Beruflich bedingt bin ich zur Zeit häufiger in Mietwagen unterwegs. Das öffnete mir den Blick auf die Schattenseiten des Automobilbaus, die wir Auto-Blogger und Motorjournalisten, in der Regel verwöhnt von vollausgestatteten Topmodellen, gefahren an den schönsten Orten der Welt, gar nicht kennen. Es war ein harter und unbarmherziger Tritt zurück in die Welt des durchschnittlichen Automobilkäufers. Und die sieht bescheiden aus, wie ich feststellen musste.

Man kennt diese Mietwagen, die – je nach Fahrzeugklasse – ziemlich spärlich ausgestattet sind. Es ist einfach nichts an Bord, außer vielleicht einer Klimaanlage. Eine echte nackte Mutti, wie mal ein Freund von mir zu sagen pflegte. Immerhin gibt es so aber auch immerhin nichts an Ausstattung, über das man sich aufregen könnte. Dass die Realität für den durchschnittlichen Autokäufer anders aussieht und sich zwischen den beiden Extremen „nackt“ oder „Einmal mit alles“ bewegt, wurde mir das erste Mal bewusst, als ich vor wenigen Wochen bei Sixt ein Upgrade bekam und meine anstehende Geschäftsreise in einer C-Klasse, C 200 CDI, antreten durfte. Ich freute mich. Immerhin bekam ich das, was man ja durchaus als eine gute Reiselimousine bezeichnen würde. Das war sie auch. Größtenteils zumindest.

Dass die serienmäßigen Sitze in einem Mercedes nicht so sehr viel mit dem Langstreckenkomfort der sündhaft teuren, heiß und kalt massierenden Luxussesseln der üblichen Testwagen zu tun hat – sei’s drum, denn es gibt schlimmeres: Wer je in einem 1er BMW mit Standardsitzen saß, weiß, dass die Bajuvaren einen beunruhigenden Erfahrungsschatz in der Konstruktion von Folterbänken besitzen, aus dem sie beim Design ihrer Standardsitze zu schöpfen scheinen.

Mit der American Express in Nordkorea zu McDonald’s

Der eigentliche Ärger ging los, als ich am folgenden Morgen mit der C-Klasse aus der Eifel in Richtung Heilbronn aufbrach. Dass sich die Zieleingabe im Mercedes für mich so ungewöhnlich unkomfortabel gestaltete, lag daran, dass nicht das gewohnte Command Online verbaut war. Stattdessen gab’s die einfache Navilösung, deren Namen ich von vollausgestatteten Pressefahrzeugen verwöhnter Auto-Blogger erst einmal nachschlagen müsste: Garmin Map Pilot. Dass es ein Garmin-System ist, hätte man allerdings auch ohne nachschlagen herausgefunden, denn das gruselige Comicbauklötzchen-UI passte zum Mercedes so gut, als würde man mittelmäßige Mangas im Louvre ausstellen.

Garmin Navigation im Mercedes. Das comic-hafte Design fügt sich perfekt in den hochwertigen Innenraum. Nicht.

An der ziemlich hässlichen Grafik lag es allerdings weniger, dass sich die Bedienung so schwierig gestaltete. Es war mehr der Bruch zwischen zwei völlig unterschiedlichen Systemen. Hier noch Mercedes, da plötzlich wirre Garmin-Untermenüs, die einer gänzlich anderen Struktur folgten und über welche das Mercedes-Bedienkonzept nur mit Ach und Krach irgendwie drübergebügelt wurde. Es fühlte sich an, als wolle man mit seiner American Express in Nordkorea einen BigMac bestellen.

Willkommen in der Routenneuberechnungsschleife

Viel schlimmer war aber, dass dieses Ding einfach unfassbar langsam war. Noch langsamer, als der gänzlich von Vortriebswillen befreite Corsa, über den ich mich gleich noch aufregen werde. Zur Veranschaulichung: vor der Abfahrt gab ich mein Ziel ein, startete die Routenberechnung und fuhr los. 290 Kilometer Wegstrecke. Etwa. Keine Weltreise. Das Garmin schwitzte so, als müsse es bei der Routenberechnung nicht nur jede einzelne Kurve genauestens unter die Lupe nehmen, sondern auch die Position aller Sterne unserer Galaxie mit in die Berechnung einfließen lassen.

Nach immerhin schon 3 Kilometern Fahrtstrecke hatte es das Ding endlich geschafft eine Route zu errechnen, nur um dann festzustellen, dass ich während der noch laufenden Berechnung bereits anders gefahren bin, als es das Teil eigentlich beabsichtigte. Es ging also von vorn los mit der Routenberechnung. Immerhin gab es auf die nächsten 10 Kilometer keine vermeintlich falsche Route, die ich hätte fahren können. Doch ich wette einen Fuffi, dass man dieses Ding so auch in eine Neuberechnungsendlosschleife schicken könnte.

Wenn dieses Pixel speiende Etwas für 300 Kilometer bereits so lange rechenschiebt, wie lange soll dann erst eine Routenberechnung nach Norddeutschland oder ins Ausland dauern? Noch fragwürdiger erscheint mir der Umstand, dass irgendwer bei Mercedes dachte, diese Lösung ließe sich entweder als „Das Beste“ oder als „Nichts“ verkaufen. Vielleicht hat auch irgendein Produktmanagerazubi den Markenclaim als „Besser als nichts“ fehlinterpretiert. Doch selbst das wäre immer noch zuviel des Guten. Einfach nur „Nichts“ wäre wirklich besser gewesen.

Aktive Sicherheit im Corsa: der 1,2-Liter-Motor

Zugegeben, ein Auto ohne Motor wäre reichlich sinnfrei. Insofern würde ich nicht behaupten, Opel solle im Einstiegs-Corsa besser gar keinen Motor verbauen und „Nichts“ wäre hier besser. Andererseits würden aus Muskelkraft angetriebene Pedale vielleicht etwas mehr Drehmoment auf die Straße bringen, als dieser gänzlich spaß-, sinn-, drehmoment- und vortriebsbefreite 1.2-Liter-Motor, den ich im Mietwagen vergangener Woche hatte. Ich schaute eben auf der Opel-Website nach den technischen Daten dieses Motors und staunte dabei nicht schlecht über folgenden Satz: „Wählen Sie aus unseren leistungsstarken und wirtschaftlichen Drei- und Vierzylinder-Motoren, die in Bezug auf Laufkultur, Drehmoment und Verbrauch überzeugen.“

Ich frage mich, ob während der Entwicklung irgendjemand bei Opel je in einem Corsa mit diesem Motor saß und ernsthaft damit gefahren ist. Vermutlich schon. Vermutlich dachte man sich danach aber auch, dass man die Zeit stattdessen lieber für eine Currywurst um die Ecke investiert hätte. Und ich vermute außerdem, dass der Hunger auf die Currywurst so groß gewesen sein muss, dass man die Testfahrt leichtfertig mit einem „Na, passt schon.“ abgehakt hat. Das ist natürlich toll im Sinne der aktiven Sicherheit. Denn ein Fahrzeug, dass sich nur spärlich aus eigener Kraft bewegt, kann auch kaum unfallkritische Geschwindigkeitsbereiche erreichen.

Optimal für Fahranfänger: Corsa mit 1.2-Liter-Motor. Laute Musik übertönt die träge dröhnenden Motor und zu schnell kann man auch nicht fahren.

Tausche Sprit gegen Lärm

Während ich im Corsa mit dem Fuß die Lautstärke dieses Vierzylinders irgendwo zwischen laut und nervtötend einzupegeln versuchte – denn außer der Lautstärke und dem Nervtötungsgrad regelt man mit dem Gaspedal sonst nichts – dachte ich so darüber nach, welches wohl der anstrengendste Motor gewesen sei, den ich bis heute gefahren bin. Es muss wohl der Motor im Lancia Ypsilon gewesen sein, ebenfalls mit 1,2 Litern Hubraum gesegnet, mit gerade einmal 8 Ventilen ausgestattet aber noch ein echter Anachronist.

Doch auch auf die Gefahr hin, dass mir mein Gedächtnis einen Gefallen tun wollte und diese schlechte Erinnerung radikal ausgelöscht hat, bin ich der Meinung, dass selbst dieser Achtventiler noch spritziger und unterhaltsamer zu bewegen war, als der sich durch Arbeitsverweigerung auszeichnende Corsa-Motor, der sich laut dröhnend jeglicher Aufforderung zum Vortrieb zu verwehren versuchte. Vielleicht stimmte auch einfach irgendetwas nicht und 100 der theoretisch vorhandenen 115 Newtonmeter wollten bei der Anmietung nicht mit an Bord. Immerhin war man bei Opel schlau genug, eine Head Unit mit Android Auto und Apple CarPlay Unterstützung einzubauen, um sich wenigstens eine daimlereske Naviblamage zu ersparen. Sicher, man kann vielleicht nicht immer den besten Motor oder das beste Navi zum kleinen Preis anbieten. Aber einfach etwas, das nur so’n bisschen Kagge ist, das wäre doch was.

Upselling durch Folter

Nehmen wir BMW. Auch wenn die einfachen Sitze in Sachen Komfort und Seitenhalt mit einer Bierbank gleichziehen, verbauen die Münchner mit der „kleinen“ Navioption immerhin etwas, das seinen Namen verdient hat. Sicher, man hat ständig das komplette Panel des großen Systems vor Augen, in welchem sich klitzeklein das Display der Einstiegsvariante versteckt. So führt es Dir geschickt vor Augen, dass Du Geizkragen mit dem richtigen Hakerl auch ein schönes, großes Display hättest haben können. Und wenn schon. Der springende Punkt ist: das Ding funktioniert trotzdem so, wie ich es von einem Navi erwarte. Es berechnet eine Route und liefert mir das Ergebnis dieser Berechnung sogar noch bevor ich am Ziel angekommen bin.

Vielleicht steckt hinter all dem der Upselling-Gedanke: ein Kunde, der mal das große Navi oder den gescheiten Motor gefahren ist und dann im Vorführer mit dem einfachen System oder dem kleinen Motor sitzt, lässt wohl schnell ein paar Euro mehr beim Händler. Hätte ich das Zeug allerdings gekauft – ich sag es ganz offen – ich wäre reichlich angefressen. Natürlich macht dieses Navi aus der C-Klasse kein schlechtes Auto und der Motor mag im Corsa vielleicht auch irgendwo in irgendwelchen Fällen seinen Zweck erfüllen. Das Geschmäckle bleibt dennoch.

Förderung der Mensch-Maschine-Kommunikation

Das wissen die Hersteller wohl auch selbst und setzen uns Autobloggern und Motorjournalisten in aller Regel nur Testwagen vor, die bis an die Zähne ausgestattet sind. Ich stelle mir gerade eine Mercedes-Fahrveranstaltung vor, auf welcher sich über den bezahlten Wein im bezahlten Fünf-Sterne-Hotel beschwerende Journalisten, die schon mal mit einfachem von A-nach-B-Fahren überfordert sind, in einem mit Garmin-System ausgestatteten Testwagen durch’s spanische Hinterland bewegen. In meiner Fantasie spielen sich dort sehr unterhaltsame Szenen ab.

Andererseits, einen Vorteil hat solch ein Navi ja schon: es weckt Erinnerungen an Tage, als man sich noch mit dem Karten lesenden Navigator auf dem Beifahrersitz gestritten hat. Vielleicht war das ja auch Absicht. Für mehr Kommunikation zwischen Mensch und Maschine. Zumindest in Hinblick auf die Disziplin „Entnervt den Navigator anbrüllen“ ging diese kommunikationsfördernde Strategie auf.

Text: sb
Fotos: Werk


Autor Sebastian

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

2 Kommentare

  1. Clemens Gleich

    Ich bin den 1.2er-Motor glaub ich im Äddäm gefahren. Dort kürzer übersetzt fährt das Ding zackig an und dann kommt bis zum Ende des Drehzahlmessers nix mehr außer heiße Luft. Für die Stadt ging das. Überland zäh.

    Ich freu mich auch immer über Fahrten in Mietwagen, weil in den Pressefuhrparks fast nie die Basisausstattungen stehen. Man kann sie also von Herstellerseite nicht zum Vergleich heranziehen.

    • passiondrivingblog

      Weiß schon gar nicht mehr, wie es mit dem Anfahren war. Meiner hatte auch noch das Doppelkupplungsgetriebe drin, das halt auch nicht so gut war..

      Die Mietwagen öffnen einem tatsächlich die Augen. Und ich bin daran ja auch selbst schuld: ich will ja immer die dicken Kisten mit den schnellen Motoren fahren.

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