Ja, unbestritten: ich habe ein Faible für kompakte Sportler, für Hot Hatches. Wenn sie denn gut gemacht sind. Der Renault Clio RS zum Beispiel. Der war mal richtig gut gemacht. Jetzt ist er nur noch … nun ja … gemacht. Ford hat in diesem Segment allerdings auch ein feines Gerät im Angebot: den Fiesta ST.

In der Königsklasse der Hot Hatches darf man sich inzwischen über reichlich Auswahl freuen. Einer besser als der andere, manche ab Werk als perfekte Tracktools konzipiert, manche als ausgewogener Alltagssportler: der VW Golf R, der Seat Leon Cupra R, Renault Megané RS (am besten als Trophy-R), der neue Honda Civic Type R und natürlich der uns bevorstehende, neue Ford Focus RS, um nur einige zu nennen.

In der Nachwuchsklasse, eine Stufe darunter, sieht es dagegen ziemlich mau aus. Den Clio IV RS hat man bei Renault elegant versaut, weil man wohl meinte ein Auto auf Marktforschungsergebnisse hin zu entwickeln, dann aber in jeder entscheidenden Kategorie den Rotstift angesetzt hat, sodass die einzig noch verbliebene Hoffnung für uns Petrolheads der Clio RS Trophy ist. Und im VW Konzern kocht man halt aus bewährten Zutaten einen Polo GTI, der nicht so sehr auf der sportlichen Seite des Lebens läuft. Den Fabia gibt es derzeit noch nicht als RS und der Audi S1 ist zwar fein, läuft aber ein wenig außer Konkurrenz.

Tja und sonst? Die wohl feinste Wahl kommt aus Japan: der Suzuki Swift Sport, dessen Sauger-Privileg wir uns halt mit einer, im Verhältnis der aktuellen Maßstäbe, mageren Leistungsausbeute erkaufen müssen. Was wäre, wenn wir ein so unterhaltsames, agiles und spaßiges Auto hätten, wie den Swift – aber mit dem Bumms moderner Zeiten? Et voilà: Auftritt für den Ford Fiesta ST!

Dessen Zutaten sind an und für sich simpel gestrickt: 1.6-Liter-Turbomotor, was im Gegensatz zum Nissan Juke hier keine schlechte Nachricht ist, 182 PS und ein schlankes Gewicht von nur 1.163 Kilogramm – einschließlich des 75 kilo-schweren Normfahrers wohlgemerkt! Im Innenraum gibt es dazu ein paar Sportsitze von Recaro. Nein, ausnahmsweise nicht die üblichen Sportster CS, wie wir sie auch aus dem (guten) Clio RS kennen, sondern eigens für Ford entwickelte Sitze. Die sind doch noch deutlich komfortabler, als eine echte Sitzschale, bieten aber trotzdem einen überaus hohen Seitenhalt.

Ok, im Innenraum war’s das auch schon fast mit den guten Nachrichten. Das “Infotainment” würde selbst Mäusen in einem Mäusekino ein Fernglas abverlangen und die darunter liegende Flut an Tasten und Knöpfen erinnert mehr an ein Minenfeld, denn eine Infotainment-Steuerung. Sicher, echte Knöpfe sind irgendwie ganz gut. Wer das Auto ein paar Wochen bewegt, kennt die Position der meisten – oder zumindest wichtigsten – Knöpfe auswendig und kommt damit schnell zum Ziel. Aber alleine aus optischen Gründen geht mir diese Schalterwut ein wenig zu weit. Zumal das gesamte Armaturenbrett ohnehin sehr wuchtig daherkommt – auch auf Grund seiner hohen Position. Umso schöner sind dafür die Rundinstrumente mit ihrer sportlichen Typographie und dem ansonsten sehr klaren Design.

Genug der Äußerlichkeiten. Motor starten und: Überraschung! Herzerwärmend dieses sanfte Grummeln, mit dem der EcoBoost-Vierzylinder zum Leben erweckt. Sicher, eine Membrane gibt sich größte Mühe, unsere akustischen Sinne zu vernebeln, leitet das Ansauggeräusch kräftig aufgeputscht in den Innenraum weiter. Aber das geht schon in Ordnung. Denn erstens passt die Akustik gut zum Charakter des Fiesta ST. Zweitens ist eine schlichte Ansauggeräuschverstärkung immer noch in Ordnung, solange sie nicht alles andere in einem Soundbrei erstickt. Und das ist hier nicht der Fall: der Motor ist immer noch präsent, das Abblasen über das Wastegate ist klar im Innenraum zu vernehmen und überhaupt ist dieses Ansauggeräusch nicht nur laut und brummig, sondern kann mit eine schönen Varianz und einem äußerst schönen, kernigen Unterton aufwarten. So oder so klingt es besser, als diese fürchterliche Ohrenvergewaltigung, die BMW seinen Fahrern aus synthetisch erzeugt über die Lautsprecher in den Innenraum zwingt.

Viel wichtiger ist aber, wie der Fiesta ST eigentlich fährt. Und hier gibt es außerordentlich erfreuliche Nachrichten zu vermelden. Denn der Fiesta ST ist eines dieser Autos in die man einfach einsteigt und loshoont, als gäbe es kein Morgen. Alles ist einfach intuitiv, passiert völlig von selbst. Auf das Auto hören, seine Signale verarbeiten, entsprechende Befehle geben – ganz so, als wäre das Auto eine Verlängerung der eigenen Nervenbahnen. Ohne das Auto je zuvor gefahren zu sein, schmeißt man den Fiesta ST in die ersten Kurven und es passt alles. Einfach so. Das Vertrauen ist sofort da. Er geht genau dorthin, wo man ihn haben will, das Heck geht mit, der Motor hat zu jedem Gasbefehl die passende Antwort.

Garniert wird dieser Fahrspaß von einer präzise zu dosierenden Kupplung und einem feinfühligen, knackigen Getriebe. Letzteres ist zwar nicht der Weisheit letzter Schuss, da gibt es in diesem Segment bessere, aber: es funktioniert. Gleiches ist über die Lenkung zu berichten. Sie arbeitet schön direkt, präzise und nervt mit erstaunlich wenig Antriebseinflüssen. Und doch lässt sie ein wenig Feedback vermissen, liefert gerade noch ausreichend Rückmeldung. Aber: auch sie funktioniert.

So gibt es in diesem wunderbaren Geflecht Fahrer-Auto-Straße eigentlich kein einzig schwaches Glied. Das erlaubt, dass man sich als Fahrer immer mehr dazu genötigt fühlt, es mit dem Fiesta auf die Spitze zu treiben. Die nächste Kurve noch später anzubremsen, das willig mitlenkende Heck zu positionieren, früh auf’s Gas zu trampeln. Die Traktion ist dabei erstaunlich gut – aber es sind halt auch “nur” 182 PS, mit denen die Vorderachse klarkommen muss. Die fühlen sich aber nach mehr an und lassen keinerlei Zweifel aufkommen. Der Motor tritt bereits früh saftig an und erlaubt sich weder im mittleren, noch im oberen Drehzahlbereich einen spürbaren Durchhänger. Maximales Drehmoment? 1.600 bis 5.000 Umdrehungen. Für einen solch kleinen Motor ist das schon ein recht erstaunlicher Spagat.

Eingebremst wird der Spaß auch nicht durch irgendwelche Regeleingriffe. Aus heißt wirklich “aus”. Naja, fast. Denn zumindest die elektronisch simulierte Differenzialsperre lässt sich nicht deaktivieren. Sie ist permanent aktiv, egal ob das ESP im toleranten oder im inaktiven Modus ist. Das ist aber auch ganz gut so, denn gerade hierdurch wird das flinke und mit kaum spürbaren Untersteuern garnierte Einlenkverhalten erst möglich. Er ist vielleicht nicht der schnellste, aber ganz sicher einer der unterhaltsamsten, wenn es ans Eingemachte geht.

Fazit

Bei all diesen positiven Meldungen fragt man sich eigentlich nur noch, warum es so selten geworden ist, so viel Spaß zu erhalten. So viel Spaß, bei so wenig Auto. Vielleicht liegt aber auch gerade hier der entscheidende Punkt. Vierhundert, fünfhundert, sechshundert PS. Ja, alles ganz fein. Doch was nützt es, wenn auf der Landstraße das Vertrauen und damit der Spaß fehlen, weil vor jeder Kurve 2 Tonnen massivst unter Masseträgheit leiden? Der Ford Fiesta ST ist da ganz back to the basics. Fahrspaß, so wie er früher einmal war. Großes Kino ausgelöst von einem kleinen Auto. Und damit reiht er sich in meiner persönlichen Lieblingsautoliste ein neben Autos wie dem Toyota GT86 und dem Suzuki Swift Sport. Applaus nach Köln und geht bitte nicht den Renault-Weg und macht aus dem Fiesta ST ein langweiliges Lifestyleobjekt!

Der Ford Fiesta ST bei anderen Bloggern

Text: sb
Fotos: sb

Wertung

8.7/10
  • Fahrdynamik: 7
  • Fahrspaß: 9
  • Sound: 6
  • Verarbeitung: 7
  • Komfort: 6
  • Ausstattung: 4
  • Verbrauch: 5
  • Preis/Leistung: 7
  • Persönliche Anziehungskraft: 7
Mein passion:driving Wertungsschlüssel spiegelt meine subjektive Einschätzung des Testwagens in verschiedenen Kategorien wieder. Die fahrdynamischen Qualitäten spielen dabei eine große Rolle. Trotzdem wird ein Auto nur durch Performance keine 10er-Wertung erhalten können. Hier gibt es mehr Informationen zum Wertungssystem.

Technische Daten

Ford Fiesta ST

Motor-Bauart:
EcoBoost Reihen-Vierzylinder mit Turboaufladung und Direkteinspritzung
Hubraum:
1.596 cm³
Leistung:
134 kW / 182 PS bei 5.700 U/Min
Drehmoment:
240 Nm bei 1.600 – 5.000 U/Min
Höchstgeschwindigkeit:
220 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h)
6.9 Sekunden
Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
7.9 L / 4.8 L / 5.9 L E10 (ROZ 95)

Grundpreis Ford Fiesta ST:
20.440
Testfahrzeugpreis:
23.105
Testverbrauch:
9.6 Liter / 100 km über 2.125 km
Leergewicht:
1.163 kg
Max. Zuladung:
412 kg
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
3.975 mm / 1.978 mm / 1.456 mm

Disclosure zur Transparenz

Das Fahrzeug wurde mir freundlicherweise von Ford für den Test zur Verfügung gestellt. Der Test erfolgte unabhängig. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.

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Autor Sebastian

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

29 Kommentare

  1. hbaak

    Schöner Bericht über den FoFi, hatte mir 2014 einen ST zum Nordschleife „Richtig kennenlernen“ gekauft und der Kleine macht mächtig Spaß, hunderte Runden Nordschleife hat der Fiesta mittlerweile abgespult und läuft noch wie am ersten Tag!

    • passiondrivingblog

      Autos in der Leistungsklasse sind einfach perfekt, damit man wirklich Spaß hat und an seiner Linie arbeiten kann! Wieviele Runden hat der Kleine denn schon runter? Bei mir steht nächstes Jahr mit dem Umzug in die Eifel ein passendes Fahrzeug an, da bin ich momentan noch hin- und hergerissen (siehe aktuellster Post auf dem Blog).

  2. Echt schwierig, sich für ein Auto zu entscheiden. Mein Suzuki Swift Sport wird langsam langweilig und es soll etwas flotteres her. Ich bin daher gerade hin- und hergerissen zwischen GT86, Megane 3 RS und Fiesta ST200.

    Wofür würdest du dich denn entscheiden, Sebastian?
    Nutzungsprofil ist hauptsächlich Landstraße und ab und an längere Autobahnstrecken (insgesamt ca. 15-20tkm im Jahr) und ca. 20-30 Runden Nordschleife im Jahr.

    Budget sind ca. 20000€ und das Auto sollte maximal 5 Jahre alt sein, falls du noch einen anderen Vorschlag in die Richtung hast.

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