Wenn dunkle und finstere Mächte toben, wenn sich Urgewalten auftun, dann gibt es zwei Möglichkeiten: entweder Weltuntergang. Oder: der neue Mercedes-AMG C 63 S. Und der tritt beileibe ein schweres Erbe an, denn sein Vorgänger hat sich kurzerhand bei mir ins Herz katapultiert, als eines meiner absoluten Lieblingsfahrzeuge. Kann das gut gehen?
Um das herauszufinden sind Axel und ich dieses Mal zusammen nach Portugal gereist. Und da sitze ich nun: Helm auf dem Kopf, in der Bewegungsfreiheit dadurch etwas eingeschränkt. Der C 63 S wurde bereits freundlicherweise warmgefahren und wartet nun hier in der Boxengasse des Autodrome Internacionale do Algarve darauf, mir zu zeigen, dass eben jede Trennung mit der Zeit verheilt. Auch die vom so unfassbar aufregenden C63 AMG Coupé Edition 507. Ja, sogar die Trennung vom legendären 6,2-Liter-V8 der noch ohne jegliche Downsizing-Gedanken im Hinterkopf ungefiltert ohne Zwangsbeatmung seine Meinung kundtun konnte.
Unbändige Drehmomentfreuden
Die Gruppenzusammenstellung, um sich auf den ersten fünf Runden ein wenig auf’s Auto einzuspielen, könnte besser nicht sein: Instruktor, Chris Harris, Axel, ich. Sollten wir in diesen fünf Runden zu langsam unterwegs sein, an den anderen Gruppenteilnehmern wird es sicher nicht liegen. Also los, Feuer frei!Selbst die zwei Einführungsrunden laufen in dieser Gruppenzusammenstellung bereits so schnell, dass der C 63 S mehr als nur einmal alles geben darf – ich sowieso. Vortrieb ist immer vorhanden. Und immer auch im Überfluss. Der von den zwei Turboladern im heißen V geschmiedete Drehmomenthammer schlägt jederzeit unbändig zu. Kräftig Schwung muss dieser Motor scheinbar nicht holen, er drückt Dir den Hammer einfach sofort in den Nacken. Der Dank geht an den AMG GT, der quasi als Organspender sein Herz überlassen hat, auch wenn man im C 63 auf den Trockensumpf verzichtet hat. 4 Liter Hubraum sind es dann nur noch. 2,2 Liter weniger als im legendären Dreiundsechzig. Und wenn Du diesen schier nicht enden wollenden, 700 Nm starken Drehmomentteppich von 1.750 bis 4.500 Umdrehungen ausreitest und wie wild, ohne jedes Nachlassen in Richtung der Sechsfünfer-Marke weiterstürmst, dabei über den Punkt knallst, an dem die Spitzenleistung von 510 PS anliegt, vermisst Du einfach keinen einzigen Milliliter vom Volumen des alten Saugers.
Ach, Luftpumpen machen den Klang kaputt? Nun, was oft gesagt wird, muss ja nicht immer wahr sein. Fangen wir beim Start an: kurzes, bedachtes Aufknurren, danach pendelt sich die Leerlaufdrehzahl ein – ich sage einfach mal „irgendwo“, denn ich war zu sehr vom Klang angefixt, um zu schauen, wo genau – und wummert genüsslich auf Schiffsdiesel-Level vor sich her. Im Innenraum klingt das in etwa so: „Woobroääpttpengpaffknurrwummwummwummwummwumm“ und so weiter. Wie Dich dieser Achtzylinder akustisch mit jeder Kurbelwellenumdrehung in seine Welt lockt und Dich spüren lässt, dass hier eben noch eine richtige Maschine, echte Mechanik am Werk ist – unfassbar! Und danach? Das gesamte Supersportwagen-Repertoire singt der C 63 mit Leichtigkeit auf und ab. Inbrünstig grollend, kehlig brüllend, spuckend, sprotzelnd, knallend – der C 63 spielt die gesamte Sportwagentonleiter mit Links. Und wenn dann eine Gruppe C 63 S die Zielgerade in Portimao mit über 240 Sachen hinunterfliegt, klingt’s als würdest Du direkt inmitten eines NASCAR-Oval stehen.
Und auch sonst fehlt es Dir an nichts: Head-Up-Display, das Dir auf Wunsch auch nur die wichtigsten Performance-Daten inklusive Schaltblitz liefert, die wunderbaren AMG-Performance-Sitze oder der edle Burmester-Sound. Es mangelt Dir an nichts, vorausgesetzt, Du magst Dein Geldsäckl weit genug aufmachen.
Verzögert hart – immer!
Zurück auf die Strecke: was für ein fieses Ding von Strecke! Beim richtigen Bremspunkt zählt jeder Meter, denn die Geschwindigkeiten sind hoch und entsprechend hart muss die Keramikbremsanlage in den zwei unbarmherzigen, bergab angebremsten Spitzkehren schuften. Und das tut sie mit Bravour. Auch nach 5 Runden die so flott herumgingen, dass selbst der Instruktor danach nicht mehr viel Luft nach oben sieht. Audi, jetzt bitte genau aufpassen: so geht bremse! Schmeißt euer Zeug bei den vermeintlichen Sportmodellen in den Müll und bittet die Affalterbacher mal lieb um eine Nachhilfestunde.
Die nun auch elektronische Servolenkung ist angenehm direkt übersetzt und arbeitet mit schönem Gewicht, nur das Feedback, das fehlt leider. Das Niveau einer elektronischen Servolenkungen, wie die im Renault Megané RS hat interessanterweise bisher kaum jemand erreicht. Ist hier im C 63 S allerdings zu verkraften, denn viel wichtiger als das Griplevel an der Vorderachse ist eigentlich sowieso, was gerade an der Hinterachse abgefeiert wird. Und diese in der Regel mehr als ausgelassene Party musst Du sowieso mit dem Popometer belauschen – und das gelingt vorzüglich. Also beides. Die Party und das Belauschen.
Machen wir’s kurz: diese Sportlimousine ist ein Viech. Ein wildes, das Querfahren bereits angeboren. Denn der quasi immer vorhandene Leistungsüberschuss schickt die Hinterachse zu jeder Zeit, in jeder Situation in jeden beliebigen Driftwinkel. „Quer bis auf die Curbs raus? Na gut, wenn Du willst..“. „Bis zum Lenkanschlag quer um die nächste Spitzkehre? Geht klar!“. „Die teuren Cup-Reifen hinten in Rauch auflösen? Na gut, wenn Du meinst.“. Egal was es ist, er macht. Und selbst wenn Dir in der Kurve einmal der Platz ausgeht, der C 63 S ist so talentiert, dass Du auch im Moment, als Dir dein vermeintliches Scheitern bewusst wird, immer noch alle Optionen zur Hand hast: weiter Geschwindigkeit abbauen und bis ganz tief in die Kurve reinbremsen? Dank wunderbarer ABS-Abstimmung kein Problem. Die ganze Fuhre vorher auf der Bremse bereits schräg positionieren und die Situation so entschärfen? Geht. Mit dem Gaspedal Untersteuern eliminieren? Auch kein Thema.
Er bietet Dir zu jeder Zeit alle Optionen, die Du brauchst, um aus jeder noch so trickreichen Situation einen Sieg hinauszutragen. Der Dank geht hier nicht zuletzt sicher auch an das elektronisch gesteuerte Sperrdifferenzial, das nebst der dynamischen Motorlager exklusiv der S-Variante vorbehalten ist. Doch selbst, wenn Du es in aller Euphorie auch in der furchteinflößenden „Galp“ maßlos übertreibst. Diese so gemeine, letzte Kurve. Mit weit über 140 geht es blind über eine Kuppe nach rechts. Die Ideallinie lässt sich nur erahnen. Das Auto wird leicht, untersteuert. Aber alles kein Problem. Außer Du verpasst vorher den Einlenkpunkt, baust zu viel Seitenführungskraft auf, die den C 63 S dann, als er auf der Kuppe leicht wird, komplett aus dem Tritt bringt. Der C geht quer, teilt dann einen für ihn so untypischen Gegenpendler aus, als der Wagen wieder satt liegt. Mit 140 Richtung Mauer? Es gibt schönere Szenarien und doch geht alles gut. Sicher, ein wenig Talent wird geholfen haben, aber insbesondere ist es diese so wunderbare Kontrollierbarkeit, der Verzicht auf jede Form von Zickigkeit, die den C 63 S so besonders auszeichnen. Und hätte man den Finger vom ESP-Taster gelassen, hätte das ESP die Situation sowieso schon locker im Keim erstickt. Denn die Regelgüte ist zum größten Teil ganz fein und präzise, auch wenn es sich durchaus schon einen Wolf regeln darf, wie Axel in seinem Text festgehalten hat.
Am AMG Speedshift MCT-7-Gang-Getriebe, das bisher besser Let-Me-Think-And-Then-Do-A-Speedshift-Getriebe benannt worden wäre, wurde glücklicherweise ebenfalls ordentlich Hand angelegt. Ja, es ist damit immer noch der rund 7 Jahre alte Wandlerkasten mit nasser Anfahrkupplung und Wandlerüberbrückung, aber die Reaktionszeiten sind nun endlich denen eines Sportwagens würdig, die Schaltvorgänge selbst werden sowieso (wie auch bisher schon) mit Bravour durchgeführt – egal ob nun hoch oder runter. Apropos Sportwagen: der Jens sieht den C 63 S nicht als Sportwagen, dafür sei er viel zu schwer. Sicher, jetzt könnte ich ihm als leichtbauverdorbener Lotusfahrer sofort beipflichten und Applaus klatschen. Ich sehe das aber ein wenig anders: denn die 1.655 bzw. 1.730 kg (inkl. Fahrer und 90% gefülltem Tank) sind nicht nur für eine Sportlimousine ein guter Wert – insbesondere bei dieser Leistungsfähigkeit. Sondern auch im Sportwagensegment kann sich dieser Wert sehen lassen: Lamborghini gibt auf seiner Website vor lauter Scham schon nur noch das Trockengewicht von 1.575 kg an, Audi mutet dem neuen R8 mindestens 1.550 kg zu. Nein, mit diesen potenten Anlagen wäre es Unrecht, dem C 63 S den Sportwagenstatus nur auf Grund seines Gewichts abzusprechen. Und wenn’s auf der Rennstrecke funktioniert, darf man es durchaus Sportwagen nennen.
Fazit
Wer hätte gedacht, dass die Trennung vom Edition 507 so schnell überwunden wird? Ja, der alte Sauger ist ein großartiges Triebwerk. Doch wenn unsere Zukunft solche Turbomotoren bereithält, wie diesen M177 getauften Biturbo-V8, dann wird uns eine rosige Zukunft beschert sein. Bleibt höchstens noch das Problem mit der Diversität, das unter anderem vom Mario gerne angeprangert wird. Doch, darum will ich mir nun erstmal keine Sorgen machen, denn noch gibt’s diesen neuen von Mercedes als „Weltmotor“ konstruierten Vierliter-Block nur in zwei Modellen. Und selbst wenn es mehr Modelle werden: solange ich munter weiter Reifen schreddern darf, Querdynamik in dieser Form erleben kann und weiterhin ganz ohne künstliche Hilfsmittel so infernalisch beschallt werde, ist für mich alles im Lot. Dem Mercedes-AMG C 63 S wurde die Sportlichkeit von Geburt an in die Wiege gelegt. Das drückt der neue Markenname „Mercedes-AMG“ auf dem Papier aus und das Fahrerlebnis zeigts in der Praxis. Danke, ihr habt mit eurem schwäbischen Muscle Car alles richtig gemacht. Ich gehe dann schon mal auf’s Coupé sparen.
Text: sb
Fotos: Mercedes
Technische Daten
Mercedes-AMG C 63 S
- Motor-Bauart:
- Achtzylinder mit Biturbo-Aufladung, Turbolader zwischen den Zylinderbänken angebracht
- Hubraum:
- 3.982 cm³
- Leistung:
- 375 kW / 510 PS bei 6.250 U/Min
- Drehmoment:
- 700 Nm bei 1.750 – 4.500 U/Min
- Höchstgeschwindigkeit:
- 250 km/h
- Beschleunigung (0-100 km/h)
- 4.0 Sekunden
- Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
- k.A. L / k.A. L / 8.4 L SuperPlus (ROZ 98)
- Grundpreis Mercedes-AMG C 63 S:
- 84.371 €
- Testfahrzeugpreis:
- 118.887 €
- Testverbrauch:
- 18.5 Liter / 100 km über 300 km
- Leergewicht:
- 1.730 kg
- Max. Zuladung:
- 450 kg
- Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
- 4.756 mm / 1.839 mm / 1.426 mm
Disclosure zur Transparenz
Ich wurde von Mercedes-AMG nach Faro eingeladen. Reisekosten, Verpflegung und Übernachtung wurden von Mercedes-AMG übernommen. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.
93 Kommentare
Genau.
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Ein reinrassiger Sportwagen ist er trotzdem nicht. Aber geil bleibt er!
Reinrassig. Was ist denn schon reinrassig? Gibt’s doch gar nicht mehr, außer höchstens in Italien oder England. Und wenn wir reinrassig streichen, ist er besser und mehr Sportler als so mancher vermeintlich echter Sportwagen.
Ich sag mal so, er ist 100 % mehr Sportwagen als z.B. ein Audi TT und der soll ja einer sein.
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R8 ist doch ein Sportwagen, Porsche 918 auch, i8 eher nicht, AMG GT sicher auch…
Der 911 GT3 ist für mich auch ein Sportwagen, der Cayman GT4 auch, vermutlich auch die Elise und eine McLaren würde ich auch in die Kategorie schupsen.
Einer der Besten Sportwagen in den letzten Jahren? Der GT86.
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Das ist mal ein Auto im Gegensatz zum 500X 😉
Irgendwie muss man ja auch Geld verdienen 😉
Recht haste 🙂
Nissan 370Z
*Prust*
Twizy?
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ja nee is klar 🙂 coole Karre!
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