Manche Roadtrip-Tage halten so besondere Überraschungen für einen bereit. Sei es die Route, das Wetter oder die Leute, die man so trifft. Wenig überraschend war eigentlich das Wetter. Mal wieder war absehbar, dass wir eher mit Regen und Nebel, als Sonnenschein zu rechnen hätten. Überraschend war aber, dass es nicht so bleiben sollte. Aber auch die Tatsache, wie schnell sich so ein Ford Transit um eine Straße prügeln lässt…

Es dürfte der dritte Tag sein, an dem wir bei bewölktem Himmel aufstehen. Wenn sich eines festhalten lässt, dann ist es der Umstand, dass das Wetter – wie allgemein im Hochgebirge – hier in den Pyrenäen sehr wechselhaft sein kann. Und so ist die Fahrt auf unseren ersten Pass, den Col du Soulor auf 1.474 Metern, wieder mal eine Zufahrt zur Suppe. Pünktlich, kurz vor der Passhöhe, landen wir im Nebel. Die Straße bis hier oben aber auch nur wenig spektakulär, verlieren wir wenig Zeit und fahren gleich weiter.

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Der Übergang zum Col d’Aubisque ist zwar fließend, doch auch drastisch: die Straße wird enger, kurviger, tänzelt regelrecht durch den Nebel. Links neben uns eine schroffe Felswand mit interessanter Vegetation. Hier und da mal ein kleiner, in den Fels geschlagener Tunnel. Das, was wir hier im Nebel erkennen können, lässt eine wunderschöne Szenerie vermuten, als plötzlich der Mercedes unschöne, blechern-quietschende Geräusche von sich gibt. Kurzer Stopp, wir checken die Bremsen – nichts zu erkennen. Außer einem wilden, schrillen, fast ohrenbetäubendem Schleifgeräusch, sobald sich der Wagen bewegt. Offenbar hat sich ein Steinchen irgendwo zwischen Bremssattel und Bremsscheibe verirrt. Ich gebe kurz und schnell Gas, es quietscht, es klackert – und es herrscht Ruhe. Noch einmal Glück gehabt.

Wir fahren weiter, gemütlich und ruhig, denn viel Tempo lässt sich hier bei diesen Sichtbedingungen und der schmalen Straße ohnehin nicht machen. Oben an der Passhöhe auf 1.709 Metern treffen wir dann auf ein Auto, dass uns schon einige Male begegnet ist: ein blauer Caterham, dessen englisches Kennzeichen nahelegt, dass es sich um einen R400 handeln muss. Im Lokal auf der Passhöhe, nachdem wir den unterhaltsamen Besitzer davon überzeugen konnten, bitte bloß keine deutsche Musik wegen uns aufzulegen, treffen wir die Treiber des englischen Bolide, ein britisches Ehepaar.

Den Wagen hat er, so wie es bei den ganzen „Lotus Seven“-Derivaten üblich war, noch selbst als Kit gekauft und eigenhändig zusammengeschraubt. Zusammen sind die beiden damit kreuz und quer in Europa unterwegs. Mit dem nötigsten bewaffnet: Zelt, Schlafsäcke, 1-2 Wechselklamotten und einer Persenning für die Pausen im Regen – man muss die Engländer für diesen Pragmatismus bei konsequent auf Fahrspaß gebauten Autos einfach lieben.

Ein wenig in Gedanken rollen wir die Passhöhe vom Aubisque hinunter, gemütlich, als bei mir im Rückspiegel plötzlich ein Transporter auftaucht. Ein weißer Ford Transit, der sich recht elegant um die zahllosen Kurven schlängelt. Ich setze den Blinker rechts und lasse den Kollegen vorbei, die anderen machen es mir gleich. Doch Cem, der Fahrer unseres Nissan X-Trail-Kameraautos, verbeißt sich im Heck des Transit, nimmt die Verfolgung auf. Und als hätte der Transit-Reiter ein Rennstreckentraining nach dem anderen absolviert, fliegt er den Berg hinab: eine feine Linienwahl und die bremsschonende Herangehensweise nur kurz, dafür aber scharf vor den Kurven zu bremsen macht klar, dass der Kollege hier entweder sehr genau weiß, wie man ein Fahrzeug schnell bewegt, oder einfach nur viel Talent hat. Wahrscheinlich wohl beides. Als Guide für Sportwagentouren würde er jedenfalls eine gute Figur machen. Mit einem gegenseitig anerkennenden Hupen, trennen sich unsere Wege dann einige flott und fließend gefahrene Kilometer später am Fuße des Col d’Aubisque.

Ohne Umschweife geht es für uns weiter zum Col du Pourtalet, einem Grenzpass zwischen Spanien und Frankreich, der für die angenehme Überraschung des Tages sorgen sollte. Landschaftlich sollte uns hier ganz großes Kino erwarten: ob die unmittelbar unterhalb einer Staumauer liegende Serpentine, die wunderbare Gallerie neben dem Stausee oder die faszinierende Landschaft im oberen Drittel des Passes. Weitläufige, karge wiesen, von Hügeln und Felsen durchzogen.


Umzingelt von scharfen Gipfeln, alles getränkt in dieser wunderbaren farblichen Mischung aus satten, grünen Wiesen, etwas gelblich verdörrten Sträuchern und dem strahlend blauen Himmel. Lediglich wenige aus dem Tal heraufgeblasene Wolken trüben dieses Schauspiel hier oben, während fahrerisch vor allem die zahlreichen, flüssig zu fahrenden Wechselkurven Lust auf mehr machen. Hier war es übrigens auch, wo wir unsere Drohne fast verloren hätten. Dazu schaut aber am besten ins Video 😉

Oben, direkt an der Passhöhe, gibt es ein wunderbares Hotel, welches uns wärmstens empfohlen wurde. Eigentlich perfekt, hier oben, in dieser Ruhe die Nacht zu verbringen. Leider sind nur noch 2 Zimmer frei. Wir begeben uns also auf die spanische Seite, um dort für sehr faires Geld im 4-Sterne-Hotel die Aussicht auf die Berge zu genießen. Mit rund 100-200 Höhenmetern auch nur unwesentlich niedriger, als auf der Passhöhe. Noch beeindruckender, als die Aussicht, war allerdings das Abendessen: im kleinen, unscheinbaren Restaurant „Vidocq“ in Formigal sollte uns ein Menü der Extraklasse erwarten. Essen auf Sterneniveau, spanische Gastfreundschaft ohne überspitzter Freundlichkeit oder unnötig überhöflichen Floskeln.

Eine ehrliche, offene und warmherzige Atmosphäre zu großartigem Essen – und das alles zu einem unfassbaren Preis: 207 Euro, um 7 Personen mit einem 5-Gänge-Menü, und einen kleinen hungrigen Menschen mit leckerer Pasta zu versorgen – Wein inklusive. Den Besuch hier kann ich nur wärmstens empfehlen. Seltsam, dass uns ausgerechnet die spanische Seite so in ihren Bann zu ziehen scheint…

Text: sb
Fotos: sb

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Autor Sebastian

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

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