Hier, so zwischen all diesen modernen High-Tech-Triebwerken auf dem #Hoonfest16, wirkt der Nissan 370Z wie ein rollender Anachronismus. Hier ein Kompressor, dort ein Turbolader, da ein Hybridantrieb und inmitten all dieser modernen und ach so effizienten Motoren: er, ein Sauger der alten Schule. Sicher, der jüngste ist der 370Z ohnehin schon nicht mehr. Seit 2008 (2009 in Europa) auf dem Markt, gab es lediglich mal eine Modellpflege, über einen Nachfolger wurde lange spekuliert, doch weder offiziell noch inoffiziell gibt es irgendwelche Indizien, die auf ein baldiges Ende des 370Z hindeuten. Gut so, denn hier auf dem #Hoonfest16, da ist er unser Purist.

Nissan 370Z Pack #Hoonfest16

Sicher, ich höre euch nun schon fragen: der Sebastian, der Vogel, der einen Lotus fährt ständig kaputt zuhause herumstehen hat, will eine fette Lady mit über 1,6 Tonnen auf den Rippen als Purist bezeichnen? Gut, die dicke hat wirklich ein bisserl viel auf den Rippen und 328 PS sind für heutige Maßstäbe nun auch keine Leistung mehr, bei der man in Ehrfurcht vor der Maschine darniederkniet. Schon erst recht nicht, seit (fast) jeder Kompaktsportler Kreise um den Z drehen könnte.

Sei’s drum. Denn der Reiz des 370Z liegt vor allem in seinem Charakter. Erstens, da er überhaupt noch einen hat, zweites da dieser ein ganz wunderbarer ist. Viel davon allerdings, das muss hier klargestellt werden, hängt vor allem mit seinem Getriebe zusammen. Seine Handschaltung kann zwar nicht mit feinster Präzision glänzen, fühlt sich aber so wunderbar knochig an und will noch mit Bestimmtheit durch die Gassen geführt werden. Die Kupplung erfordert Feingefühl und wie ein betrunkener Affe kannst Du die Gänge nicht reinprügeln, ohne nicht sofort im gesamten Antriebsstrang die Quittung dafür zu bekommen.

Es entsteht eine Verbindung zwischen Mensch und Maschine, wie sie kaum ein Auto heutzutage noch erzeugen kann. Und wenn sie dann alle darüber lamentieren, dass es kaum noch Handschalter gibt. Lass sie alle reden, denn der 0-8-15-Handschalter mit wachsweichen Schaltvorgängen interessiert doch eh niemanden. Nein, vielmehr müsste man sagen: es gibt kaum noch RICHTIGE Handschalter.

Nissan 370Z Pack #Hoonfest16

Und da sind wir beim #Hoonfest16-Problem mit dem 370Z. Denn das ist: kein Handschalter. Es ist eine Automatik, die schon bei der Modelleinführung 2008 dem Stand der Technik um gute 5 Jahre hinterherhing. Nun wollen wir ja nicht meckern. Denn die Idee zum Hoonfest und damit auch die Anfrage bei Nissan kamen beide sehr kurzfristig und wir sind alle froh gewesen, überhaupt eine Lady am Hof stehen zu haben.

Getriebe aus dem Museum

Doch es ist schon erstaunlich, dass es überhaupt noch Hersteller gibt, die ein Getriebe verkaufen – noch dazu in einem Sportwagen – das beim Schalten unter Volllast vom vierten in den fünften Gang so dermaßen unschön die Drehzahl angleicht, wie es ein Auto mit verschlissener Kupplung tun würde, die beim Einkuppeln nur noch rutscht.

Egal, denn wir haben unseren Fahrspaß beim Hoonfest auch mit diesem Graus von Getriebe. Da wäre zum Beispiel der Samstagmorgen. Die ersten sind bereits eine Nacht zuvor angereist und wir warten noch auf Team RENNSTALL.info. Zeit für’s Frühstück, also rein in den 370Z, um im 9 Kilometer entfernten Nachbarort Brötchen zu holen. Und hier auf diesen feinen Kurven in der Eifel fühlt sich der Z richtig wohl. Der Sechszylinder röhrt, wenn auch ein wenig zu stark artifiziell verstärkt, dreht, tut und macht.

Selbst hier, selbst mit DIESEM Automatikgetriebe baust Du sofort eine Beziehung zu dem Auto, willst einfach jede Kurve auf der Ideallinie nehmen. Allein schon, weil Du dich in diesem Cockpit irgendwie immer so fühlst, wie in einem Rennwagen. Tiefe Sitzposition, hohe Armaturen. Zusatzanzeigen für Öltemperatur und Bordspannung, dazu eine rohe Soundkulisse. Es ist einfach wie ein Fahren aus längst vergangenen Zeiten. Und noch dazu funktioniert er eben einfach gut. Das Fahrwerk leistet überraschend gute Arbeit und mit der Sperre kannst Du auch auf dem Weg zurück den Berg hinauf immer wieder lässig das Heck heraushängen lassen.

Fahrfreude pur – auch auf der Nordschleife

Das der 370Z auf Landstraßen eine Freude ist, war mir schon lange bewusst. Viel mehr war ich aber interessiert: wie schlägt sich die Dicke Lady eigentlich auf der Nordschleife? Und genau hierfür war auch das Hoonfest gedacht. Landstraßen, Benzingespräche, Nordschleife, Grill, Bierchen und und und. Nun war die Wahl des Datums sicher nicht die geschickteste, aber die einzige Option. Die Nordschleife voll bis dorthinaus, eine Sperrung folgt auf die nächste. Ein Versuch endete gar darin, dass die Strecke geöffnet wurde, sich artig im Stau bis zum Kreisverkehr an der Zufahrt eingereiht wurde und noch vor Erreichen des Kreisverkehrs die Strecke bereits wieder geschlossen war. 6 Minuten. Mein persönlicher Rekord..

Nissan 370Z Pack #Hoonfest16

Und doch hat es immerhin für 2 Runden mit der Lady gereicht. Die waren zwar keine Rekordrunden, aber Runden, die mich beim Potenzial des Z mehr als überrascht haben. Das Fahrwerk funktioniert hier ertaunlich gut, bietet die nötige Straffheit, ohne zu hart zu dämpfen, was – wie wir wissen – auf der Nordschleife eher viel Unruhe ins Auto bringt. Die Bremse standhaft und das Handling sehr neutral. Clemens war ebenso sehr angetan, was das FAhrwerk angeht. Bei heise autos schrieb er über den 370Z:

Der Z gehört zu den rar gewordenen Autos, deren Fahrwerkseinstellung nicht auf Härte für gefühlte Sportlichkeit optimiert wurde, sondern darauf, dass die Räder tatsächlich möglichst gut dem Asphalt folgen.

Und damit hat er voll und ganz Recht. Der Z ist straff, aber nicht knüppelhart und daher funktionierte er auch so gut hier auf der Nordschleife. Auch bei der abendlichen Runde auf der Landstraße hat der 370Z funktioniert. Sehr gut funktioniert. Das unterschreiben so auch die beiden RENNSTALL.info-Tobis, die zum 370Z sagen:

Selbst der über 500 PS starke Jaguar fährt dir auf den kleinen Landstraßenkurven nicht davon. Für uns das beste und spaßigste Auto aus dem Fuhrpark.

Nissan 370Z Pack #Hoonfest16

Sicher: im Vergleich mit all den drehmoment-hustenden Turbo- und Kompressorviechern haben es die 328 frei atmenden Pferdchen nicht ganz so einfach, die 1,6 Tonnen in Bewegung zu bringen. Er will halt ein wenig Drehzahl ist allerdings -so viel Ehrlichkeit muss sein – auch nicht gerade das emotionale Hochdrehzahltriebwerk. Ein wenig teilnahmslos ist er, der Motor. Das macht aber nichts, denn von schlecht ist er weit entfernt und ohne diesen Motor wäre der Z einfach nicht der Z.

Fazit

Und als am Abend das Fleisch gegrillt und das Bier geleert wurde, blieb für mich die Frage, warum er, der hier so eine gute Leistung gezeigt hat in diesem bunten Feld, nicht eigentlich in der Ring-Szene viel beliebter ist? Sicher, er ist nicht leicht, das erhöht natürlich den Verschleiß. Ja, die Ladies können mit ihren Öltemperaturen schon mal etwas fiebrig werden. Alles nichts, das sich nicht beseitigen ließe. Am Preis kann es jedenfalls nicht liegen: 34.130 Euro für einen 328-PS-Sportwagen? Ja, wirklich: Sportwagen! Sicher, die reine knallharte Performance eines Megané RS wird er nicht bringen. Für ein Paket, das aber auch auf der Landstraße noch Spaß machen soll, ist der Z nahezu unschlagbar. Kurz gesagt also: ich weiß es nicht. Ich würde die Lady jedenfalls liebend gerne auf ein 3. oder 4. Date mitnehmen. Mit Ring. Dann aber mit weniger Verkehr und mehr Tempo. No pun intended.

Nissan 370Z Pack #Hoonfest16

Text: sb
Fotos: sb/Tobias Heil

Technische Daten

Nissan 370Z Pack Coupé

Motor-Bauart:
vorn längs eingebauter 60°-V6 (VQ37VHR) mit sequenzieller Saugrohreinspritzung und VVEL+CVTCS Ventilsteuerung
Hubraum:
3.696 cm³
Leistung:
241 kW / 328 PS bei 7.000 U/Min
Drehmoment:
363 Nm bei 5.200 U/Min
Höchstgeschwindigkeit:
250 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h)
5.3 Sekunden
Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
15.4 L / 7.8 L / 10.6 L SuperPlus (ROZ 98)

Grundpreis Nissan 370Z Pack Coupé:
34.130
Testfahrzeugpreis:
43.030
Leergewicht:
1.579 kg
Max. Zuladung:
229 kg
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
4.265 mm / 1.845 mm / 1.310 mm

Disclosure zur Transparenz

Das Fahrzeug wurde mir freundlicherweise von Nissan für den Test zur Verfügung gestellt. Der Test erfolgte unabhängig. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.

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Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

2 Kommentare

  1. Hallo Sebastian
    Es ist wie immer ein sehr schöner Bericht. Danke. Der Nissan klingt darin so, als wäre er der große Onkel (älter, kräftiger, aber auch behäbiger, dennoch witzig) vom GT86/BRZ. Wie siehst du das?
    Allzeit gute Fahrt
    Steffen

    • Hi Steffen,

      danke Dir! 🙂 Und tatsächlich ist das eigentlich eine ganz passende Bezeichnung. Sie sind sich in dieser Hinsicht beide sehr ähnlich, weil sie alle zusammen etwas rustikal sind. Also ja: würde ich so unterschrieben!

      Cheers,
      Seb

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