Mit fettem Getöse und bassigem Beat schneidet die Limousine durch die Landschaft. Hartes Anbremsen in der Spitzkehre, ein früher Tritt aufs Gas wirft das matt-braune Geschoss mit einem Heckschwenk um die Ecke, um dann eine so massive Drehmomentwalze in den Asphalt zu brennen, dass die Fahrbahndecke – zumindest gefühlt – an ihre Belastungsgrenze gebracht wird…
Was da bei Fans des heiligen „M“ für Entrüstungsstürme und auf der Autobahn für Momente der Ratlosigkeit sorgt, ist ein Erdöltanker. Etwas, das in den USA auch bestens als Coal-Roller funktionieren könnte. Downsizing mal anders. Keine 1-Liter-Luftpumpe mit träge ansprechendem Turbolader, sondern 3-Liter-Straight-Six-Power. Massiv unter Druck gesetzt. Dreifach. Weil man in München eben ungern etwas dem Zufall überlässt.
Die heilige Dreifaltigkeit steckt unter der Haube
Dieser BMW M550d xDrive, der die heilige M-Insignie tragen darf, aber – die dreistellige Nummer verrät’s – eben „nur“ ein „M Performance“ Fahrzeug ist, verstößt gegen so viele Glaubensgrundsätze der bajuwarischen Religion. Allrad und dann auch noch ein Diesel. Anhänger des BMW-Glaubens haben es in diesen Tagen schwer, dabei müssten sie sich eigentlich freuen. Denn die Zukunft wird noch herausfordernder, noch langweiliger, frontlastiger, vierzylindriger.
In Anbetracht dieser Umstände ist Freude über diesen großen Diesel durchaus angebracht – zumal, wenn es ein solch feines Exemplar ist: Reihensechszylinder und alleine damit schon das feinste, das dieselakustisch so auf dem Markt zu finden ist. Und die Jünger dürfen frohlocken, die heilige Dreifaltigkeit ist mit an Bord. Drei Turbolader, um in keiner Drehzahlregion den Glauben zu verlieren.
Und tatsächlich, auch als ketzerischer Ungläubiger: Druck ist da, jederzeit. Beim Kickdown setzt sich der M550d massiv in Bewegung. Drescht mit dem Drehmomenthammer auf die Insassen ein, dass im ersten Moment so gar kein Raum dafür bleibt, sich die Frage zu stellen, wie diese Leistung trotz Winterreifen so gut in Vortrieb umgesetzt wird.
Sicher, mit Heckantrieb wär’s unterhaltsamer, aber halt auch nicht so lässig. Weil Du die ganze Zeit damit zu kämpfen hättest, die Fuhre auf der Straße zu halten, wenn die massive Drehmomentwalze zuschlägt und über die Hinterräder herfällt.
Apropos unterhaltsam: die kernig, rauhe und dumpf grollende Akustik des Reihensechser-Selbstzünders ist ein Fest. Der M550d schafft das, was die Konkurrenz nur mit massivem Zusatzaufwand auf die Reihe bekommt: einen Dieselsound, bei dem es Dir die Nackenhaare aufstellt, weil: so schön – wenn Du ihn denn hörst.
Denn blöderweise dachten sich auch die Münchner, einen solchen Zusatzaufwand betreiben zu müssen und gehen Dir mächtig mit monotonem Pseudo-Sound aus der Retorte auf den Zeiger. Keine Ansauggeräuschverstärkung, sondern aktives Motorsound-Synthesizer-Getue über das bordeigene Soundsystem, welches das so schön ehrlich klingende Gegrummel des Selbstzünders in einem matschig-monotonen Etwas ertränkt. In den Genuß des unverfälschten Motorsounds kommt man leider nur im Eco-Modus. Was in etwa so viel Sinn macht wie … naja, es macht eben keinen Sinn.
Alternativ blendest Du den Motorsound halt ganz aus und gibst dem optionalen Bang & Olufsen die Sporen. Das sorgt nämlich wiederum für eine Akustik der Extraklasse. Um genauer zu sein, stellt es (für mein Hörempfinden) alles anderen in den Schatten, das ich auf vier Rädern bisher an Innenraumbeschallung genießen durfte. Überhaupt: Komfort kann er. Großartige Sitze, perfekte Ergonomie dank des weit, sehr weit verstellbaren Lenkrads. (Aufpreispfichtiges) Head-Up-Display, eine (freilich aufpreispflichtige) Armada an Assistenzsystemen und automatisch schließende Soft-Close-Türen – ihr erratet es schon: natürlich auch gegen Aufpreis.
Auf dem Datenblatt schlägt sich der Luxus allerdings im Gewicht nieder: mindestens 1,9 Tonnen stemmt der Bayer, mit passender Ausstattung eher über 2, und ist damit deutlich eingeschränkter in seinen Möglichkeiten, als es die 381 PS vermuten lassen. Sicher, der Vorwärtsdrang ist erheblich, an der Längsdynamik gibt es also keine Zweifel, sodass Gedanken ans Gewicht schnell verfliegen.
Spätestens aber sobald Du das erste Mal tief und spät in eine Kurve hereinbremst, holt Dich die gemeine Fratze des Übergewichts auf den Boden der Tatsachen. Dann schiebt der M550d sein wunderschönes „Frozen Brown“ schneller Richtung Fahrbahnrand, als Du den Allradantrieb zur Rettung der querdynamischen Ehre mit einem beherzten Tritt aufs Gas ins Spiel bringen kannst.
Slow in, fast out – sonst ist die Linie dahin
Willst Du schnell sein, gilt wie so oft das Prinzip: slow in, fast out. Im Kurveneingang nicht übertreiben, dafür frühestmöglich das Gaspedal auf’s Bodenblech nageln, die xDrive-gegebene Traktion nutzen, von der hecklastigen Drehmomenverteilung profitieren und auf einer tsunamiartigen, 740 Nm hohen Drehmomentwelle auf die nächste Kurve zusurfen. Allerdings beeindruckt nicht nur das Drehmoment, sondern auch die ungebremste Drehfreude, die für einen Selbstzünder so völlig untypisch ist, hier aber für jede Menge Fahrspaß sorgt.
Die Achtgangautomatik ist dabei ein guter Partner, feuert auch im manuellen Modus die Gänge schnell durch und reagiert auch flott auf den Befehl, die nächstniedrige Welle einzulegen. Die Lenkung ist zwar nicht besonders mitteilsam und im Sport-Modus mit deutlich zu hohem Lenkwiderstand gesegnet, um ein vermeintlich sportliches Gefühl zu vermitteln, dirigiert das Dickschiff – jawoll, jetzt ist’s raus! – aber dennoch mit überraschender Präzision.
Sportlich kann er also. Sein Gewicht kann er aber nicht ganz so gut kaschieren, wie die ein oder andere Sportlimousine der Konkurrenz, ein gewisser Hang zum Schaukeln ist nicht wegzudiskutieren. Macht aber nichts, denn so richtig wild treibt man es mit ihm nicht. Spätestens nach 10 Minuten geht Dir nämlich das ewig gleichklingende Getöne des Möchtegern-Sounds über die Lautsprecher auf die Nerven, dass Du freiwillig in den Eco-Modus schaltest und das dezente Grummeln des feinen Motors genießt.
Dann, wenn sich die volldigitalen Anzeigen im Monitor des Rundinstrumentes blau färben, bist Du richtig sparsam unterwegs, hilft Dir der zur Effizienzanzeige umgewandelte Drehzahlmesser, Deine Triebe im Zaum zu halten und mit Schnitten von deutlich unter 10 Litern die 381 PS von A nach B zu bringen.
Fazit
Mangelnde Vielseitigkeit ist dem BMW M550d xDrive sicher nicht vorzuwerfen. Lässiger Eco-Hippie, aggressiver Sprinter, eingeschränkter Querdynamiker, kommodes Reiseshuttle oder eben: Wintersportler. Die Palette an Einsatzzwecken, die er abdeckt ist schon erstaunlich. Wer allerdings keinen Schwerpunkt setzt, läuft Gefahr, sich zu verrennen. So ist der M550d nicht unbedingt das Sportpaket, das man ihm zusprechen würde. Er ist auch nicht ganz der Sparfuchs, von dem man zu große Wunder zu erwarten hätte. Und doch: als Reiselimousine mit gewaltiger Längsdynamik und gelegentlichen sportlichen Ambitionen ist er eine echte Ansage – die sich allerdings auch in einem Testwagenpreis von überaus stolzen 102.450 € niederschlägt. Und die Jünger? Die können hier Erlösung finden – ihre Religion aber, wird noch ein paar schwierige Glaubensprüfungen für sie bereithalten.
Text: sb
Fotos: sb
29 Kommentare
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Wow! Sarebbe un sogno per me guidare un giorno una macchina così!!
Una pagina interessante per tutti quelli, che amano tutto a quattro ruote;-)
Saluti da San Leonardo, Lele
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