Wir brauchen nicht diskutieren. Der neue Lexus GS-F ist ein feines Automobil. Davon konnte ich mich für passion:driving Freund Bjoern Habegger und mein-auto-blog.de in Jerez überzeugen. Und irgendwie lässt mich die asiatische Power-Limousine auch nicht los. Ich bewundere die japanischen Ingenieure und Produktstrategen für ihren Mut in dieses gut gefüllte Haifischbecken zu springen. Mehr noch, ich zolle Lexus höchsten Respekt, mit freisaugenden 477 PS gegen eine Bande von aufgeladenen V8 anzutreten, deren wild tobender Leistungskrieg um die 600+ PS Krone immer weiter eskaliert. Doch genau diese PS-Schlacht führt mich zu der Frage: brauchen wir wirklich zwei Tonnen Limousinen, die verkappte Racer sein sollen?

Lexus GS F
Klar, der geneigte passion:driving Leser reibt sich verwundert die Augen und fragt: seid nicht ihr diejenigen, die immer proklamieren, dass Leistung nur durch noch mehr Leistung ersetzt werden kann? Ja, richtig, den Einspruch akzeptieren wir, müssen aber sofort entgegnen: Leistung alleine macht nicht glücklich. Der Blick auf unseren Fahrzeugpark untermauert diese Aussage. Erst ein geringes Fahrzeuggewicht hilft der Leistung, ein fahrdynamischer Freudenspender zu werden. Doch leider verursacht eine Gewichtsdiät meist ein nicht zu unterschätzendes Problem: Der Verlust der Alltagstauglichkeit. So gerne Sebastian seine Lotus Elise auch durch das oberbayrische Voralpengebiet prügelt oder auf der Nordschleife Runden kloppt, täglich damit ins Büro fahren möchte selbst ein Hardcore Spritkopf, wie er, nicht. Ein weiterer Aspekt sind die Kosten. So schön ja eine reine Fahrmaschine auch sein mag, manchmal muss man eben doch zum Supermarkt, um den Kühlschrank wieder aufzufüllen oder die Partnerin (und ihr „kleines“ Reisegepäck) möchte mal wieder mit Ihnen über das Wochenende in einen Kurzurlaub starten und dabei bestimmt nicht im Schalensitz mit dem Vierpunktgurt festgezurrt werden. Der Leser spürt es sicherlich, es riecht verdächtig nach praktischem Zweitwagen. Oder eben nach: Kompromiss.

Klimaanlage, Sitzheizung, Navi, Soundsystem, etwas Geräuschdämmung hier, ein wenig Kofferraum da. Gedanklich geht der Zeiger der Fahrzeugwaage steil nach oben und die Sportfahrerstirn legt sich besorgt in Falten. Dabei sind die Kompromisse, die uns die Industrie heutzutage liefert, schlicht brillant. Moderne Fahrwerkstechnik mit adaptiven Dämpfern, verschiedene nach Gusto abrufbare Mappings für das Motorsteuergerät, Auspuffanlagen, die nur dann brüllen, wenn wir es wollen und Pneus, die selbst bei konzeptbedingten Rennstreckenlegasthenikern die Rundenzeiten purzeln lassen. Doch ist sowas tatsächlich auch in der oberen Mittelklasse notwenig? Können fünf Meter Limousinen oder Kombis nicht einfach nur mit vier Türen, Isofix, Komfort und Ladevolumen glänzen, sondern müssen auch noch mit den Kürzeln GS-F, M5, RS6, E63 Fahrwerte in den Asphalt brennen, bei denen manchem echten Sportwagen schwindelig wird?

Sicherlich, die eigene Brut auf der Rückbank freut sich über die 3,9 Sekunden bis zum Kindergarten. Und auch ich kann mich der Faszination dieser Geräte nicht entziehen. Zu gern erinnere ich mich an den 585 PS Quersteher auf regennasser Fahrbahn bei etwas mehr, als der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf kurvigem Geläuf im Schwarzwald. Nur Dank des instinktiv richtigen Reflexes und des wunderbar austarierten Allradantriebes konnte uns Sebastian vor dem drohenden Verderben im E63S 4Matic retten. Oder mein innerliches Schmunzeln, wenn ich an den kurzen Aufschrei der sympathischen Audi Pressedame aus der Schweiz denke, als ich mit ihr irgendwo hinter Heilbronn im 560 PS Bomber Namens RS7 die 300 km/h Schallmauer durchbrach. Hach, diese Wuchtbrummen haben schon ihren ganz besonderen Charme, doch ganz ehrlich: Rundenzeiten und Rennstreckentauglichkeit interessieren mich bei diesen Fahrzeugen überhaupt nicht. Wozu auch? Wer Touristenfahrten oder Trackdays besucht, trifft dort auf ganz andere und sehr viel sinnvollere Fahrzeuge. Zum Beispiel junge Wilde, wie die Megané R.S. oder drängelnden Emporkömmlinge, Namens M4 oder das Establishment, aka GT3. Doch große Familienlimousinen? Fehlanzeige. Ausser dem M5 Ringtaxi sind solche Fahrzeuge absolute Exoten bei der Rundenhatz.

Und das hat auch einen Grund: die Physik lässt sich auch mit modernsten Mitteln nicht überlisten. Spätestens nach ein paar Runden macht sich die schiere Masse dieser Kraftmeier bemerkbar, wenn sowohl Reifen, als auch und Bremsen um Gnade winselnd mitteilen, dass sie die Totour nur noch wiederwillig mitmachen wollen.

Die Antwort auf die eingangs gestellte Frage ist somit eindeutig: Nein, es braucht keine zwei Tonnen pseudo Tracktool Limousinen oder Kombis und ganz ehrlich, eigentlich gibt es sie auch nicht. Sicherlich, es war unterhaltsam im GS-F über den Jarama Circuit bei Madrid zu hämmern, doch auf Dauer braucht das kein Mensch. Zu groß, zu behäbig, zu materialmordend, zu kompromissorientiert.

Doch bitte nicht Missverstehen: ich verdamme damit nicht diese Fahrzeuggattung als solche. Es handelt sich durchweg um ingeniöse Meisterwerke. Und erfolgreiche dazu, sonst wäre Lexus nicht auch in dieses Metier eingestiegen. Doch bitte, liebe Hersteller, hört auf uns diese Speed-Brocken als behände Rennwagen zu verkaufen, Das sind sie nicht und werden es auch mit 700 PS nie sein. Lasst sie doch einfach auch mit der Marketing Brille das sein, was sie wirklich sind: herrlich schnelle Reisewagen. Aus diesem Grund bleibt es dabei, weiterhin werden wir GS-F, E63, M5, RS6 häufiger hinter den Schutzzäunen, als auf der Rennstrecke erleben. Und das ist auch gut so.

Lexus GS F
Lexus GS F

Text: ag
Bilder: Lexus/ag

Technische Daten

Lexus GS F

Motor-Bauart:
V8 Sauger (2UR-GSE), VVT-iE, kombinierte Benzindirekt- und Saugrohreinspritzung
Hubraum:
4.969 cm³
Leistung:
351 kW / 477 PS bei 7.100 U/Min
Drehmoment:
530 Nm bei 4.800 – 5.600 U/Min
Höchstgeschwindigkeit:
270 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h)
4.6 Sekunden
Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
16.6 L / 8.1 L / 11.2 L SuperPlus (ROZ 98)

Grundpreis Lexus GS F:
99.750
Leergewicht:
1.865 kg
Max. Zuladung:
455 kg
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
4.915 mm / 1.845 mm / 1.440 mm

Disclosure zur Transparenz

Ich wurde von Lexus nach Jerez, Spanien eingeladen. Reisekosten, Verpflegung und Übernachtung wurden von Lexus übernommen. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.

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Autor

Mit Baujahr 1969 bekommt man schon lange ein H-Kennzeichen, doch langsam unterwegs muss man deshalb noch lange nicht sein. Ich bin der lebende Beweis, denn ich teile auch im "fortgeschrittenen" Alter mit passion:driving Gründer Sebastian die Leidenschaft für die Fahrdynamik im Grenzbereich. Am liebsten auf unserer gemeinsamen Lieblingsrennstrecke: Die Nürburgring Nordschleife. Für passion:driving schreibe ich daher als gereifter Spritkopf für Spritköpfe aller Altersklassen über die Leidenschaft zum Automobil.

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