Obacht! Ein Jaguar-Artikel. Das heißt: irgendwo muss der Begriff Cat-Content, Kätzchen, Raubkatze oder ähnliches Verwendung finden. Also wie wäre es mit folgendem Inserat:

Mittelgroßes Kätzchen aus feinem Hause, generell sehr pflegeleicht, spielt gern und ist gerne in Begleitung von Menschen, kann beim rumtoben aber auch schon mal ganz schön wild werden, sucht neuen Besitzer. Durchgeimpft auf die nächsten 3 Jahre.


Was haben wir denn da? Richtig, ein seltsames Inserat. Mit ein wenig Vorstellungskraft vor allem aber: den neuen Jaguar XE, der britische Angriff auf die Premium-Mittelklasse.

Jaguar XE S V6

Vor ihm sollen also BMW 335i, Mercedes-Benz C 450 AMG und Audi S4 erzittern und auf die Knie gehen. Jaguar XE S. Das bedeutet: nachgeschärfte Optik, ein bisschen Würze beim Fahrwerk, 3-Liter-V6 mit Kompressoraufladung und 340 PS. Damit fügt sich der XE S fein sortiert zwischen den BMW am unteren und den Mercedes am oberen Ende der Leistungsskala dieser Klasse. Der Audi mit 333 PS in Schlagweite, aber eben doch knapp darunter angesiedelt.

Mitspielen kann der XE S in dieser Liga mal mehr, mal weniger. Es kommt dabei ganz auf die Wertungskriterien an. Soviel schon vorab: das Premium-Niveau im Innenraum und in Puncto Ausstattungsmöglichkeiten kann der Brite nicht mitgehen. Die Verarbeitung ist nicht nachlässig, das Infotainment ein großer Schritt nach Vorn. Trotzdem ist die Materialwahl hier und da etwas unglücklich, die Haptik nicht ganz so erquicklich und das Infotainment lange nicht auf dem Niveau der deutschen Konkurrenz. Damit will ich aber auch schon die größten Kritikpunkte erschlagen sehen.

Denn ansonsten gönnt sich der Jaguar XE S keine großen Ausreißer oder Patzer – weiß sogar, im positiven Sinne, zu überraschen! Den fahrdynamisch darf man sich als XE S Besteller über ein wunderbar rundes Paket freuen. Der schon aus dem Jaguar F-Type bekannte 3-Liter-V6-Kompressormotor hängt sahnig wie eh und je am Gas. Er weitet zwar keinen fetten Drehmomentteppich aus, wird aber durch die Zwangsbeatmung untenherum angenehm angeschoben, um obenheraus mit kehligem Sechsendergeschrei in Richtung Begrenzer zu marschieren. In der Folge darf man sich über ein äußerst spontanes Ansprechverhalten und feinste Dosierbarkeit des Vortriebs, aber auch des Driftwinkels, freuen. Der Dank geht zusätzlich an das an der Hinterachse verbaute Sperrdifferenzial.

Im Gegensatz zum F-Type wurde der Antrieb dennoch entschärft, insbesondere akustisch. Ein Leisetreter ist der XE S damit aber freilich nicht. Die Insassen bekommen unter Vollast feinste V6-Musik auf die Ohren, deutlich untermalt vom Singen der Abgasanlage im Heck. Bei entspannter Fahrweise ist der Motor hingegen dezent und zurückhaltend, wodurch die etwas lauten Abrollgeräusche gut ins Ohr gehen. Nach außen ist das Geschrei schon deutlich größer, aber dennoch weit entfernt von F-Type-Superlaut. Und auch wenn ich weiß, dass es sich hier um eine Limousine handelt: das wunderbare, von einer Zündunterbrechung verstärkte Knallen beim Hochschalten, das man im F-Type so liebt, hätte man dem XE doch nicht abgewöhnen müssen. Zumindest hätte man es abhängig vom gewählten Modus des Fahrerlebnisschalter machen dürfen. Jaguar: ich zähle auf ein Softwareupdate eurerseits!

Darüberhinaus tut die gewohnte ZF-8-Gang-Automatik aber ihren, wie üblich, guten Dienst. Mimt den perfekten Begleiter für entspannte Reisen und den optimalen Spielgefährten für die wilde Kurvenhatz. Denn gerade die macht mit dem XE S besonders viel Spaß. Der direkte Umstieg aus dem komplett neu (und selbst-)entwickelten 2-Liter-Diesel (hier geht es zu einem Fahrbericht zum XE 2.0d von Matthias)zeigt zwar nach den ersten Kurven deutlich: gute 200 Kilogramm Mehrgewicht – überwiegend an der Vorderachse – lassen sich nicht vertuschen.

Trotzdem lenkt der XE auch mit einem Gewicht von 1.6, eher 1.7 Tonnen, wunderbar flink ein und belohnt den Piloten mit einem sehr feinen Eigenlenkverhalten, welches das Heck nicht zu stur auf den Asphalt tackert. So lässt sich der XE S sehr präzise und flott über die Landstraßen der Eifel dirigieren ohne jegliche zickige Attitüde. Er fährt und fühlt sich an, als hätte er deutlich weniger Hüftspeck und macht selbst die wirklich harte Gangart so munter mit, dass das Hoonigan-Herz höher schlägt. Grund dafür ist unter anderem die Fahrwerkskonstruktion. Vorne bestehend aus Doppelquerlenker, die eine sehr präzise Radführung ermöglichen. Hinten dank einer Aluminium-Integral-Achse, ähnlich, wie BMW auch eine verbaut.

Jaguar XE S V6

In der fahrdynamischen (und auch in der emotionalen) Wertungskategorie kann der neue Jaguar XE S also ganz klar punkten. Einmal müssen wir aber noch über einen Punktabzug sprechen: den gibt es für die Platzverhältnisse. Ja, man sitzt gut und komfortabel im XE. Im Fond kann es aber dann doch sehr schnell beengt zugehen und auch das Gepäckabteil ist nun sicher nicht das üppigste seiner Klasse.

Punkte sammeln kann er hingegen beim Preis: zwar ist der günstigste im Feld der 335i, der muss aber erst auf die sportliche Grundauslegung mit Fahrwerk & Co. hochkonfiguriert werden. Der S4 hingegen liegt knapp über dem XE, der C450 AMG schon ganz deutlich. Zudem gibt es von Jaguar für den XE ein stolzes Servicepaket: 3 Jahre Garantie inklusive aller Inspektionen – und das ohne Kilometerbegrenzung. Das sollte einerseits Privat- aber vor allem Firmenkunden auch glücklich machen. Fehlt zum Glück auf dem deutschen Markt nur noch der Kombi und ein Diesel mit mehr als 200 PS.

Jaguar XE S V6

Text: sb
Fotos: Jaguar

Technische Daten

Jaguar XE-S 3.0 340 PS

Motor-Bauart:
3,0-Liter-Ottomotor, Twin-Vortex-Kompressor, strahlgeführte Direkteinspritzung, DOHC
Hubraum:
2.995 cm³
Leistung:
250 kW / 340 PS bei 6.500 U/Min
Drehmoment:
450 Nm bei 4.500 U/Min
Höchstgeschwindigkeit:
250 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h)
5.1 Sekunden
Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
k.A. L / k.A. L / 8.1 L E10 (ROZ 95)

Grundpreis Jaguar XE-S 3.0 340 PS:
54.600
Leergewicht:
1.665 kg
Max. Zuladung:
555 kg
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
4.672 mm / 1.850 mm / 1.416 mm

Disclosure zur Transparenz

Ich wurde von Jaguar Land Rover Deutschland nach Nürburg eingeladen. Reisekosten, Verpflegung und Übernachtung wurden von Jaguar Land Rover Deutschland übernommen. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.

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Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

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