Es gibt nicht viel, das es nicht gibt. Das in etwa wäre wohl die Antwort der Berater hier im Audi Forum Neckarsulm, wenn man sie fragt, auf welche Individualisierungswünsche so mancher Kunde schon gekommen ist. Aber auch die Antwort auf die Frage, was denn machbar ist. Denn das ist eine ganze Menge. Hier im Audi exclusive Studio nämlich können Audi-Kunden ihren Wünschen freien Lauf lassen – also fast.

Klar, die Möglichkeiten sind endlos, der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Und doch: es muss halt machbar sein. Denn was Audi mit dem exclusive Programm anbietet, sind Individualisierungsoptionen für jedes Modell. Egal ob Großserie oder Handarbeit. Egal ob A1 oder R8. Und so müssen die Indivudalisierungswünsche innerhalb der Produktionsstraßen natürlich auch umsetzbar sein.

In der exclusive Ausstellung können sich Kunden davon ein umfangreiches Bild machen. Lederarten, Innenraummaterialien für Dekorleisten, Kontrastnähe in allerlei Farben und natürlich: Lackierungen noch und nöcher. Welches Faberl hätten’s denn gern? Da entsteht dann auch schon mal ein Audi R8 in Arablau matt. Nicht, dass Arablau nicht schon beeindruckend schön wäre. Nein, in matt. Seidenglänzend. Gepaart mit einem hellen Innenraum mit arablauen Akzentteilen und Kontrastnähten. Liebes Audi Forum Team: ein Zettel mit einer Überlassungsvereinbarung für meine Seele habe ich unter den Scheibenwischer geklemmt – ich warte noch immer auf Antwort!

An und für sich denkt man bei Audi natürlich an Ingolstadt. Neckarsulm – klar, das verbindet man natürlich mit der quattro GmbH. Doch gerade auch in Bezug auf die Modellpalette hat der Standort Neckarsulm eine besondere Bedeutung für die Marke mit den vier Ringen. Denn hier, im Herzen der Stadt, laufen so ziemlich alle Fahrzeuge vom Band, die dem modularen Längsbaukasten entspringen: ob A4, A5/S5, A6, S6 und gar RS 6 oder A7, A8 und deren entsprechende Sportderivate. Auch aus historischer Sicht spielt das Werk eine zentrale Rolle. Schon 1880 zogen Vorläufer des Werkes an den heutigen Standort, damals noch als eine von Christian Schmidt gegründete Strickmaschinenmanufaktur.

1886 baute man hier schließlich Fahrräder, 1900 wurde daraus die erste Motorradfabrik Deutschlands, bevor 1906 bereits die ersten „Original Neckarsulmer Motorenwagen“ gebaut wurden. 1929 wird die Automobilproduktion dann allerdings infolge der Weltwirtschaftskrise eingestellt. Wenige Jahre später, als in Europa der Krieg wütet, wird auch das Werk in Neckarsulm vollständig zerstört. Doch bereits Mitte 1945 kann die Produktion Stück für Stück wieder aufgenommen werden und bis zum Jahr 1955 entwickelt sich die NSU Werke AG zur größten Zweiradfabrik der Welt, bevor 1958 mit dem NSU Prinz I bis III wieder die Automobilproduktion beginnt.

Einige Jahre später, im Jahre 1969, kommt es dann zur Fusion mit der Auto Union GmbH aus Ingolstadt. Es entsteht die Audi NSU Auto Union AG, deren Hauptsitz bis 1985 genau hier in Neckarsulm war. 1975 drohte dem Werk auf Grund der Ölkrise dann fast die Stilllegung. Denn während der gesamte VW Konzern mit massiven Überkapazitäten zu kämpfen hatte, war auch der hier in Neckarsulm gefertigte NSU Ro 80 kein wahres Zugpferd. 3.500 Mark Verlust schrieb man mit jedem verkauften Fahrzeug. Im Zuge des „Marsch auf Heilbronn“ kämpften die Mitarbeiter schließlich um die Erhaltung des Werkes. Mit der Lohnauftragsfertigung des Porsche 924 und 944 kann schließlich die Auslastungssituation des Werkes verbessert und mit vergleichsweise wenigen Entlassungen seine Geschichte fortgeführt werden.

Viele Eckpfeiler dieser ereignisreichen Werksgeschichte lassen sich auch heute noch im Audi Forum in Neckarsulm betrachten und erleben. Sei es durch die anschaulich visualisierte Werksgeschichte oder durch einzigartige Sonderausstellungen mit historischen Fahrzeugen, die hier in Neckarsulm entstanden – einen Besuch ist das Audi Forum wert, auch wenn man nicht gerade sein eigenes Fahrzeug zusammen mit einer Werksführung dort abholt oder im exclusive Studio individualisiert.

Doch an dieser Stelle ist mein Besuch noch nicht fertig. Denn eine Station steht noch auf dem Plan. Es sind die wohl heiligsten Hallen, die man bei Audi betreten kann: die Manufaktor des Audi R8 auf den Böllinger Höfen am Rande Neckarsulms. Denn hier entsteht der Supersportwagen in einer Mischung aus Hightech-Fertigungsprozessen und liebevoller Handarbeit. Selbst das Monocoque in Mischbauweise aus Aluminium und Kohlefaser entsteht nicht einfach so maschinell. Allein 90 Aluminiumschweißer sind damit beschäftigt, den Aluminium-Space-Frame zusammenzuschweißen (und Aluminium-Schweißen gilt gemeinhin als hohe Kunst und ist alles andere als trivial), die Lackierung erfolgt per Roboter. Auch nahezu alle weiteren Fertigungsschritte werden per Hand durchgeführt. Vom Einbau des Fahrwerks, über das Verlegen des Kabelbaums bis zur Hochzeit: dann, wenn die zehn Zylinder erstmal mit ihrer Rohkarosse verbunden werden. Dabei ist die Manufaktor modern und hell ausgestattet. Die Rohkarossen werden mittels automatisch fahrender Tragsysteme (genannt FTF: Fahrerloses Transportfahrzeug) durch die Manufaktur gefahren und können je nach Arbeitsstation die Rohkarosse für den nächsten Arbeitsschritt anheben. Durch ihre autonome Bewegung durch die Manufakturhallen, ersparen sie ein bisheriges Montageband und die Fläche kann effizienter genutzt werden.

Doch, bei all dieser Technik: ein wenig magisch ist dieser Ort schon. Nicht nur die Böllinger Höfe mit den R8, die hier gefertigt werden, mit den Emotionen, die diese Autos umgibt. Auch das Audi Forum selbst ist ein solcher Ort. Denn unter uns: sind Autos nicht eine Herzensangelegenheit? Sicher, es gibt Menschen, für die ist ein Auto Nutzgegenstand. Da wird der Firmenwagen konfiguriert, angeliefert, gefahren und abgegeben. Doch dann gibt es noch die Menschen, wie uns. Aus deren Sich einem Auto immer eine Seele innewohnt, für die es wenig emotionalere Erlebnisse gibt, als den Autokauf oder vielmehr der Moment, an dem man sein neues Schätzchen endlich entgegennehmen darf. Und genau dieses Gefühl überkommt einen mit jedem Auto, das hier in den Böllinger Höfen vollendet wird und mit jedem Fahrzeug, das im Audi Forum steht und auf seine Abholung wartet. Also vorsicht: man könnte in Versuchung kommen, auch gleich ein neues Auto kaufen zu wollen. Und falls man doch „nur gucken“ möchte: den Besuch hier im Audi Forum Neckarsulm ist es in jedem Fall wert.

Audi R8 Manufaktur Böllinger Höfe

Text: sb
Fotos: sb

Disclosure zur Transparenz

Ich wurde von Audi nach Neckarsulm eingeladen. Reisekosten, Verpflegung und Übernachtung wurden von Audi übernommen. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.


Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

25 Kommentare

  1. Netter Beitrag, doch eins muss ich in ihrem Bericht über die Fertigung des R8 in den Böllinger Höfe korrigieren, die Karosserie des R8 wird nicht wie sie es schreiben maschinell gefertigt, sondern wird in 75%iger Handarbeit von ca. 150 Mitarbeitern gefertigt , darunter befinden sich ca. 90 Aluminium-Schweißer, die den ASF des R8 in 100%iger Handarbeit zusammen schweißen. Diese Arbeit mit den Worten „natürlich noch maschinell“ nur beiläufig zu erwähnen finde ich doch etwas mager.

    • Hi Kevin! Vielen Dank für die Info! Das wusste ich selbst tatsächlich nicht. Ich habe den entsprechenden Abschnitt im Artikel eben überarbeitet. Vielen Dank für Ihre Infos! Alu-Schweißen ist ja tatsächlich kein Klacks, da braucht es schon gutes Knowhow und Geschick und die Handwerkskunst wollte ich natürlich nicht herabwürdigen!

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