Na, wie war euer anfänglicher Eindruck, als ihr die ersten Pressebilder vom neuen Audi A4 gesehen habt? Bestimmt „der sieht ja aus, wie der Alte“ oder „ist das ein Facelift oder soll das ein Witz sein?“. Ganz ehrlich, mit diesem Empfinden wart ihr nicht allein. Doch die Erfahrung lehrt: urteile nie über das Design eines Autos, bevor Du es nicht in natura gesehen hast. Aus diesem Grund war passion:driving in Venedig, um sich den neuen A4, Baureihe B9, genauer anzuschauen und natürlich wollten wir die Mittelklasselimousine auch fahren. Was 30 Kilometer nördlich der Lagunenstadt in den Bergen rund um Treviso auch vorzüglich klappte und in einer durchaus überraschenden Erkenntnis endete. Hier der Bericht.
Natürlich wären wir nicht passion:driving, wenn wir uns nicht gleich auf die beiden leistungsstärksten Varianten gestürzt hätten. Aber Achtung, ein wenig müssen wir euch und uns bremsen, denn wir reden nicht vom S4 (der bekanntlich auf der IAA präsentiert wurde) oder dem RS4 (der noch ein wenig braucht, bis er das Licht der Welt erblicken darf, aber er kommt, das wurde uns versichert). Also schnappen wir uns den aktuell dicksten Diesel und den aufgeladensten Benziner. Somit treten an: 272 gegen 252 Pferdestärken. Und um eine bessere Vergleichbarkeit zu gewährleisten, wählten wir auch den Benziner in der optionalen quattro Variante, da der Selbstzünder den Allradantrieb serienmäßig an Bord hat. Doch was ist das? Kleiner Leistungsunterschied, großer Unterschied an der Kasse. Für 20 PS mehr Diesel Power berechnet Audi einen satten Aufschlag von 5.150 Euro. Somit steht es im Kampf der Kraftstoffe 50.100 Euro für den A4 3.0 TDI quattro zu 44.450 Euro für den A4 2.0 TFSI quattro. Lohnt sich dieser Mehrpreis?
Doch bevor wir diese Frage beantworten, treten wir im gleissenden Licht Italiens noch einmal einen Schritt von den zwei sauber blitzenden A4 Limousinen (Tangorot der Diesel, Arablau der Benziner) zurück, um die beiden Viertürer in Ruhe auf uns wirken zu lassen. Hier die feine Lichtkante unterhalb der Schulterlinie, welche so wunderbar mit der horizontalen Fuge der Motorhaube verschmilzt, da die messerscharf gezeichneten Scheinwerfer, die serienmäßig schon mit Xenon-Gas leuchten, doch in ihrer Gestaltung erst so richtig gut zur Geltung kommen, wenn man die Matrix LED Scheinwerfer für 1.900 Euro dazu ordert. Und dann das Greenhouse: weit nach hinten gerückt sorgt es für sehr gefälligen Proportionen auf 4,73 m Länge, 1,84 m Breite und 1,43 m Höhe. Mit diesen Maßen ist der A4 etwas länger, etwas breiter, aber nicht höher geworden, als sein Vorgänger.
Wenn man sich also die Zeit gönnt und sich mit dem Design des jüngsten Ingolstädters etwas genauer auseinandersetzt, kommt man unweigerlich zu dem Ergebnis, dass es sich um eine äußerst gelungene Evolution der bekannten A4 Formensprache handelt. Nichts zu meckern also? Doch, denn die elegant integrierte hintere Abrisskante, die durchaus als eine Reminiszenz an das Heck des B5 aus den 90ern interpretiert werden kann, stützt sich leider auf Rückleuchten, welche die sonst vorgetragene Finesse etwas vermissen lassen. Diese schräg gestellten und eingezogenen Rückfahrscheinwerfer wirken seltsam verkniffen.
Jammern auf hohem Niveau also und einem Mann wird diese Kritik sicherlich kaum stören: Audi AG Entwicklungsvorstand Prof. Dr. Ulrich Hackenberg, denn der ist wegen des #dieselgate aktuell beurlaubt und hat ganz andere Probleme. Dabei ist Hackenberg der Wegbereiter aller modularen Baukästen im VW Konzern und somit auch Vater des neuen A4, der auf der MLB evo Plattform basiert, die erst kürzlich mit dem neuen Q7 eingeführt wurde. Die Evolution steckt dabei in der Mischbautechnik des „Modularen Längsbaukastens“, die einen Materialmix aus Stahl und Aluminium ermöglicht. Das Resultat: mit dem Generationssprung konnte der A4 um bis zu 120 Kilogramm gegenüber seinem Vorgängermodell abspecken. So was berichtet passion:driving natürlich besonders gerne, denn weniger Gewicht bedeutet in der Regel mehr Fahrdynamik.
Also endlich rein in die Limousine und den etwas versteckten Startknopf drücken. Na, schon wieder am meckern? Nein, denn das Cockpit im A4 ist feinst. Hier fließen Kunst und Handwerk zusammen und präsentieren den Insassen ein herrlich reduziertes Industriedesign in Kombination mit einer Materialwahl, dass man dauernd über die einzelnen Flächen streicheln möchte. Auch der Ansatz mit dem freistehenden 7-Zoll Display (die monochrome 5-Zoll Variante übersehen wir ganz einfach) fügt sich dabei wunderbar in das Gesamtkonzept ein. Geklaut von Mercedes? Und wenn schon: die Audi-typischen ein- und ausfahrbaren Displays sind eigentlich überholt, denn wer klappt die kleinen Monitore heute wirklich noch weg? Doch das eigentliche Highlight ist das nur 500 Euro teure Audi virtual cockpit. Ein volldigitales 12,3-Zoll-Kombiinstrument strahlt einen hinter dem Dreispeichen Lenkrad an und macht das ebenfalls optionale Head-up Display (980 Euro) eigentlich überflüssig, denn hier findet der Fahrer wirklich alle Information, die er während der Fahrt braucht. Geschwindigkeit, Drehzahl, Verbrauch, Fahrzeit, Routenführung, Kartendarstellungen (ein Traum: die Google Earth und Google Street View Darstellung bei der 1.480 Euro Navigationsvariante), Audi connect-Dienste, Radio- und Media-Informationen. Alles fingerleicht über das Multifunktionslenkrad zu bedienen. Das Highlight: wenn sich beim Wechsel zwischen den zwei unterschiedlich großen Darstellungen der Rundinstrumente Tacho und Drehzahlmesser in die unteren Ecken zoomen.
Ja, aber wie fährt der A4 denn jetzt? Also los und beim mühsamen Kampf durch die von Verkehr und Baustellen gequälten italienische Städtchen überrascht der Ingolstädter das erste Mal so richtig. Trotz des verbauten S line Sportpakets inklusive Sportfahrwerk und zuzüglich mächtiger 19-Zoll Räder mit 245/35er Reifen rollt die Limousine angenehm über Schlaglöcher und Querfugen. Das Zauberwort heißt: dynamische Dämpferregelung und die Ingolstädter Erkenntnis, dass hart nicht automatisch sportlich ist. Bestätigt wird diese Erkenntnis, nachdem wir den Küstenstreifen hinter uns gelassen haben und die ersten Gipfel erklimmen. Die Verkehrsdichte sinkt, das Tempo steigt und verblüfft reiben wir uns nach den ersten engen Kehren die Augen: wo ist das leidige Geräusch des Untersteuerns? Es fehlt und auch schnelle Wechselkurven nimmt der A4 unerwartet präzise und behände. Das fühlt sich nach Paradigmenwechsel an. Unter der optischen Evolution steckt anscheinend eine fahrdynamische Revolution, zu der auch ganz besonders ein Motor sehr gut passt: der Diesel.
Spritköpfe müssen jetzt tapfer sein, denn obwohl der Benziner in allen Lebenslagen genügend Kraft hat, 150kg leichter ist (1.585 kg vs. 1.735 kg), in weniger als sechs Sekunden auf 100 km/h sprintet und eine S-Tronic besitzt, die 370 Newtonmeter blitzschnell über ihre sieben Gänge und zwei Kupplungen an alle vier Räder leitet, der Selbstzünder kann das alles besser. Er verwöhnt die Insassen mit dem beruhigenden Sound des Sechszylinders und glänzt mit einer sämigen Kraftentfaltung, die gekonnt unterstützt wird von dem Achtgang-Wandlergetriebe, das die Spreizung zwischen genüsslichem dahingleiten und unterhaltsamen Gangwechseln aus dem Effeff beherrscht. Sicherlich, mit 600 Newtonmeter ab 1.500 U/min lässt es sich gut stinken, doch wer die 5,3 Sekunden aus dem Stand bis zum Erreichen des maximal erlaubten Landstraßentempos häufiger erleben möchte, muss sich nicht gleich Ressourcenverschwender schämen. Audi hat dem V6 Ölmotor Enthaltsamkeit anerzogen. Der NEFZ-Verbrauch liegt bei 4,9 Liter und 129 Gramm CO2 pro Kilometer. Natürlich sind diese Werte im Alltag nur mühsam zu erreichen und bei der passion:driving typischen Suche nach Fahrdynamik eigentlich überhaupt nicht, doch was bei diesem Vergleich entscheidender ist: der A4 3.0 TDI quattro macht einfach mehr Spaß, als der Bruder mit dem nöligen Vierzylinder und ist damit jeden Euro Mehrpreis wert.
Wir wünschen uns eigentlich nur noch eine etwas spürbarere Spreizung der drive select Fahrmodi, so dass speziell der dynamic Modus für die Lenkung etwas mehr Präzision und das Fahrwerk einen Ticken mehr Straffheit liefern könnte. Und natürlich endlich die ganz dicken Motoren in Kombination mit dem Buchstaben S.
Audi hat sich mit der neunten Generation des A4 also wieder auf Augenhöhe mit BMW 3er und Mercedes-Benz C-Klasse katapultiert und in manchen Disziplinen vielleicht auch darüber hinaus. Dazu gehört unter anderem auch der „prädiktive Effizienzassistent“. Was sich so sperrig liest ist die Verknüpfung von Navigationsdaten, Verkehrszeichenerkennung, adaptiver Geschwindigkeitsregelanlage und mitlenkendem Spurhalteassistenten zur Verringerung des Kraftstoffverbrauchs im Alltag, fern ab von irgendwelchen Normzyklen. Ausgangspunkt ist der Einsatz des Tempomaten, der vom Navi die GPS-Daten des Straßenverlaufs erhält. Erfordert im weiteren Straßenverlauf eine Kurve eine geringere Geschwindigkeit, um sie sicher zu durchfahren, vernichtet das System nicht durch einen Bremseingriff unnötig Energie, sondern aktiviert die Segelfunktion, bevor der Fahrer die Kurve überhaupt erkennt. Am Kurvenausgang beschleunigt das System den Audi wieder sanft auf das vorgegebene Tempo, außer die bordeigene Kamera erkennt ein Verkehrsschild mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung. Abermals reagiert das Fahrzeug autonom auf diese Gesetzesvorgabe. Das System passt sich also selbst denjenigen Verkehrsgegebenheiten an, die für den Fahrer teilweise noch gar nicht erkennbar sind.
In der Praxis funktioniert das alles sehr zuverlässig, doch Anzahl und Art der unerwarteten Eingriffe ist gewöhnungsbedürftig. Und das nicht nur für uns, sondern auch für die italienischen Verkehrsteilnehmer, denn wer bremst schon auf einer leeren Autobahn, nur weil in einiger Entfernung ein 80 km/h Schild steht? Natürlich die obrigkeitshörigen tedesci! Wild gestikulierend werden wir überholt, während der prädiktive Effizienzassistent stoisch seinem Dienst nachgeht. Es muss sich also erst noch herumsprechen, wie gut der neue Audi A4 ist und dass man auch bremsend in ihm einen Vorsprung haben kann: Den der Technik.
Text: ag
Fotos: ag
Technische Daten
Audi A4 B9 3.0 TDI quattro tiptronic
- Motor-Bauart:
- V6-Zylinder-Dieselmotor mit Abgasturboaufladung
- Hubraum:
- 2.967 cm³
- Leistung:
- 200 kW / 272 PS bei 3.250 U/Min
- Drehmoment:
- 600 Nm bei 1.500 – 3.000 U/Min
- Höchstgeschwindigkeit:
- 250 km/h
- Beschleunigung (0-100 km/h)
- 5.3 Sekunden
- Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
- 5.6 L / 4.9 L / 5.2 L Diesel
- Grundpreis Audi A4 B9 3.0 TDI quattro tiptronic:
- 50.100 €
- Leergewicht:
- 1.735 kg
- Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
- 4.726 mm / 1.842 mm / 1.427 mm
Disclosure zur Transparenz
Ich wurde von Audi nach Venedig, Italien eingeladen. Reisekosten, Verpflegung und Übernachtung wurden von Audi übernommen. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.
26 Kommentare
Ein guter Langweiler, der als schwarzer 2.0 TDI Avant bald als Leasingwagen die deutschen Autobahnen bedrängen wird.
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Wie immer: sehr gerne 😉
Nervt es nicht, wenn das Auto gefühlt mehrere Kilometer vorher langsamer wird, weil da vorne eine Baustelle ist?
So krass ist es nicht, kommt auch auf die Einstellung des Tempomat an, den kann man ja mit drive select auch konfigurieren. Wenn du auf dynamic gehst, segelt er nicht und reduziert „normal“ das Tempo.
Ok. Ok. Klingt gut. Die Hälfte meiner Punkte hätte damals mit so einem Feature verhindert werden können ???. Okay andere Frage: Fährt er exakt 80 in einer 80er Zone, oder darf man ihn irgendwie einstellen, dass er gerne immer 10 drüber sein darf 🙂
David: exakt 80. Zumindest habe ich keinen Weg gefunden, dass das System bei der Schildererkennung 10km/h addiert.
Och nö… Wie soll man da noch die Navizeitangabe unterbieten???
Ja, das gibt es leider noch nicht, ist aber auch schon in Arbeit, darüber hatte ich mich bereits mal unterhalten.
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Richtig gelungen, und man sieht definitiv Unterschiede zum Vorgänger.
der 3.0l Diesel ist vorne ja deutlicher schwerer (gut 150 kg) als der Benziner. Merkt man das nicht im direkten Vergleich? Ich mag nicht so gerne diese Ungleichverteilung, ausgewogen ist mir doch lieber. Ich fahre meist BMW, hatte aber auch mal einen A6 4G Quattro mit 3.0 TDI – das war mir zu unausgegoren.