Lücken-Füllen ist derzeit angesagt, sehr angesagt. BMW zeigte mit dem X6, dass SUVs in Coupé-Form durchaus Abnehmer finden können und schob eine Generation später auch einen kleinen Ableger nach, den X4. Mercedes, die sich gerade jeder noch so kleinen Nische zu bedienen scheinen, konnten da natürlich nicht lange abwarten und zogen nach. Erst mit dem GLE Coupé, welches dem X6 entgegentreten soll, nun mit dem GLC Coupé, welches dem X4 Beine machen soll. Und genau den bin ich gefahren.

Mercedes-Benz GLC 350d Coupé / GLC 300 Coupé

Ihr wisst ja: über unsinnige Autos oder Autos, die manche für unsinnig halten könnten zu diskutieren ist … äh ja, Unsinn. Das habe ich beim Range Rover Evoque Cabrio schon ausführlich erklärt, beziehungsweise erklären müssen. Denn irgendwie musste ich ja auch rechtfertigen, warum ich auf den Evoque so ein kleines bisschen stehe. Beim Mercedes-Benz GLC Coupé ist es etwas anders. Die Erklärung gilt weiterhin: wenn es eine Nachfrage gibt, warum soll man sie nicht mit dem entsprechenden Angebot befriedigen? Doch dieses Mal sage ich das ganz ohne Eigennutz. Denn – soviel vorab – die persönliche Anziehungskraft auf mich fehlt dem GLC Coupé. Korrigiere: fehlte.

Doch eins nach dem anderen. Der Name verrät es, das GLC Coupé ordnet sich mit dem „C“ im Namen auf Höhe der C-Klasse ein (auch wenn er eigentlich auf der neuen Platform der E-Klasse basiert) und das bekommt man im Innenraum zu spüren. Denn hier sind die beiden Schwaben unverkennbar Brüder – in guten, wie in schlechten Dingen. Auf Seite der guten wäre da der allgemein hervorragend gezeichnete Innenraum, der feine, mittlere Instrumententräger, das edel auslaufende Armaturenbrett und – entsprechend teure Hakerl am Bestellzettel vorausgesetzt – darf den unfassbar guten Sound des Burmester-Soundsystems genießen. Auf der weniger guten Seite steht dem die seltsam versetzte Sitzposition entgegen, soll heißen: das Lenkrad befindet sich auf der horizontalen Achse nicht mittig vor dem Fahrer. Sicher, das mag nun der ein oder andere überkritisch sehen, aber nun ja.. ihr wisst schon: mich stört es eben. Doch – und das ist die gute Nachricht – das war’s auch schon. Mehr gibt es gar nicht zu meckern.

Von außen betrachtet ohnehin nicht. Wo das GLE Coupé noch viel zu unförmig und klotzig auftritt, darf das GLC Coupé schon etwas filigraner und feingeistiger daherkommen, wirkt nicht ganz so, als wäre es einem Designbuch über automobile – nun ja – Dinge, die gewisse männliche Defizite kompensieren sollen, entsprungen. Nein, das GLC Coupé ist durchaus ansehnlich. Und lässt auf großes hoffen, wenn es ums Fahren geht. Also geht’s rein in die vermutlich fahrdynamischste Variante, das GLC 300 Coupé.

Die 300 lässt einen Sechsender erwarten, tatsächlich wird aber mit vier Töpfen eher auf Sparflamme gekocht. Stört aber nicht, denn Mercedes hat mit dem 300er einen so feinen 2-Liter-Vierzylinder auf die Räder gestellt, dass die fehlenden 2 Zylinder kaum vermisst werden. Das beginnt bereits mit der Akustik. Freilich, hier und da wurde dort nachgeholfen, doch interessanterweise wirkt die Klangkulisse wenig synthetisch. Im Gegenteil: sie klingt so angenehm authentisch, dass man tatsächlich fast den V6 unter der Haube erwarten würde. Auch die Motorcharakteristik begeistert: mit sattem Drehmoment zoomt sich das große Schiff locker gen Horizont. Und trotz der fleischigen Mitte dreht der Vierender überraschend willig hoch.

Mercedes-Benz GLC 350d Coupé / GLC 300 Coupé

Selbstredend wurde dem Testwagen auch sonst alles mit an die Hand gegeben, was es fahrdynamisch vermeintlich braucht und dazu gehört eben unter anderem auch das Dynamic Body Control Fahrwerk. Das federt konventionell mit Stahlfedern und dämpft adaptiv. In langen Kurven und generell auf der Landstraße macht das GLC Coupé damit eine ganz gute Figur, doch soviel schon jetzt: so ganz mag mit dieser Kombination der reine Fahrspaß nicht aufkommen. Hier und da hat man das Gefühl, die kurvenäußeren Dämpfer verhärten zu sehr, schicken das Coupé ins Untersteuern und die im Vergleich zum GLC SUV direkter übersetzte Lenkung wirkt sich gefühlt kaum aus. Richtungswechsel kommen zu sehr verzögert, alles fühlt sich ein wenig indirekt an.

Die große Erleuchtung kommt nach dem Testwagenwechsel: vom GLC 300 Coupé geht’s in das 350d Coupé. Denn hier ist das Paket mit der optionalen Luftfederung Air Body Control ausgestattet und darf auf 20″-Felgen herumrollen. Und die Unterschiede sind drastisch. Es zeigt sich, dass der 300er fahrdynamisch vor allem unter der Rad-Reifenkombination gelitten hat. Der niedrigere Querschnitt (der 300er rollte auf 18-Zöllern) nun macht die Vorderachse deutlich präziser und die Luftfederung fühlt sich in Kurven um einiges harmonischer an. Auf der anderen Seite meistert sie den Spagat zum perfekten Cruiser, lässt das GLC Coupé im Komfortmodus zur Sänfte werden, welche sanft schwingend über Bodenwellen hinweggleitet. Dazu der dezente, aber schön grummelnde Sechszylinder-Diesel, der das Bild perfekt abrundet.

Und da stehe ich nun, vor einem inneren Konflikt: der 300er müsste der dynamischere sein, ist es vielleicht auch. Doch der 350d fühlt sich einfach stimmiger an. Der große Selbstzünder und die Luftfederung, das alles passt einfach viel mehr zum Charakter des GLC Coupé, als die vermeintlich sportliche Auslegung die – seien wir mal ehrlich – konstruktionsbedingt eben auch nicht weit her ist. Und so macht das GLC Coupé sogar für mich auch wieder Sinn. Wenn man es trotz seiner Außenhülle nicht als Sportwagen verstehen will, sondern vielleicht eher als GT. Dafür sprechen auch die überraschend guten Platzverhältnisse im Fond. Doch, ein GT, das ist das GLC Coupé. Und ein guter noch dazu. Mit sportlichen Eigenschaften, feiner Optik und herausragend gutem Innenraum. Schade, dass man ihn bei Mercedes als den Sportwagen unter den SUV interpretiert. Denn was die konsequenter sportliche Ausprägung angeht, da müssen wir dann noch auf das GLC 43 AMG Coupé warten – ich vermute: es dürfte sich lohnen!

Text: sb
Fotos: Werk/sb

Technische Daten

Mercedes-Benz GLC 300 4MATIC Coupé

Motor-Bauart:
Vierzylinder DOHC Turbomotor mit Benzindirekteinspritzung, 9G-Tronic und permanentem Allradantrieb 4MATIC
Hubraum:
1.991 cm³
Leistung:
180 kW / 245 PS bei 5.500 U/Min
Drehmoment:
370 Nm bei 1.300 – 4.000 U/Min
Höchstgeschwindigkeit:
236 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h)
6.5 Sekunden
Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
k.A. L / k.A. L / 7.3 L E10 (ROZ 95)

Grundpreis Mercedes-Benz GLC 300 4MATIC Coupé:
53.080
Leergewicht:
1.785 kg
Max. Zuladung:
645 kg
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
4.732 mm / 1.890 mm / 1.602 mm

Disclosure zur Transparenz

Ich wurde von Mercedes-Benz nach Turin, Italien eingeladen. Reisekosten, Verpflegung und Übernachtung wurden von Mercedes-Benz übernommen. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.

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Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

12 Kommentare

  1. Hallo Sebastian, Deine sachlichen und emotionalen Kommentare gefallen mir sehr. Großes Kompliment. Meiner Frau und mir gefällt Deine Beurteilung über das GLC Coupe. Wir haben uns im I-Net informiert. Deine Beschreibung deckt sich mit meinem Fahreindruck (GLC C 350d). MB sollte auch mal unabhängige Fachjournalisten beauftragen. Herzlichen Dank für Deinen Beitrag. VG Frank

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