Als Motorjournalist und -Blogger ist man viel zu oft versucht, Artikel nach dem Schema „Dinge, die man nicht braucht“ einzuleiten. SUVs, beispielsweise, sind ziemlich unnötig. Verschmelzung verschiedener Fahrzeugklassen – sehr unnötig. Das passt natürlich zur Polemik vieler Autoren in den Kommentarspalten gängiger Magazine und Portale: „Wer braucht schon so viel Leistung?!“ schreiben sie dort alle, wenn das beschriebene Auto mehr Leistung hat, als das eigene oder der Carsharing-Karren, mit dem man sich durch den Stadtverkehr quält. Ich lasse mich selbst oft genug auf diese Form der Polemik ein – außer es geht um Leistung. Davon kann man nie genug haben. Und dann steht ausgerechnet dieses Auto vor mir: das Range Rover Evoque Cabrio. Ein SUV-Cabrio. Mal im Ernst: wer braucht denn sowas?!

Range Rover Evoque Cabriolet HSE Dynamic TD4

Das schöne an unserem Konsumverhalten ist ja, dass es rational begründbare Kaufentscheidungen eigentlich nicht braucht. Denn von brauchen kann so oft keine Rede sein. Und solange es verkauft wird, ist es eigentlich auch herrlich egal, wer so etwas überhaupt braucht. Eine Firma wäre blöd, würde sie Nachfrage nach Dingen, die man eigentlich nicht braucht, nicht befriedigen. Und nach so viel Disclaimer vorweg und nachdem ich alle davon überzeugt habe, dass es okay ist dieser Meinung zu sein: ich steh drauf, auf diese höhergelegte Badewanne! Das hat vermutlich allein schon damit zu tun dass ich den Range Rover Evoque ohnehin eigentlich ganz nett finde – zumindest optisch. Gerade mit dem Facelift wurde ordentlich auf die Optik eingezahlt, neue Stoßfänger lassen den Evoque sportlicher wirken. Tja und Dach runter ist grundsätzlich nun mal auch keine schlechte Idee.

Damit kommen wir dann aber auch zu einem der Punkte, die mich bisher am Evoque am meisten gestört haben: das Gewicht. Denn leicht ist er ohnehin nicht. Und wie ihr wisst, bedeutet Dach weg eben auch immer mehr Gewicht. Denn die Karosserie muss versteift werden und Versteifungen sind nun mal schwer. Dazu kommt die Mechanik und Elektronik für den Verdeckmechanismus. So stehen am Ende dann stramme 2,1 Tonnen im Fahrzeugschein. Zwei-Komma-Eins! Da bleibt mir nicht viel anderes übrig, als noch ein verbales Ausrufezeichen hinterherzusetzen, das ihr im Kopf bitte auch möglichst laut lesen müsst: Zwei-Komma-Eins – Ausrufezeichen! BMWs neuer 7er wiegt gute 500 kg weniger. Und selbst der dicke, kräftige Range Rover Sport SVR muss mit seinen 550 PS nur knappe 300 Kilo mehr durch die Gegend wuchten.

Range Rover Evoque Cabriolet HSE Dynamic TD4

Eben genau das schlägt sich auch ein wenig auf den Fahrkomfort nieder. Denn natürlich soll er seine Land-Rover-DNA nicht hintergehen, muss also für’s Gelände auch steif sein. Und schaukeln soll er ebenfalls nicht. Und so ein wenig schön soll er dann auch noch fahren, da draußen auf der Straße, wo er sich die meiste Zeit bewegen wird. Das führt dazu, dass er dermaßen straff abgestimmt ist, dass er nicht selten herzhaft poltert und kräftige Stöße an die Insassen austeilt. Und dann wäre da auch die etwas indirekte Lenkung und das teigige Bremspedal. Nein, eine Fahrmaschine ist das Evoque Cabrio nicht. Denn allein schon die Motoren sorgen dafür, dass er eher etwas gemäßigter Unterwegs ist. Für die 200er-Marke braucht’s auch im 180 PS starken Top-Diesel ein wenig Geduld. Kein Wunder, denn die Vmax liegt offiziell gerade einmal bei 195 km/h.

Die eingeschränkte Leistung, beziehungsweise die auf Grund seines Gewichts eingeschränkte Leistungsfähigkeit des Range Rover Evoque Cabrios hat allerdings auch seine Vorteile: denn je eingeschränkter das Beschleunigungspotenzial ist, desto weniger schnell rauschen die Bio-Alnatura-Hipster-Vorstadtmütter morgens und mittags damit durch die Tempo 30 Zonen vor Deutschlands Schule. Was uns also zu dem Punkt bringt, was dieses Auto ist. Sicher, niemand, erst recht nicht in der Land Rover Presseabteilung, wird sich nun über stereotype Klischees freuen. Aber Hand auf’s Herz: der Range Rover Evoque an sich und das Cabrio erst recht, sind Designstatements. Quasi die Louis Vuitton Tasche auf vier Rädern. Und von Design, das wisst ihr inzwischen, habe ich herzlich wenig Ahnung. Und da man mit dem Evoque Cabrio genauso wenig auf die Rennstrecke oder zur Kurvenhatz in die Alpen fährt, wie man in der Louis Vuitton Tasche seine Sportklamotten zum Wrestling trägt, ist es völlig okay, dass das Evoque Cabrio kein ausgewiesener Dynamiker ist.

Range Rover Evoque Cabriolet HSE Dynamic TD4

Denn: wohlfühlen, das kann man sich darin einwandfrei. Das Interieur hat diesen wunderbaren Charme, wie ihn nur diese britischen SUV draufhaben. Kantig, elegant, rustikal und modern zugleich. Und die neueste Generation des eifrig weiterentwickelten Jaguar/Land Rover Infotainmentsystems ist nun auch nicht nur auf der Höhe der Zeit. In einigen Dingen ist sogar der Konkurrenz voraus, bedient sich fließend, leistet sich keine Aussetzer, reagiert schnell und sieht vom Aspekt des User Interface her einfach unfassbar chic aus und das Meridian-Soundsystem tönt dazu (im Gegensatz zum F-Type) in angenehmen Tönen.

Fazit

In einem Punkt kann man sich beim Range Rover Evoque Cabrio absolut sicher sein: unauffällig ist man damit nicht unterwegs – zumindest nicht, wenn das Dach geöffnet ist. Dieser für alle Verkehrsteilnehmer fremde Anblick zieht mehr Blicke auf sich, als jeder Neunelfer. Man sitzt gut, hat feinen Sound und ein herausragend gutes Infotainment – eben eine echte Lifestyle-Kutsche. Da werden den üblichen Kaufinteressenten Dinge wie das teigige Bremspedal oder die etwas zu nervöse 9-Gang-Automatik wenig stören und das ist okay. Trotzdem: die Briten dürften den Evoque im Allgemeinen und das Cabrio im Speziellen unbedingt auf Diät schicken. Also, Land Rover, wisst ihr Bescheid: bitte abspecken lassen und so unsinnige Modellbezeichnungen wie „HSE Dynamic“ über Bord werfen. Macht aus ihm ein Range Rover Evoque Cabrio LowCarb Dynamic oder so. Ist doch viel besser, als Vollfettstufe. Und die Vorstadtmuttis, die könnt ihr mit solchen Namen erst recht locken.

Text: sb
Fotos: sb

Technische Daten

Range Rover Evoque Cabriolet HSE Dynamic 2.0 TD4

Motor-Bauart:
Vierzylinder DOHC Common-Rail Turbodiesel (Ingenium TD4) mit ZF 9HP 9-Gang-Automatik
Hubraum:
1.999 cm³
Leistung:
132 kW / 180 PS bei 4.000 U/Min
Drehmoment:
430 Nm bei 1.750 U/Min
Höchstgeschwindigkeit:
195 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h)
10.3 Sekunden
Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
6.7 L / 5.1 L / 5.7 L Diesel

Grundpreis Range Rover Evoque Cabriolet HSE Dynamic 2.0 TD4:
54.341
Leergewicht:
1.967 kg
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
4.370 mm / 2.085 mm / 1.609 mm

Disclosure zur Transparenz

Ich wurde von Land Rover nach Engelskirchen eingeladen. Reisekosten und Verpflegung wurden von Land Rover übernommen. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.

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Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

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