Zu einer Schießerei taucht man besser nicht mit einem Messer auf. Das ist nicht nur gesunder Menschenverstand, es ist auch besser für die eigene Gesundheit. Mit einem Suzuki SX-4 S-cross von München aufzubrechen, um das Stilfser Joch zu bezwingen, ist trotz seines mit 120 PS bis an die Zähne bewaffneten 1,6-Liter-Diesel aber eben genau das: das berüchtigte Messer inmitten einer Schießerei.

Suzuki SX-4 S-Cross 1.6 DDiS am Stilfser Joch

Und doch macht es wunderbar viel Sinn, mit 120-Diesel-PS den Stelvio Pass hochzunageln. Denn normalerweise ist da oben so viel Verkehr, dass es egal ist, ob Du nun mit 120, 350, 700 PS oder eben zu Fuß unterwegs bist. Die vermeintlich schönste Straße der Welt ist nämlich vor allem auch das: die wohl frustrierendste Straße der Welt, wenn man in jeder der 48 Kehren wartet, bis der mit Touristen beladene Reisebuss nach dem dritten Wendemanöver endlich wieder die nächste Spitzkehre anvisieren kann. Und überhaupt: wer mit dem smart auf die Nordschleife kann, kann auch mit einem SX-4 auf’s Stilfser Joch!

120 PS und 320 Nm Drehmoment müssen’s heute richten. Nach gut 5 Stunden Fahrtzeit stehe ich am Fuße des Stilfser Joch, in der Ortschaft Prad am Stilfserjoch. Es wäre auch in weniger als 5 Stunden gegangen, vorausgesetzt, ich hätte die direkte Route gewählt. Habe ich aber nicht. Und weil das in Anbetracht der Ferienzeit eine blöde Idee war, hat sich die Fahrtzeit mal eben um 2 Stunden verlängert. Das ist aber zu verkraften, denn an und für sich sitzt es sich ganz bequem auf den Ledersitzen des Suzuki SX-4 S-Cross.

Ein bisschen Sport muss sein

Ein wenig sportlich will er ja schon sein, das soll alleine schon das „S“ im S-Cross vermitteln. Dass „ein wenig“ aber weit von „Pässeballern“ entfernt ist, steht außer Frage. Trotzdem muss er da jetzt durch. Zuvor noch alle Systeme in Angriffsbereitschaft bringen: per „Drive Mode Select“ auf Sport gehen, ESP raus und … das war’s auch schon. Nein, der „Drive Mode“ steuert nicht etwa eine Dynamiklenkung, die Ladedruckkennlinien oder die Dämpferraten eines adaptiven Fahrwerks. Auch eine „Side Slip Control“ schalten wir damit nicht scharf. Aber der Allradantrieb, der wird nun zugunsten der Fahrdynamik häufiger mehr Kraft an die Hinterachse leiten, während die simulierte elektronische Differenzialsperre per Bremseingriffen für ein agileres Einlenkverhalten sorgen soll.

Ich stelle mir vor, wie ich unter einem Sponsorenbanner auf der Straße stehe, vor meiner Windschutzscheibe ein Kerl, der mit seinen Fingern eine drei anzeigt. Motor auf Drehzahl. Der Diesel nagelt lustvoll in die Berge. Der imaginäre Mann zählt herunter, „zwei“, „eins“, Kupplung und Feuer frei! Ohne Traktionsprobleme stürmt der SX-4 nach vorne setzt sich der SX-4 in Bewegung. Zugegeben, auch ohne Allrad dürfte der kleine 1,6-Liter-Diesel auf trockener Straße nicht mit Schlupf zu kämpfen haben. Egal, das Gaspedal liegt am Bodenblech, die erste Kehre nähert sich. Anbremsen, erster Gang und weiter. Der zweite Gang wäre in diesem Moment so unpassend, wie ein Veganer im Steakhouse. Die Kluft zwischen erstem und zweitem Gang ist groß, zwischen Zweitem und Drittem aber noch viel größer. Aus Verwunderung prüfe ich nicht nur einmal, ob ich nicht doch im Vierten gelandet bin.

Suzuki SX-4 S-Cross 1.6 DDiS am Stilfser Joch

Mit jedem Höhenmeter wird es für den SX-4 S-Cross spürbar anstrengender. Die Gänge auszudrehen ist so nutzlos wie mühevoll, in Puncto Elastizität kann er zumindest hier, in der Höhenluft allerdings auch nicht aus den Vollen schöpfen. Ganz ohne Drehzahl geht es also nicht. Doch er schlägt sich wacker. Trotz des Stigs fettem entfernten Verwandten auf dem Fahrersitz, seiner schlanken Begleiterin auf dem Beifahrersitz und voller Ladung im Gepäckabteil. Oben auf 2.757 Metern angekommen, ist es Zeit für ein erstes Foto. Das Wetter spielt glücklicherweise bestens mit. Zum Abkühlen bleibt dem kompakten Japaner allerdings wenig Zeit: das Hotel in Bormio will schließlich noch vor Sonnenuntergang erreicht werden.

Der Weg hinunter ins Tal liegt dem SX-4 schon deutlich besser. Jetzt sind auch 120 Pferde – von denen auf über 2.000 Metern ohnehin ein nicht zu verachtender Teil an Höhenkrankheit leidet – genug, um den Kompakt-SUV aus den Kehren hinauszuschieben. Bestimmt, aber doch behutsam, werden die nächsten Kehren angebremst, schließlich kommt mein Testwagen ohne teure Carbon-Keramik-Verbundbremsanlage daher und hinter den etwas unglücklich designten Alufelgen befindet sich auch keine pizzatellergroße Bremsscheibe. Den Abstieg bewältigt der gut 1,4 Tonnen schwere Allradler dennoch souverän. In Bormio angekommen, wird eingecheckt, das Gepäck entladen und Mensch und Maschine für die bevorstehende Wertungsprüfung gerüstet. Im Detail bedeutet das: Diesel tanken, Pizza essen.

Der zweite Aufstieg

Um kurz vor 8 Uhr ist es schließlich soweit. Jetzt tummelt sich kaum noch eine Menschenseele auf der Straße, das Stilfser Joch durchläuft seine Transformation von der nervigsten zu einer der schönsten Straßen der Welt. Mit vollem Tank, vollem Bauch und leerem Kofferraum krallt sich der SX-4 Kurve um Kurve und ich bin überrascht, wie souverän das Auto abfedert, sich durch schnelle Wechselkurven schlängelt und spontane Richtungswechsel verdaut. Wäre das nervige Ausquetschen des kleinen Diesels nicht, um möglichst jedes kleine Newtonmeterchen auf den Asphalt zu bringen, wäre das hier schon fast ein Freudenfest. Aber es reicht, um uns bis zum Sonnenuntergang auf die Passhöhe zu manövrieren.

Oben angekommen wird mir bewusst, wie sehr die Bedeutsamkeit dieses Ortes von der Uhrzeit abhängt. Jetzt, wo höchstens noch ein, zwei Autos auf der Passstraße auszumachen sind, hier oben fast Totenstille einkehrt, zieht Dich diese karge, leblose Landschaft sofort in ihren Bann. Im ersten Weltkrieg standen sich hier italienische und österreichische Einheiten gegenüber – mehr oder weniger. Über das neutrale Gebiet der Schweiz hinweg, wurde sich hier oben an der Dreisprachenspitze eine erbitterte Schlacht geliefert.

Während sich die Sonne immer mehr verkriecht und Wolken für ein spektakuläres Schauspiel sorgen, lässt sich eigentlich nur mit Staunen auf dieses beeindruckende Stück Straße hinabblicken. Doch ein Gewitter zieht auf und beendet diesen Moment. Das Alpenwetter kann schnell unberechenbar und ungemütlich werden, die sichere Zuflucht wird im SX-4 gesucht. Ein paar Meter unterhalb der Passhöhe stelle ich ihn auf einem Stück Wiese ab, fahre die Sitze ganz nach hinten und genieße den Ausblick durch das Panorama-Schiebedach in den Sternhimmel – dort, wo er nicht gerade von den Wolken verdeckt wird. Das Gewitter kommt und geht und im Suzuki ist es erstaunlich bequem. Wäre das Hotel nicht schon bezahlt, könnte man die Nacht auch hier oben im Auto verbringen. Das Hotel scheint trotz allem aber die sinnvollere Option zu sein, schließlich muss der SX-4 am nächsten Morgen noch einen dritten Aufstieg über sich ergehen lassen.

Die beste Straße der Welt?

Der Morgen ist geprägt von Kälte und nassen Straßen. Aber auch hier, jetzt auch wieder mit vollem Kofferraum, leistet sich der SX-4 keine Faux Pass. Zieht selbstbewusst auch aus den engsten Kehren hinaus. Die Passhöhe des Stilfser Joch wird ein letztes Mal erreicht, bevor es wieder 1-2 Kilometer zurück geht, um dann den Abzweig zum Umbrailpass zu nehmen. Und wer hier unterwegs ist, versteht endlich die Jungs von Top Gear. Denn die haben damals, auf ihrer Suche nach der besten Straße der Welt nicht behauptet, das Stilfser Joch wäre es. Nein, „Davos to Stelvio – the best driving road in the world“ war die Ansage. Und das bedeutet: Flüelapass, Ofenpass, Umbrailpass und Stilfser Joch. Ich würde sagen: das klingt nach einem Plan. Dann aber wieder mit einer Schusswaffe.

Suzuki SX-4 S-Cross 1.6 DDiS am Stilfser Joch

Fazit

Es ist schon erstaunlich, wie viel Fahrspaß ein Auto machen kann, egal wie deplaziert es auch zu sein scheint. Aber die Suzuki-Ingenieure haben ihren Job vor allem richtig gemacht, als es um das Fahrwerk ging. Der Motor, der ist nun mal nicht gebaut, um im hochalpinen Gelände sportliche Fahrleistungen zu vollbringen. Muss er aber auch nicht. Denn auf dem Rest der Reise und auch sonst im Stadtverkehr, ist man mit ihm souverän und vor allem sparsam unterwegs: 5,9 Liter nach 2.200 Kilometern und 3 Aufstiegen am Stilfer Joch – das muss ihm erstmal einer nachmachen. Im Alltag war er zudem bequem mit 5,5 Litern und weniger zu bewegen und das Platzangebot im Fond ist überraschend üppig. Wenn jetzt noch das Radio nach etwas mehr als Plastikdose klingt, dann verstehen wir uns.

Wertung

6.0/10
  • Fahrdynamik: 4
  • Fahrspaß: 4
  • Sound: 2
  • Verarbeitung: 5
  • Komfort: 5
  • Ausstattung: 4
  • Verbrauch: 8
  • Preis/Leistung: 7
  • Persönliche Anziehungskraft: 4
Mein passion:driving Wertungsschlüssel spiegelt meine subjektive Einschätzung des Testwagens in verschiedenen Kategorien wieder. Die fahrdynamischen Qualitäten spielen dabei eine große Rolle. Trotzdem wird ein Auto nur durch Performance keine 10er-Wertung erhalten können. Hier gibt es mehr Informationen zum Wertungssystem.

Technische Daten

Suzuki SX-4 S-Cross 1.6 DDiS Allradantrieb

Motor-Bauart:
wassergekühlter Vierzylinder-Turbodieselmotor, 16 Ventile, 2 oben liegende Nockenwellen, Common-Rail-Direkteinspritzung
Hubraum:
1.598 cm³
Leistung:
88 kW / 120 PS bei 37.500 U/Min
Drehmoment:
380 Nm bei 1.750 U/Min
Höchstgeschwindigkeit:
175 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h)
13 Sekunden
Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
5.2 L / 3.9 L / 4.4 L Diesel

Grundpreis Suzuki SX-4 S-Cross 1.6 DDiS Allradantrieb:
25.190
Testfahrzeugpreis:
29.490
Testverbrauch:
5.9 Liter / 100 km über 2.230 km
Leergewicht:
1.380 kg
Max. Zuladung:
490 kg
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
4.300 mm / 1.765 mm / 1.580 mm

Disclosure zur Transparenz

Das Fahrzeug wurde mir freundlicherweise von Suzuki Deutschland für den Test zur Verfügung gestellt. Der Test erfolgte unabhängig. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.

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Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

16 Kommentare

  1. Hey Sebastian, normalerweise würde ich Artikel über einen Suzuki links liegen lassen, aber deine Schreibweise macht einfach alles sehr lesenswert und amüsant 🙂
    wieder mal top!

    • Haha! 😀 Das freut mich! Vielen lieben Dank für den Kommentar. Mir ist ja natürlich klar: wenn’s schon kein Sportwagen ist, bin ich euch ja trotzdem eine schöne Geschichte schuldig 🙂

  2. Meine Rede, es ist immer eine Frage des Tages und der Uhrzeit, wieviel Spaß man am Stilfser haben kann. Wer in den Ferien, Samstag nachmittags fährt – ja, dem ist kaum zu helfen.

    An einem trockenen Herbstabend, unter der Woche, so gegen 9 Uhr abends… die letzten Motorradfahrer kommen nach Prad runter, man wählt die passende Musik aus, der Motor ist eh schon vorgewärmt, kurzer prüfender Blick nach hinten auf dem geschotterten Parkplatz und dann geht´s ab… 48 Kurven eines unvergleichlichen Baletts… ein Fest für die Sinne!

    • Ganz genau so ist es! 🙂 Man kann natürlich auch in aller Früh dort hoch, aber ich bevorzuge auch die Abendstunden. Die Stimmung ist einfach unvergleichlich, wenn sich der Sonnenuntergang näher. Schöne Bilder übrigens, die Du da auf Deinem Flickr hast!

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