Mamma Mia! Was haben wir uns nicht alle darauf gefreut, dass Alfa endlich wieder zu seinen Wurzeln zurückkehrt, erst mit dem 4C den Weg geebnet hat und nun endlich wieder eine kompakte Limousine mit ordentlich Dampf nachschiebt: hoch lebe die Giulia Quadrifoglio! Was die Italienerin so kann, konnte ich bei ein paar Runden auf dem Nürburgring erfahren.

Alfa Romeo Giulia Quadrifoglio Tracktest Nürburgring

Sicher, was ist man als Schreiberling nun nicht wieder versucht, irgendwelche klischeehaften Vergleiche mit irgendwelchen Italienischen Nahrungsmitteln zu ziehen. Giulia Quadrifoglio – das ist wie … wie … Spaghetti all’arrabiata! Woah, kreativ! Nein, mit italienischem Essen als Metapher – soviel schon vorab – kommen wir bei der Giulia Quadrifoglio nicht weit. Oder gibt’s bei eurem Italiener ums Eck Spaghetti all’voll auf die Fresse? Nein? Dacht ich’s mir doch.

Die passenden Vergleiche zu ziehen, damit ihr die richtigen Schlüsse ziehen könnt, ist also gar nicht so einfach, also fangen wir erst einmal dort an, wo es einfacher oder ohne solche Vergleiche geht: im Innenraum. Und allein hier merkt man schon, welche großen Fortschritte Alfa gemacht hat. Denn während die Giulietta QV beispielsweise fast gar keinen Seitenhalt bietet, bietet der MiTo QV SBK jede Menge davon – dank Sabelt-Schalensitze. Die sind mit ihrer Konsole aber so hoch angebracht, dass man sich fast den Kopf am Dach anstößt. Mit der Giulia hat es Alfa nun endlich verstanden. Die serienmäßigen Sportsitze des QV-Modells bieten üppigen Seitenhalt und wer es richtig sportlich mag, bekommt davon in den optionalen Sabelt-Schalen noch mehr, bleibt aber angenehm weit unten mit dem Hintern.

Und auch sonst gibt es innen wenig zu meckern. Das Design kann man nur als gelungen bezeichnen: das geschwungene Armaturenbrett, die großen, runden Luftausströmer an den Seiten und das große mittig platzierte Touchdisplay des Infotainments hinterlassen einen hervorragenden Eindruck. Das wichtigste Detail aber befindet sich mittig zwischen Fahrer und Beifahrer: ein Schaltknüppel!

Danke, Alfa, dass ihr noch an die Petrolheads denkt – oder besser gesagt: wieder! Als Kind der späten Achtziger hatte ich schon befürchtet, nahezu gar nicht mehr in den Genuss zu kommen, über 500 PS selbst bändigen zu müssen. Hier darf man es endlich wieder. 510 PS sind es genau genommen, welche aus einem komplett frisch aufgelegten 2,9-Liter-Turbo-Sechszylinder gepumpt werden. Wer jetzt wieder in die ständigen Downsizing-Klagelieder einstimmen möchte, darf sich gleich wieder umdrehen oder sich einfach mal zum Gemüte führen, dass ein ganz anderer, italienischer Motor mit der Bezeichnung F120A und eben jenen 2,9 Litern Hubraum und dicken Turboladern den Ferrari F40 zur Legende werden ließ.

Alfa Romeo Giulia QV Tracktest Nürburgring

Der neue 2,9-Liter-Motor mit ebenfalls zwei Turboladern, allerdings „nur“ sechs Zylindern, sollt laut einiger Aussagen übrigens auch aus dem Hause Ferrari stammen und ein Spross der F154-Motorenfamilie sein. Manche behaupten, er wäre ein Ferrari-Motor, Alfa sagt, der Motor sei „vom Ferrari-Motor inspiriert worden“. Sicherlich, weil man den Ferrari-Mythos nicht abwerten, gleichzeitig aber auch die eigene Ingenieursleistung wertschätzen möchte. Die Wahrheit dürfte wohl irgendwo dazwischen liegen, denn ein Ferrari-V8 aus dem California T mit einfach nur zwei Zylindern weniger, ist der V6 definitiv nicht: im Gegensatz zum Ferrari, ist die Giulia mit einem wassergekühlten Ladeluftkühler ausgestattet, hat keinen Trockensumpf und darf nicht mit einer Flat-Plane-Kurbelwelle rotieren, sondern beherbergt eine konventionelle Cross-Plane-Kurbelwelle.

Trotzdem kann man mehr als erstaunt sein, wie das Ding dreht! Die Pasta wird hier so schnell durch den Pürierstab geschreddert, dass von der all’arrabiata nicht mehr viel übrig bleibt. Bis knapp unter 7.000 Umdrehungen grummelt sich der V6 die Drehzahlleiterhoch, rennt bei 6.000 am Leistungsmaximum vorbei und geht dann eben dort, knapp unterhalb der sieben in den sanften Begrenzer – ganz ohne Theater. Das Theater folgt nun, wenn Du einfach voll auf dem Pin stehen bleibst, auskuppelst, den nächsten Gang reinzimmerst und – immer noch auf dem Pin stehend – die Kupplung wieder kommen lässt. Richtig gelesen: unter Volllast werden die Gänge einfach ohne Gaslupfer reingedrescht. Eine schnelle Zündunterbrechung, ein kleines akustisches Inferno und zack ist der Gang drin!

Auch beim Runterschalten versucht die Giulia Quadrifoglio noch den letzten Schaltwagenlegastheniker zu unterstützen und gibt im Track-Modus des DNA-Schalters selbstständig Zwischengas. Ein wenig schade ist, dass man diese Funktion im Track-Modus nicht abschalten kann. Nicht, dass ich es besser, schneller oder präziser als die Elektronik könnte, aber die Pedalanordnung im Fußraum ist so perfekt, dass man hier Spitze-Hackeln könnte, wie man lustig ist.

Alfa Romeo Giulia Quadrifoglio Tracktest Nürburgring

In Kurven verhält sich die Giulia dabei wunderbar neutral, lenkt zackig ein, folgt dem Lenkbefehl sofort und ab dort hast Du die Qual der Wahl: Gas anlegen, warten und dann voll und sauber herausbeschleunigen oder vorher einfach lässig in die gepflegte Querfahrt übergehen. Von der Giftigkeit eines BMW M4 ist sie an dieser Stelle weit entfernt. Und im Gegensatz zur Mercedes-AMG C 63 Limousine lässt sich die Giulia dank des fein arbeitenden Torque-Vectoring-Sperrdifferenzials auch sehr viel leichter an den Übergang von der Haft- zur Gleitreibung heranführen. Verzögern tun sie hingegen alle gut und wie die Konkurrenz auch, nimmt die Giulia Quadrifoglio optional auch Keramikverbundbremsscheiben in die Zange, um die rund 1,6 Tonnen zum Stillstand zu zwingen.

Auch sonst ist die „auf die Fresse Pasta“ mit allem gewürzt, was das Sportfahrerherz höher schlagen lässt: der sitzt in konsequenter Front-Mittelmotorbauweise hinter der Vorderachse, Motorhaube, Dach und Heckdeckel sind aus feinstem Carbon und ein aktiver Frontsplitter – aktive Aerodynamik, wie wir sie von Ferrari kennen – sorgt dafür, dass die Giulia in den entsprechenden Fahrsituationen ausreichend Abtrieb erzeugt, ohne bei jeder Parkhauseinfahrt Angst um die Frontschürze haben zu müssen.

Und der Sound, fragt ihr? Ganz offen gesprochen: die paar wenigen Runden mit der Giulia Quadrifoglio waren gefühlt schneller rum, als man „Alfa all’arrabiata“ sagen könnte und soviel schon jetzt: der Sound blieb nicht in Erinnerung. Das zwar weder ein gutes, noch ein schlechtes Zeichen, aber eben halt doch deutlich weniger ein gutes Zeichen. Nein, sie klingt nicht verkehrt, erinnert stark mit ihrem hölzernen Gedresche an den M4 – liefert dann aber doch einen Hauch mehr Emotionen. Viel wichtiger aber: von Innen geht sie einem nicht mit einem Synthi-Mischbrei auf die Nerven, wie es der Bayer tut.

Alfa Romeo Giulia Quadrifoglio Tracktest Nürburgring

Alfa ist also zurück – und das so richtig! Die Alfa Romeo Giulia Quadrifoglio Verde ist nicht nur ein ernstzunehmender BMW M4 Konkurrent, sondern – wenn ihr mich fragt – die deutlich interessantere Wahl. Alleine schon, weil sie als einzige im Konkurrenzumfeld endlich wieder eine Handschaltung anbietet. Natürlich gibt es auch einen 8-Gang-Automaten (den hervorragenden von ZF), der wird in Deutschland allerdings erst ab Herbst verfügbar sein. So bleibt ein wahrhaft emotionales Design gepaart mit absolut konsequenter Sportlichkeit und einer Verarbeitung und Ergonomie, welche nun auch endlich dem übrigen Anspruch entspricht. Der erste Eindruck war leider aber genau das: ein kurzer erster Eindruck. Umso mehr hoffe ich, dass ich diese ach so zornige und temperamentvolle Italienerin möglichst bald auch mal ein wenig länger ausführen darf. Das ist doch immerhin auch ein Urteil, oder nicht?

PS: die Fotos stammen vom On-Location-Fotografen der Fahrveranstaltung am Nürburgring, aber auch aus den Pressematerialien von Alfa Romeo, da ich dort an der Strecke selbst keine Fotos schießen konnte.

Text: sb
Fotos: Werk

Technische Daten

Alfa Romeo Giulia Quadrifoglio 2.9

Motor-Bauart:
V6 DOHC Biturbo in 90° V-Anordnung, Saugrohreinspritzung und wassergekühltem Ladeluftkühler
Hubraum:
2.891 cm³
Leistung:
375 kW / 510 PS bei 6.500 U/Min
Drehmoment:
600 Nm bei 2.500 U/Min
Höchstgeschwindigkeit:
307 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h)
3.9 Sekunden
Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
12.8 L / 6.0 L / 8.5 L E10 (ROZ 95)

Leergewicht:
1.655 kg
Max. Zuladung:
445 kg
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
4.639 mm / 2.024 mm / 1.426 mm

Disclosure zur Transparenz

Ich wurde von Alfa Romeo nach Nürburgring eingeladen. Alle anfallenden Reisekosten habe ich selbst getragen. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.

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Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

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