Ich muss meiner Meinung mal Luft machen, mich auskotzen, ausheulen, auch wenn es gar nicht – zumindest nicht direkt – um Autos geht: Heute morgen las ich auf dem Weg zum Bahnhof bei heise einen Artikel von der Gamescom, über das neue Need for Speed. Der ist schön platziert, gut vermarket hat man sich da. Aber ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich beim Lesen dieser Zeilen kotzen möchte!

„Wenn man vom Teufel spricht“ ist da wieder mal ein sehr passendes Sprichwort. Denn ausgerechnet an diesem Wochenende habe ich viel Zeit damit verbracht, „Need for Speed II SE“ lauffähig zu bekommen und habe noch mehr Zeit darin versenkt, mich mit Jaguar XJ220, Lotus Elise GT1 und anderen Autos auf Strecken wie „Outback“, „North Country“ oder „Pacific Spirit“ mit KI-Gegnern und Katrin im Splitscreen zu duellieren.

Meine wichtigsten "Need for Speed"-Titel
Meine wichtigsten „Need for Speed“-Titel

Mit Need for Speed fing bei mir alles an

Die Spielereihe „Need for Speed“ gibt es seit 1994 und hat für mich tatsächlich eine besondere Bedeutung. Klar, es ist ein Arcade-Racer. Doch in diesem Jahr, 1994, als ich gerade sieben Jahre alt war, hat diese Spielereihe für mich alles noch schlimmer gemacht: Was vorher schon an Begeisterung für Autos da war, ist mit „Need for Speed“ bei mir völlig eskaliert. „Need for Speed II SE“ trägt Schuld daran, dass ich heute eine Lotus Elise fahre, dass ein Ferrari F355 für mich bis heute eines der begehrenswertesten Autos überhaupt ist, dass ich Straßen in Skandinavien entdecken will und überhaupt, dass ich einfach so ein verbrannter Auto-Nerd bin. „Need for Speed Porsche“ hat mir, obwohl völlig fiktiv in der Streckenführung, die Pyrenäen nahegebracht – seit dem wollte ich immer irgendwann mal mit dem Auto in die Pyrenäen – was ich mit #thepluses3 inzwischen auch getan habe. Es ist diese Stimmung, die Atmosphäre, die manche Strecken in der Reihe so verbreitet haben, die dafür gesorgt haben, dass sich diese so nachhaltig eingebrannt haben und eng mit Emotionen verknüpft sind.

Der heilige Gral des Rennspielmarketings: Pseudo-Story, Gangster-Mist, Respekt, Crew & Co

„Need for Speed Underground 2“ war noch ganz cool, obwohl ich eigentlich immer recht wenig von Show-and-Shine-Tuning gehalten habe. Tuning muss ein Auto besser, schneller, fahrdynamischer machen. Doch genau dieser letzte, erträgliche Teil, war auch gleichzeitig der Anfang vom Abstieg der gesamten Serie. Denn man versuchte ebendieses Konzept immer weiter auszulutschen. Mehr Pseudo-Story, mehr Gangster-Mist, mehr „Respekt“. Mehr von dem Kram, den ab einer gewissen Zeit alle Publisher als den heiligen Gral der Rennspielvermarktung verstanden haben. Etwa zu dieser Zeit, als auch eine fast unendlich lange Durststrecke für Hardcore-Sim-Racer einsetzte, die erst mit Assetto Corsa und Project CARS endlich wieder ein Ende fand.

Seit Ewigkeiten habe ich kein neues „Need for Speed“ mehr gespielt. „Nitro“, „The Run“, „Rivals“ und wie sie alle heißen. Dazu klägliche Versuche mit dem Recycling alter Namen wie „Hot Pursuit“ alte Hasen wie mich aus den Löchern zu locken.

Neustart oder Marketing-Bullshit-Bingo?

Es ist also schon irgendwie ironisch, dass ich genau nach diesem Wochenende, als ich mit „Need for Speed II SE“ in alten Erinnerungen schwelge, bei heise diesen Artikel lese, wie man sich für „Need for Speed“ nun wieder auf seine Wurzeln besinnen wolle – denn genau dort war ich am Wochenende: bei den Wurzeln von NFS. Man habe also Spieler befragt, ihnen zugehört. Und herausgekommen seien die 5 Säulen, die „Need for Speed“ ausmachen. Gut, jetzt bin ich aber wirklich gespannt! Straßenrennen, Verfolgungsjagden, traumhafte Sportwagen, liebevolle Aufmachung und Präsentation und Fernweh-auslösende Strecken vielleicht? Das wären zumindest meine 5 Kandidaten. Nun ja, nicht ganz. Zum Glück klärt Marcus Nilsson, der sich für den „Neustart“ der Reihe verantwortlich zeigt, auf:

„Outlaw“ – die anarchische Seite des Spiels. „Style“ – Fahrzeugbeherrschung als Ausdrucksform. „Schrauber“ – das Basteln am eigenen Traumwagen. „Speed“ – das intensive Erlebnis der höchsten Geschwindigkeit. Und, nicht zu vergessen: „Crew“ – die treuen Freunde und Komplizen.

Verdammt noch mal, EA! Habt ihr den Arsch offen?!. „Crew“ und „Style“, „Fahrzeugbeherrschung als Ausdrucksform“. Danke, mit nur einem Textabsatz den Bullshit-Bingo-Bogen vollgemacht.

DAS nennt ihr „Reboot“? Zurück zu den Wurzeln? Nein, das ist eine versuchte Rechtfertigung des Mülls, den man seit Jahren auf Teufel komm raus der Reihe anerziehen will. Alter Wein in neuen Schläuchen. Der gleiche Mist so verkauft, als wäre es das, worauf die Spieler seit eh und je stehen würden. Dabei ist es ironischerweise genau dieser Mist, der „Need for Speed“ zu diesem lieblos recycelten Murks gemacht hat, der es inzwischen ist. Solange man es ja aber als „Reboot“ vermarkten kann, scheint ja alles ok.

EA, steckt euch euren „Need for Speed“-Neustart sonstwo hin!

Sicher, vielleicht bin ich ja auch die Ausnahme. Vielleicht sind Spieler, welche die Anfangszeit der Serie gebildet und sie damit überhaupt erst groß gemacht haben, nicht mehr relevant. Vielleicht ist es ja wirklich das, was die Spieler spielen wollen, die jedes Jahr hoffnungsvoll den neuesten NFS-Teil blind aus dem Regal kaufen und dann wieder einmal auf Amazon eine enttäuschte Rezensionen verfassen müssen. Doch ich frage mich, ob sich kein Spiel mehr machen lässt, bei dem es einfach um den Fahrspaß geht? Das den Spieler mit seiner Atmosphäre packt und ihn nicht zwingt in Pseudo-Jugend-Slang mit meinem „Ride“ der „Crew“ in meiner „Hood“ einen Besuch abzustatten?

Dabei waren die alten „Need for Speed“-Teile recht simpel gestrickt. Denn die Liebe zum Detail hat sie so groß gemacht: die schön liebevoll in Szene gesetzten Präsentationsvideos der einzelnen Autos, die phantasievolle Umsetzung der Strecken. Die Rennen gegen Freunde, wilde Verfolgungsjagden mit der Polizei.

Ihr wollt einen Neustart? Macht ein „Need for Speed: Classic“!

Nahezu jede Person, mit der ich bisher über Need for Speed gesprochen habe, hat mir die gleiche Antwort gegeben, was denn ihr Lieblingsteil der Serie war: „Need for Speed Porsche“. EA, wenn ihr es schon nicht auf die Reihe bekommt, ein neues Need for Speed zu entwickeln, ohne dieses leere Marketinggedöns zu verknoten: wie wäre es mal mit einem Porsche-Remake? Macht doch wenigstens noch ein mal ein Need for Speed für die Fans, die eure Marke überhaupt erst groß gemacht und die ersten Spiele gekauft haben. Ein Need for Speed II oder Porsche in neuem Gewand. Damit wir „alten Hasen“ wenigstens noch ein mal einen „Need for Speed“-Titel kaufen können und für uns einen friedlichen Abschluss mit der Serie finden. Danach dürft ihr wieder so viele Spiele wie ihr wollt produzieren, bei denen ihr „den Spielern zugehört habt“ – aber hört bitte nur noch ein mal den alten Hasen zu. Oder noch einfacher: macht doch einfach noch mal ein Need for Speed für die Spieler. Nicht für das Marketing. Danke.

Text: sb
Foto: sb


Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

86 Kommentare

  1. PORSCHE!
    Ganz eindeutig, bei underground hab ich mich schon gefragt ob ich noch alle an der Waffel hab ein Spiel zum vollpreis zu kaufen ohne auch nur eine Zeile vorher darüber zu lesen etc…….ich wurde bestätigt, nach 3-4 Stunden stands im Schrank und wurde dann erst wieder angefasst als der Schrank auf den Spermüll wanderte ….
    Ich bin froh den Artikel zu lesen denn ich dachte schon ich bin allein und die Homies finden den neuen gangstastyle tight und smooth ……. LEUTE IHR SEID MEINE HOMIES 😀
    Ne mal ohne witz das ist einfach nur noch schlecht was da abgeliefert wird.

    Ich finds toll das das noch mehr so sehen

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