April, April, der macht, was er will! Kennen wir. Und so kommt es, dass wir Ende April noch einmal überall Fotos von verschneiten Straßen in unsere Timeline gespült bekommen. Und wer weiß: Klimawandel sei Dank, könnten solche Wetterkapriolen ja vielleicht immer mehr zur Normalität gehören. Was also tun? Die Saisonzulassung beim Sportwagen immer weiter verkürzen? Oder vielleicht einfach einen nehmen, der auch im Schnee noch was kann? So, wie das Jaguar F-Type R AWD Coupé.

405 kW (550 PS) – das ist schon eine Ansage, erst recht, wenn man bei schlüpfrigen Wetterbedingungen unterwegs ist oder – so wie ich – seine Route noch am sonnigen, schönen Plansee startet und dann immer tiefer in die verschneiten Alpen vordringt. Potenzprobleme sind ohnehin nicht gerade das, wofür der F-Type in seiner „R“-Version bekannt wäre, auch nicht auf solch trockenen Kurven rund um das Ufer des Plansee. Dass Gummi jederzeit zu Rauch verarbeitet werden kann, dafür sorgt ein mächtiger, voluminöser 5-Liter-V8. Er sitzt unter der fein gezeichneten, langen Motorhaube und wird von einem Kompressor zusätzlich ordentlich aufgepustet. Damit geht das F-Type R Coupé schneller steil, als jedes HB-Männchen. Der Brite hat nicht nur mächtig Dampf an der Kette, er spricht auch noch so unmittelbar und direkt auf jeden Gasbefehl an, dass man fast meinen könnte, einen konventionellen Sauger zu bewegen, welcher sich gerade in seinem absoluten Drehzahlwohlfühlbereich irgendwo am oberen Ende der Drehzahlskala befindet.

Soll heißen: Haftungsabriss ist im F-Type R Coupé eigentlich eher der Normalzustand, provozieren muss man hier gar nichts. 680 Nm Drehmoment werfen die Hinterachse schon bei jedem kleinsten Gedanken an einen Gasbefehl aus der Bahn. Und genau da kommt nun der Allradantrieb ins Spiel. Wer sich dabei ob der dynamischen Fähigkeiten des Coupé Sorgen macht, darf entspannt aufatmen, denn das Allradsystem ist alles andere als ein Spielverderber. In erster Linie bleibt das F-Type R AWD Coupé das, was es sein sollte: ein Hecktriebler. 100 Prozent des Drehmoments gehen in aller Regel nur an die Hinterachse. Erst, wenn die Lage dort hinten eskaliert, wird die Vorderachse über eine elektronisch gesteuerte Lamellenkupplung dazugeschaltet und mit bis zu 50 Prozent des Drehmoments versorgt. Zusätzlich gibt es weiterhin an der Hinterachse ein elektronisch gesteuertes Sperrdifferenzial und radselektive Bremseingriffe sollen schon im Kurveneingang jegliches Untersteuern im Keim erstickt werden.

Soviel zur Theorie. In der Praxis funktioniert das noch besser, als es sich auf dem Papier liest – zu oft wurde man schon von Allradsystemen enttäuscht (mit Ausnahme vom neuen Ford Focus RS). Beim Anbremsen und Einlenken wird das Heck bereits leicht und steht man erst einmal auf dem Pinsel passiert genau das, was man von einem Hecktriebler erwartet: die Fuhre geht quer! Und dann ziehst Du im lässigen, fein kontrollierbaren Drift um die Ecke – erst jetzt schaltet sich die Vorderachse hinzu – und ziehst sauber, über alle viere kräftig beschleunigend aus der Kurve hinaus. So, muss ein Allradsystem in einem Sportwagen funktionieren!

Während Dich manche Autos, wie der Audi RS 6, völlig planlos am Grenzbereich entlangrutschen lassen, weil Du einfach nicht spürst, was an der Vorderachse gerade Phase ist und was die Regelelektronik als nächstes macht, ab wann nun endlich das dringend benötigte Drehmoment an der Hinterachse ankommt, um Dich in Deinem querdynamischen Vorhaben zu unterstützen, ist hier im F-Type alles planbar, vorhersehbar. Wo man den RS 6 erst regelrecht überfahren muss, um endlich genug Drehmoment nach hinten zu bekommen, ist es beim F-Type die ganze Zeit bereits genau dort. Der Ausfallschritt kommt zwar heftig und schnell, lässt sich dann aber wunderbar kontrollieren und in einen fein kontrollierten Drift überführen.

Und wie fein Dich das System somit unterstützt, das spürst Du bereits auf trockenen Straßen. Erst recht aber, auf feuchtem Untergrund, während es immer weiter hoch zum Kühtai geht. Gesalzene, feuchte Straßen versprechen schlechtes Gripniveau. Mit Front- und Hecktrieblern gleichermaßen unangenehm. Beim Frontantrieb rennst Du geradeaus, beim Hecktriebler sind schon200 PS zu viel, um noch irgendwie Vortrieb sicherzustellen. Und Allradler? Die meisten Front-Haldexsysteme sind hier einfach tückisch, weil Du längst untersteuernd in der Leitplanke hängst, bevor die Hinterachse sinnvoll unterstützt.

Gerade hier, bei diesen schmierigen, wechselhaften Bedingungen, trumpft der F-Type voll auf. Beim Einlenken hast Du quasi niemals Untersteuern zu befürchten und legst Du Gas an, wird man sofort mit einem seichten Eindrehen belohnt. Gerade hier – und das ist die große Überraschung – lässt sich dieses britische Coupé so filigran bewegen, wie ein edles Präzisionsmesser, während man eine feuchte Kurve nach der nächsten sorgfältig filetiert. Wo das F-Type Coupé auf der Rennstrecke etwas ungehobelt wirkt, bietet er Dir hier alle Freiheiten, um dich fein am Grenzbereich den Berg hinaufzuschlängeln. Und das sogar trotz elektromechanischer Servolenkung, die immer noch überraschend gut mitteilt, wie es um die Haftung der vorderen Räder gestellt ist.

Sicher, wo Licht ist, ist auch Schatten: das ohnehin schon nicht besonders schlanke F-Type R Coupé bekommt mit dem Allradantrieb weitere Pfunde eingeschenkt: 80 Kilogramm kommen für den Allradantrieb dazu. Die daraus resultierenden 1.730 Kilogramm Leergewicht wollen erst einmal dynamisch bewegt werden. Doch die Stärke des F-Type ist seine Zugänglichkeit. Denn man baut zum F-Type innerhalb kürzester Zeit ein Vertrauen auf, wie man es von Fahrzeugen in dieser Leistungsregion nur kaum kennt. Wann und wie er quer geht, hat man im Gefühl, dank Allrad eskaliert die Situation zudem nie völlig und sobald die Hinterachse den Ausfallschritt übt, überzeugt das Coupé mit wunderbarer Beherrschbarkeit. In der Folge kann man es auf einer üblichen Landstraße – und erst recht in den Bergen – mehr brennen lassen, als man sich mit so manchem spitzeren und fahrdynamisch überlegeneren Fahrzeug erlauben und vor allem trauen würde. Erst recht, wenn die Wetterbedingungen irgendwo zwischen trocken, feucht, klatschnass oder komplett verschneit schwanken.

Ebenso gut funktioniert da auch die optionale Keramikbremsanlage. Mit ihren unfassbar großen Scheiben und Bremssätteln die nur gerade eben so in die großen Felgen passen, will die Anlage erst einmal auf Temperatur gebracht sein, bevor sie richtig zupackt. Dann tut sie selbiges aber mit Vehemenz und Konstanz. Kein Fading, kein weiches Pedal, keine nachlassende Bremsleistung – auch nicht bei hartem Einsatz auf der Münchner passion:driving-Hausstrecke.

Alles Gewicht ist ohnehin schnell vergessen, sobald man dieses – wie ich es im Video genannt habe – wohl zornigste Auto der Welt erst einmal aufschreien lässt. Denn dank des Kompressors muss man trotz Aufladung nicht auf Sound verzichten: ohne Turbinenrädchen, welches im Abgastrakt Soundgeschnetzeltes produzieren würde, kann der V8 tönen, wie es kein zweiter tut. Für manche vulgär, für manche „too much“, für andere: einfach nur großartig. Auch nach über einer Woche waren bei mir die Klappen der Abgasanlage auf Durchzug gestellt – dauerhaft. Sicher, er kann auch leise mit geschlossenen Klappen auf der Autobahn daherrollen, doch zu gut klingt dieser fiese, wilde, knatternde V8, als dass man wirklich in Erwägung ziehen würde, den Sound zu reduzieren.

Überhaupt funktioniert er als GT auch ganz prächtig. Lange Distanzen lassen sich verhältnismäßig bequem zurücklegen, wenn auch die Sitze nicht unbedingt für groß gewachsene Menschen perfekt gestaltet sind: die integrierte Kopfstütze beginnt bei mir bereits irgendwo zwischen den Schultern und sorgt dadurch für eine etwas verkrümmte Haltung, die Auflagefläche für die Beine könnte etwas länger sein und allgemein wirkt der Innenraum hier und da etwas nachlässig gestaltet und verarbeitet. Nichtsdestotrotz ist die Kabine des Dschäääg ein Ort, an dem man sich auch über einen längeren Zeitraum gut aufhalten kann. Lediglich das Meridian-Soundsystem stört den Gesamteindruck so massiv, dass man sich lieber einzig und allein auf den Sound aus der vierflutigen Abgasanlage konzentriert – der ist ohnehin kaum zu toppen.

Fazit

Unnötig, noch irgendwelche Worte über die unfassbar schöne Außenhülle zu verlieren: dass das Jaguar F-Type R AWD Coupé zu den wohl schönsten Autos unserer Zeit gehört, sollte jedem klar sein, der nur auch über ein halbwegs funktionierendes Auge verfügt. Fahrdynamisch leidet das Coupé ein wenig unter seinem hohen Gewicht und bleibt damit wohl hinter seinen Möglichkeiten zurück. Das macht aber nichts, denn sein großer Bonus ist die Zugänglichkeit, die das Coupé gerade dank des Allradantriebs vorzuweisen hat: auch wenn andere GTs und Sportwagen auf der Rennstrecke schneller sein mögen, auf der Landstraße punktet der F-Type damit, dass man ihn locker flockig um Serpentinen dirigiert, während man im Konkurrenzsportwagen schweißgebadet schon längst an seine eigenen Grenzen gestoßen ist. So gibt es fahrdynamisch und vom Sound also nichts zu meckern. Nur die Verarbeitung, da war man ein wenig nachlässig. Bei all seinen anderen Werten ist das aber auch schneller vergessen, als man „verflucht lautes Hammerteil“ sagen kann.

Text: sb
Fotos: Lukas Hampe / sb

Wertung

9.0/10
  • Fahrdynamik: 7
  • Fahrspaß: 9
  • Sound: 10
  • Verarbeitung: 4
  • Komfort: 7
  • Ausstattung: 6
  • Verbrauch: 4
  • Preis/Leistung: 7
  • Persönliche Anziehungskraft: 9
Mein passion:driving Wertungsschlüssel spiegelt meine subjektive Einschätzung des Testwagens in verschiedenen Kategorien wieder. Die fahrdynamischen Qualitäten spielen dabei eine große Rolle. Trotzdem wird ein Auto nur durch Performance keine 10er-Wertung erhalten können. Hier gibt es mehr Informationen zum Wertungssystem.

Technische Daten

Jaguar F-Type R AWD Coupé

Motor-Bauart:
5.0 Liter V8 Ottomotor, Roots-Twin-VortexKompressor, strahlgeführte Direkteinspritzung, variable Nockenwellenverstellung
Hubraum:
5.000 cm³
Leistung:
405 kW / 551 PS bei 6.500 U/Min
Drehmoment:
680 Nm bei 3.500 U/Min
Höchstgeschwindigkeit:
318 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h)
4.1 Sekunden
Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
16.2 L / 8.5 L / 11.3 L E10 (ROZ 95)

Grundpreis Jaguar F-Type R AWD Coupé:
113.200
Testfahrzeugpreis:
145.101
Testverbrauch:
16.4 Liter / 100 km über 3.039 km
Leergewicht:
1.730 kg
Max. Zuladung:
420 kg
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
4.470 mm / 1.923 mm / 1.314 mm

Disclosure zur Transparenz

Das Fahrzeug wurde mir freundlicherweise von Jaguar für den Test zur Verfügung gestellt. Der Test erfolgte unabhängig. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.

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Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

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