Die gute Nachricht, die sich mit dem Mitsubishi L200 vorab festhalten lässt: Es gibt sie noch, die echten Offroader! Denn zwischen all den SUVs, die deutsche Innenstädte besiedeln, gibt es auch noch die Fahrzeuge, die einen echten Nutzwert im Gelände haben, was aushalten und sich für ernste Arbeit nicht zu fein sind.

Und genau so einer ist der Mitsubishi L200. Es ist noch nicht lange her, da hat Mitsubishi dem Pickup ein umfangreiches Facelift spendiert und ihm damit das neue Markengesicht verpasst. Mitsubishi nennt es „Dynamic Shield“ und es steht ihm richtig gut. War ich früher nie ein ein großer Fan vom L200, habe ich mich während des Tests immer mal wieder dabei erwischt, wie ich vom Küchenfenster auf den Hof geschaut habe, um einen Blick auf das Transformersgesicht des L200 zu erhaschen. Er gefällt und hat damit ein angenehm modernes Auftreten, auch wenn vieles unter dem Blechkleid eher als „Old school cool“ zu bezeichnen ist.

Kein Lifestyle-Spielzeug

Das ist aber natürlich keine Kritik, sondern ganz im Gegenteil. Nicht in jeder Hinsicht ist technischer Fortschritt auch immer ein Zugewinn. Für Softroader, SUVs und Försterkombis mögen moderne, leichte und spritsparende Allradsysteme von großem Nutzen sein. Für einen ernsthaften Geländegänger sind echte mechanische Allradysteme aber meist doch immer noch die beste Wahl. Und genau das kann der L200 alles aufbieten: Hinterradantrieb mit zuschaltbarem Allrad, sperrbarer Hinterachse, sperrbarem Mittendifferenzial und natürlich Untersetzung. Dazu ab Werk vernünftig profilierte Reifen Typ Dunlop Grandtrek AT20 und mit 205 Millimetern ausreichend dimensionierte Bodenfreiheit – fertig ist das Geländepaket.

Das aufwändige Super Select 4WD-II Allradsystem ist ab der mittleren Ausstattungslinie verfügbar und schickt mittels Verteilergetriebe mit integrierter Visco-Kupplung im normalen Allradmodus 60 Prozent der Kraft an die Hinterräder. Außerdem lässt sich die Traktionskontrolle für unterschiedliche Geländebeschaffenheiten (Schotter, Schnee, Sand, Steine) vorkonfigurieren. Wenn es aber hart auf hart kommt, gibt es mit gesperrtem Mittendifferenzial, gesperrten Hinterachsdifferenzial und Untersetzung allerdings kaum etwas, wo sich der L200 nicht vorwärts bewegen könnte. Und falls doch, sind am ehesten noch die Reifen Schuld. Dankbarerweise blieb Mitsubishi auch hier dem Geländefokus treu und hat mit 18 Zöllern zwar immer noch recht große Felgen montiert, trotzdem ist dank des 60er Querschnitts genug Gummi vorhanden, um im Gelände nicht beim kleinsten Stein eine Träne um die Felgen verdrücken zu müssen. Und wenn’s sein muss, lässt er sich bis zu 500 Millimeter tief ins Wasser tauchen. Das ist zwar kein Spitzenwert, reicht aber locker für den Nutzfahrzeugalltag. Und für’s Geländespielzeug würde man ohnehin einen Schnorchel montieren.

Mitsubishi L200 Doppelkabine

Auch sonst ist der L200 als Nutzfahrzeug bestens geeignet: Blattfedern sorgen für eine hohe Zuladung von immerhin knapp 1030 Kilogramm auf der 1,47 (Breite) mal 1,52 Meter (Länge) großen Ladefläche. Dazu können dann noch 3,1 Tonnen gezogen werden. Dank des drehmomentstarken 2,2-Liter-Dieselmotors ist das auch kein Problem. Der Motor ist in seiner Machart ganz klassisch für Nutzfahrzeuge ausgelegt: 400 Nm Drehmoment zwischen 1750 und 2250 Umdrehungen. Viel Kraft, da wo sie gebraucht wird, anstatt einem breiten Drehmomentplateau auf ottoähnlichen Drehzahlniveaus. Damit funktioniert der Diesel aber auch im Alltag erstaunlich gut, dank der 6-Gang-Automatik, die zuverlässig die Gänge sortiert. Sie gehört zweifelsohne nicht zu den schnellsten. Sie lässt sich zwar auch per Schaltwippen bedienen, sie ist aber doch eher zweckdienlich. Und obwohl sich der L200 sogar trotz der Blattfedern auf der Landstraße erstaunlich wohlfühlt, ist es gerade das Automatikgetriebe, das hier wirklich etwas träge agiert und erst am Kurvenausgang Gänge sortiert und damit Vortrieb zulässt.

Mehr als nur ein Nutzfahrzeug

Davon abgesehen muss man dem L200 einen erstaunlich hohen Alltagsznutzen zusprechen, den man von einem solchen Pickup eigentlich nicht erwartet. Sind wir ehrlich: ein Ford Raptor oder auch schon der normale Ranger fahren sich auf der Straße fast wie ein rohes Ei. Die Hinterachse ist permanent aufgrund der ungünstigen Gewichtsverteilung und dem daraus resultierend niedrigen Gripniveau überfordert, sobald mehr als 50 Nm Drehmoment anliegen. Der L200 macht das um einiges Souveräner und fühlt sich auch auf kurvigeren Straßen nicht wie der 2,2-Tonnen schwere Pickup an, der er ist. Nein, er fühlt sich im Grunde genommen fast an, wie ein ganz normaler PKW. Das ist insofern erwähnenswert, weil ich das von Fahrzeugen dieser Kategorie eigentlich überhaupt nicht gewohnt bin, ebenso wenig, wie die doch erstaunlich stabile Bremse, die auch dauerhaft mit der großen Masse wenig Probleme hat.

Auch sonst bringt er alles mit, um den Alltag gut zu meistern: in der TOP-Ausstattungsvariante sind Voll-LED-Scheinwerfer mit zuverlässig funktionierender Fernlichtautomatik an Bord, das zweckmäßige Navigationssystem lässt sich durch Android Auto bzw Apple CarPlay durch eine vernünftige Lösung ersetzen, Lenkrad und Ledersitze sind beheizbar und elektrisch einstellbar und dank SmartKey muss man auch keinen Schlüssel zum Auf-/Zuschließen oder Motorstart aus der Tasche holen. Eine 360°-Kamera erleichtert nicht nur die Fahrten im Gelände, sondern macht es auch einfacher, das 5,30 Meter lange Gefährt mit möglichst wenig Überschuss in Parklücken einzusortieren. Erstaunlich ist aber, dass man sie eigentlich kaum braucht, denn nicht nur für ein Fahrzeug dieser Größe ist der L200 erstaunlich übersichtlich. Darüberhinaus sind Totwinkelwarner, Ausparkassistent (warnt vor Querverkehr), Spurhalteassistent und Auffahrwarnsystem sind ebenso an Bord, wie 2-Zonen-Klimaautomatik, Tempomat (mit Limiterfunktion) und sechs ordentlich klingende Lautsprecher und digitales DAB+-Radio. Kurz: es fehlt einem quasi an nichts.

Kritik lässt sich höchstens für Kleinigkeiten äußern. Den Sitzen fehlt eine Lordosenstütze, so ganz zugfrei ist die Klimaanlage auch nicht einzustellen und das Infotainmentdisplay ist insgesamt immer etwas zu dunkel. Darüberhinaus ist auch die Anmutung und Qualität der Materialien deutlich über Nutzfahrzeugniveau und man fühlt sich so pudelwohl, wie in einem ganz normalen PKW.

Fazit

Der L200 hat alle Qualitäten, die man sich für einen solchen Pickup wünscht. Er ist als Nutztier hervorragend geeignet, macht als Spielzeug im Gelände Spaß und fordert für denn Alltag nahezu keine Kompromisse ein. Alles keine Selbstverständlichkeit in dieser Fahrzeugklasse. Wer möchte, kann den L200 mittels Dachaufbauten sogar zum Camper umbauen. Viel mehr Abenteuer und Nutzfaktor in einem geht eigentlich kaum. Umso mehr erstaunt es, welch seltener Anblick der L200 ist – zumindest hier in der Eifel. Ford Ranger und (erstaunlicherweise) die Mercedes-Benz X-Klasse gehören hier zu den häufigsten Pick Ups, dicht gefolgt vom VW Amarok und vereinzelten Nissan Navara. Einem L200 bin ich hier seit dem Testzeitraum im Mai bis jetzt noch nicht begegnet. Vielleicht schlägt er nicht ausreichend tief in die Lifestyle-Kerbe, wer weiß das schon. Am Preis von rund 45.000 Euro kann es kaum liegen, der ist mehr als konkurrenzfähig und Hand auf’s Herz: welchen seiner Mitbewerber startet man – wie einen Porsche – links vom Lenkrad?

Text: sb
Fotos: sb

Wertung

6.5/10
  • Fahrdynamik: 4
  • Fahrspaß: 6
  • Sound: 3
  • Verarbeitung: 6
  • Komfort: 4
  • Ausstattung: 5
  • Verbrauch: 4
  • Preis/Leistung: 7
  • Persönliche Anziehungskraft: 7
Mein passion:driving Wertungsschlüssel spiegelt meine subjektive Einschätzung des Testwagens in verschiedenen Kategorien wieder. Die fahrdynamischen Qualitäten spielen dabei eine große Rolle. Trotzdem wird ein Auto nur durch Performance keine 10er-Wertung erhalten können. Hier gibt es mehr Informationen zum Wertungssystem.

Technische Daten

Mitsubishi L200 Doppelkabine

Motor-Bauart:
Vierzylinder DOHC Turbodiesel-Direkteinspritzung mit Ladeluftkühlung
Hubraum:
2.268 cm³
Leistung:
110 kW / 150 PS bei 3.500 U/Min
Drehmoment:
400 Nm bei 1.750 – 2.250 U/Min
Höchstgeschwindigkeit:
171 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h)
13.5 Sekunden
Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
8.4 L / 7.5 L / 7.9 L Diesel
Grundpreis Mitsubishi L200 Doppelkabine:
32.743
Testfahrzeugpreis:
45.922
Testverbrauch:
10.44 Liter / 100 km über 1.566 km
Leergewicht:
2.147 kg
Max. Zuladung:
1.036 kg
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
5.305 mm / 1.815 mm / 1.780 mm

Disclosure zur Transparenz

Das Fahrzeug wurde mir freundlicherweise von Mitsubishi für den Test zur Verfügung gestellt. Der Test erfolgte unabhängig. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.

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Autor Sebastian

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

1 Kommentar

  1. Das ist echt ein toller Geländewagen; vor allem lassen sich mit etwas Spielraum noch separate Wünsche erfüllen. Ein rundum gelungenes Paket und gerade in der heutigen Zeit bekommt man online das nötige Zubehör. Tolle Berichte – weiter so!!!

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