taxifahrt zu beeindrucken – aber verflucht schaltet das Teil schnell und hart!

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In der Kurve dann, typisch eben, ein wenig Untersteuern. Wer jetzt wie ein Ochs auf den Pinsel tritt, erntet noch mehr davon, verlagert er doch einen großen Teil der Masse auf die Hinterachse und macht die Vorderachse noch leichter. Da muss dann schon die elektronisch geregelte Quersperre als Teil des Porsche Torque Vectoring Plus eingreifen, um die Hinterachse durch Momentverteilung zum Einlenken zu bewegen. Und dann geht’s wie auf Schienen um die Ecken. Nein, gänzlich idiotensicher ist er nicht. Er verlangt trotzdem ein wenig Engagement und Fähigkeit vom Fahrer, zumal auf der nassen Rennstrecke in Lignieres, wenn die Semislicks noch auf der Suche nach dem optimalen Temperaturfenster für eine konstruktive Zusammenarbeit sind.

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Und dann fliegst Du Runde für Runde um den Kurs, eine Bestzeit nach der anderen. Die Semis lassen inzwischen die Nässe auf ihrer Oberfläche verdampfen, die Bremse standfest wie eh und je und du, dank der bequemen Schalen, fest im Sattel. 30 Minuten später, runter von der Strecke, die Brötchen noch auf dem Beifahrersitz und gemütlich wieder nach Hause an den Frühstückstisch.

Der Porsche 911 GT3 ist ein schönes Beispiel dafür, dass es nicht immer nur auf Verzicht ankommt. Natürlich sind nackte, rohe Sportwagen, wie ein Lotus Elise und ein Alfa 4C (siehe Fahrbericht bei radical-mag.com) eine Offenbarung. Der GT3 zeigt bei all seiner technischen Überlegenheit aber vor allem eines: es kommt nicht auf die Technik und auch nicht auf die Nacktheit an, wie sehr du dich mit dem Auto verbunden fühlst. Denn fühlen, das sollte der Fahrer schließlich vor allem mit dem Popometer, welches im GT3 höchst detailliert mit Informationen versorgt wird. Genau das haben viele moderne Sportwagen leider vergessen und genau das ist es, was einen 911 GT3 trotz seiner abgefahrenen Technik zu einer der besten Fahrmaschinen auf diesem Planeten macht. Nicht DIE Beste? Wer weiß, aber dazu ein anderes Mal…

#radical14 - Porsche 911 GT3 991

Text: sb
Fotos: Patrick Corminboeuf/Walter Pfäffli/Tobias Heil

Technische Daten

Porsche 911 GT3 (991)

Motor-Bauart:
Wassergekühlter Boxermotor, vier obenliegende Nockenwellen mit VarioCam und Benzindirekteinspritzung
Hubraum:
3.799 cm³
Leistung:
350 kW / 476 PS bei 8.250 U/Min
Drehmoment:
440 Nm bei 6.250 U/Min
Höchstgeschwindigkeit:
315 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h)
3.5 Sekunden
Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
18.9 L / 8.9 L / 12.4 L SuperPlus (ROZ 98)

Grundpreis Porsche 911 GT3 (991):
137.303
Leergewicht:
1.430 kg
Max. Zuladung:
290 kg
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
4.545 mm / 1.852 mm / 1.269 mm

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Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

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