Das ist er also, Audis neues Flagschiff, das „Signature Modell“, wie es die Ingolstädter selbst nennen. Der neue Audi A8 feierte gestern in Barcelona Weltpremiere. Und gleich vorweg: mit dem Design werde ich mich erst gar nicht groß beschäftigen. Da werden wieder Unkenrufe kommen, Bankrotterklärung werden sie schreien. Wir konzentrieren uns hier dagegen dann lieber gemeinsam auf die wichtigen Dinge..
Tatsächlich muss man sagen, ist es mit dem neuen A8 eine Art Aufbruch in eine neue Welt. Was von außen vielleicht mehr nach Evolution ausschaut, ist gerade im Cockpit und unter dem Blechkleid schon mehr eine Revolution. Nein, dieser A8 ist kein Elektroauto und es gibt auch keine Carbonbestandteile in der Rohkarosse. Dafür ist erstmals in einem Serienfahrzeug ein LIDAR-System (Light bzw. Laser Detection And Ranging) an Bord, welches hilft, autonomes Fahren auf Level 3 zu ermöglichen (und damit ebenfalls das erste Serienfahrzeug in diesem Feld). Außerdem denkt erstmals ein Autohersteller das Thema Human Machine Interface radikal neu und verzichtet nahezu vollständig auf mechanische Taster und Schalter, ohne einfach nur alles in dutzenden undurchsichtigen Menüstrukturen eines Infotainments zu verstecken.
Von außen wenig neues
Doch eines nach dem andern. Einfach weil sich’s so gehört, arbeiten wir uns langsam von außen nach innen durch. Ein paar Worte zum Blechkleid werde also auch ich verlieren, bevor wir uns den wirklichen Innovationen widmen. Nein, innovativ ist das Äußere höchstens bedingt. Der Single-Frame nun dreidimensional und noch mehr Frontfläche einnehmend, die Schulter nun sehr viel prägnanter, aber auch deutlich tiefer, die Heckscheibe länger gestreckt. Das alles sorgt dafür, dass der A8 etwas coupéhafter und flacher wirkt, obwohl er hinten mehr Kopffreiheit bietet, als sein Vorgänger.
Ein wenig schade ist, dass Audi die Chancen des Prolog Konzeptes ein wenig verschenkt. Der A8 steht irgendwo zwischen Vorgänger und Prolog. Nicht mehr ganz so wuchtig und staatsmännisch, wie der Vorgänger, aber bei weitem auch nicht so sportlich und aggressiv, wie die Studie und damit auch etwas: nichtssagend. Sicherlich ist ein Auto, das Vorwiegend von Vorständen und Personen 50+ gekauft wird wohl kein guter Versuchsballoon, um allzu mutige Designschritte zu gehen. Doch etwas mehr Mut hätte ihm dennoch gut getan. Immerhin gefällt vor allem das Heck: dort zieht sich eine markante Lichtleiste über die gesamte Breite und verbindet beide Rückleuchten miteinander. Natürlich alles OLED-beleuchtet.
Digitale Klaviatur im Wohnzimmer
Wichtiger ist, was sich im Wohnzimmer abspielt: mechanische Taster und Schalter gibt es nahezu keine mehr. Das fängt bei den Reglern für die Lüftungsdüsen an, über welche nun gewischt wird, was wiederum das bekannte Audi-Klickgeräusch als akustisches Feedback auslöst. Wird eine Lüftungsdüse deaktiviert, wird die entsprechende Düse sehr aufwändig mechanisch hinter eine Blende gefahren und versteckt. Es geht weiter mit den Türöffnern, welche nun nicht mehr mechanisch sind, sondern einen Impuls zur Türöffnung auslösen. Ob das praktisch betrachtet wirklich so toll ist, wird sich noch zeigen müssen. Dahinter steckt allerdings ein Sicherheitsfeature: nähert sich ein Fahrradfahrer an, lässt sich die Türe nicht kurzzeitig nicht öffnen. Und das alles mündet in den drei großen und prominenten zentralen Displays: das Virtual Cockpit für den Fahrer, das MMI mittig im Dashboard und das darunter befindliche Zusatzdisplay, welches das MMI erweitert.
Der Clou: beide Displays sind ducksensitiv und geben haptisches Feedback, wie man es vom iPhone kennt. Per Wischgesten wird navigiert, eine einfache Touch-Berührung macht sich höchstens durch ein animiertes UI-Element bemerkbar, löst jedoch nichts aus. Erst mit etwas mehr Druck auf’s Display wird dann tatsächlich eine Aktion ausgelöst und durch ein haptisches Feedback, einer kurzen Vibration, bestätigt. Das fühlt sich nicht nur gut an, es hilft auch, dass ständige „Vertipper“ während der Fahrt kaum noch ein Problem sein dürften. Denn statt nun auf Glück perfekt treffen zu müssen, reicht es, den Finger abzulegen und bis zum gewünschten Element zu rutschen, um erst mit etwas Druck die gewünschte Aktion durchzuführen.
Dazu hat Audi das gesamte User Interface des MMI komplett neu gedacht. Zumindest weitestgehend. Neue Menüstrukturen, alles fühlt sich sehr nach Smartphone-Betriebssystem an und ist großzügig konfigurierbar. Auch für eine einfache Anpassung der Klimaeinstellungen muss nicht erst durch 2-3 Menüs navigiert werden, sie sind einfach nahezu permanent auf dem unteren Display untergebracht, ebenso wie die Steuerung des Audi drive select, Spurhalteassistenten etc. Lediglich zur Texteingabe, beispielsweise während der Zielsuche, wandelt sich das untere Display in eine große Schreibfläche, auf welcher man, den Arm auf dem Schaltknauf ruhend, recht zügig und komplett in einem durch ganze Wörter schreiben kann. Geht der Platz aus, kann man direkt von links weiterschreiben und seine bereits geschriebenen Buchstaben „überschreiben“. Das System fügt alles ins gewünsche Wort zusammen. Das funktioniert beeindruckend gut. Außerdem ist die Suche und Zieleingabe nun endlich eine Volltextsuche, die ausreichend „fuzzy“ ist und damit eine gewisse Ungenauigkeit zulässt und auch mit Schreibfehlern entsprechende Ergebnisse liefert. Letzteres kennen wir so auch bereits aus der neuesten Sensus Touch Lösung von Volvo.
Die Displays sind perfekt in den Innenraum integriert, durch den sich eine große, klavierlack-schwarze Zierleiste zieht. Wo eines der Displays aufhört, wo eins beginnt, lässt sich kaum ausmachen. Das sieht in jedem Fall gelungener aus, als die beiden plump hingestellten Displays in der S- oder E-Klasse. Nachteil: Klavierlack und Displays sind echte Fettfingermagneten. Toyota hat das mit einem leicht mattierten Display im C-HR deutlich besser hingekriegt, sieht aber natürlich nicht so chic aus, wie diese große, schwarze Fläche im A8.
Chauffeurslimousine für Generation Smartphone
Im Fond gibt es für Passagiere, insbesondere, wenn der A8 für den Chauffeur-Einsatz konfiguriert ist, alle Annehmlichkeiten, die man sich nur wünschen kann. Separate, beheizbare und klimatisierbare Massage-Liegesitze, optional eine Fußmassage und natürlich auch das Audi Tablet, das wir bereits aus dem Q7 kennen. Noch spannender allerdings ist das kleine Gerät in der Mittelkonsole im Fond. Das hat in etwa den Formfaktor eines Smartphones und erlaubt mit einem sehr gelungenen und schnell reagierenden User Interface die Steuerung eines großen Teiles aller nicht fahrrelevanten Fahrzeugfunktionen: Beleuchtung, Infotainment, Klimatisierung und und und. Das Gerät lässt sich zudem aus seiner Halterung herausnehmen. Feines Detail: über einen Sensor erkennt das Gerät, wenn man es wieder in seine Halterung stecken möchte und reagiert in diesem Moment nicht mehr auf Touch-Eingaben, um so versehentliche Fehleingaben zu vermeiden.
Autonom auf Level 3
Das nächste wichtige Highlight ist das, was nun unter dem Label „Audi AI“ vermarktet wird. AI steht dabei nicht für Artificial Intelligence, sondern „Autonomous Intelligence“. Whatever. Dahinter verbirgen sich Funktionen, wie das autonome Einparken und viel wichtiger: der „Traffic Jam Pilot“. Pilot, nicht Assist. Das ist der springende Punkt. Assistenten dieser Art für den Stau kennen wir bereits. Audi geht nun aber im A8 eine Stufe weiter und bietet komplett autonomes Staupilotieren an. Es sind keine Berührungen mit dem Lenkrad mehr nötig, kein manuell ausgelöstes Anfahren nach 3 Sekunden, nichts. Der A8 übernimmt im Stau bis 60 km/h (und bei einem vorausfahrenden Fahrzeug) komplett selbstständig und entlässt den Fahrer aus der Verantwortung.
Das Risiko trägt dabei Audi, allerdings nicht ohne sich abzusichern: ein Data Recorder hält permanent alle Daten der letzten 30 Sekunden Fahrt vor, um im Zweifelsfall eine Situation eindeutig klären zu können. Und Daten fallen bei den verbauten Sensoren eine Menge an: LIDAR in der Front, MobilEye Mono-Kamera (dank LIDAR kann man auf die Stereo-Kamera verzichten), Kameras rundum, Mid-Range-Radar an den Seiten, um nur die wichtigsten zu nennen. Fährt der A8 in einen Stau und kann den Job übernehmen, wird der Fahrer informiert, muss der Fahrer wieder übernehmen, hat er 10 Sekunden Zeit dazu.
Audi will künftig seine MyAudi Plattform zur zentralen Schnittstelle ausbauen, über welche auch Features im Auto freigeschaltet werden können. Außerdem ist das System an Bord des A8 auch OTA updatefähig. Monatliche Releases wie bei Tesla wird man dennoch nicht erwarten können, die Releasezyklen werden deutlich größer (und vermutlich deutlich intransparenter) sein. Auch ein einfaches Softwareupgrade auf autonomes Fahren der Stufe 4 wird in Zukunft nicht kommen. Laut Audi wird es keine Stufe 4 ohne redundante Bordsysteme geben, was interessant ist. Bosch sagt beispielsweise, für Stufe 4 ist der Fahrer im Zweifelsfall als Redundanzsystem an Bord, erst ab Stufe 5 (z.B. Driverless Cabs) brauche es redundante Bordsysteme. Der eine so, der andere so. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt. Was Audi aber durchaus für vorstellbar hält, sind Verbesserung der Systeme per Update. Etwa, nachdem die Systeme auch durch Felddaten besser „trainiert“ wurden, um die Geschwindigkeitsbereiche in denen die AI-Systeme arbeiten, anheben zu können oder die Regelgüte zu optimieren.
Außen wenig, innen viel, drunter (fast) altbekanntes
Auf dem technologischen Level ist der A8 also tatsächlich ganz vorn dabei. Unter dem Blechkleid hat sich dagegen gar nicht so sehr viel getan. Jeder A8 wird allerdings ein Mild-Hybrid sein, ist also mit einem elektrischen Startermotor ausgestattet. Interessant ist daneben sicher noch das aktive Fahrwerk, welches aktiv je Rad auf Bodenunebenheiten, Schlaglöcher etc. reagiert und diese ausgleicht. Wir kennen ähnliches bereits aus der Mercedes S-Klasse.
Motorenseitig wird Audi mit zwei V6-Motoren, TDI und TFSI, beginnen. Beide 3-Liter-Aggregate kennen wir bereits aus aktuellen Modellen, wie dem A5. Als Top-Motorisierung soll später ein W12 folgen, außerdem eine e-tron Variante. Zu den Preisen ist bisher ebenfalls nichts bekannt, genauso ließ sich nicht in Erfahrung bringen, wieviel der technischen Spielereien in der Basis bereits an Bord sind. Meine Vermutung: das Bedienkonzept wird es in der Form in allen neuen A8 geben. Die Komplexität und der Integrationsgrad sind einfach zu hoch, als das sich eine „einfache“ Non-Touch-Lösung rechnen würde.
Netter Fakt am Rande: während Audi nun den A8 präsentiert hat, wird Mercedes die Modellpflege seiner S-Klasse in zwei Wochen vorstellen. Man darf also gespannt sein, was von dem, was Audi hier nun anbietet, in der S-Klasse eventuell auch schon seinen Weg in die Serie findet. In jedem Fall wird es ein spannender Kampf um die Spitze der Oberklasse-Limousinen.
Text: sb
Fotos: sb/Audi
Disclosure zur Transparenz
Ich wurde von Audi nach Barcelona, Spanien eingeladen. Reisekosten, Verpflegung und Übernachtung wurden von Audi übernommen. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.
3 Kommentare
Super artikel mit tollen fotos … und das audi sieht wirklich TOP aus
wenn ich mich nicht täusche aber A8 hat viel ähnlichkeit mit VW passat ??
Echt geiles Interiour Design, aber auch diese typische Audi Farbe sieht hammer aus, besonders wenn der Lack glänzend poliert und versiegelt ist! So ein Schiffsauto zu pflegen dauert zwar etwas, aber gepflegt sieht er ganz anders aus .