VW hat neben dem Beetle Cabriolet auch das VW Golf R Cabrio vorgestellt. Da mag man nun denken: “Oha, der 7er Golf ist gerade erst auf dem Markt, der GTI ist noch gar nicht draußen, da kommt er schon als R und dann noch als Cabrio?” Doch weit gefehlt, denn das Golf R Cabrio firmiert noch unter der Typenbezeichnung “1K”, es handelt sich um einen Golf 6.

VW Golf R Cabriolet

Und das mag Verwunderung darüber auslösen, welche Firmen- und Modellpolitischen Gründe es wohl dafür gibt. Über den Sinn und Unsinn dessen mag man sicherlich streiten dürfen. Nicht streitbar ist hingegen die Tatsache, dass mit dem VW Golf R Cabrio das stärkste Cabrio aus Wolfsburg auf die Straße kommt. Ist das nun wichtig? Eher nicht. Zumindest dann nicht, wenn die Leistung von 195 kW (265 PS) allem voran nur eine hübsche Zahl auf dem Papier zu sein scheint.

VW Golf R Cabriolet

Denn wer sich nun freuen sollte “VW Golf R, offen, mit richtig Leistung und Allrad – ist doch super!”, der tappt leider ebenso schnell in die Falle, wie das Golf R Cabrio an der Vorderachse Gummis in Rauch auflöst. Auf den Allrad hat man beim Cabrio nämlich verzichtet. Einerseits, weil das Cabrio ohnehin auf Grund der notwendigen Versteifungen schon gute 70 kg mehr auf die Waage bringt, als der geschlosse Bruder und mit dem Allrad noch weitere 100 kg dazukommen würden. Andererseits aber, weil man – betrachten wir den Fall einmal realistisch – wohl eher nicht den rennstreckenerprobten Fahrdynamiker am Volant des R-Cabrio als Zielgruppe anvisiert hat.

Ungeachtet dessen, ist der Verzicht auf den Allrad dennoch ein Verlust. Denn das Golf R Cabriolet kann weder mit einer so ausgetüftelten Vorderachskonstruktion wie Focus RS oder Megane RS aufwarten, noch mit einer mechanischen Sperre. Stattdessen bemüht sich die XDS getaufte elektronische “Sperre” redlich durch fleißige Bremseingriffe, irgendwie für Traktion zu sorgen und ein williges Einlenkverhalten zu ermöglichen. Liegt wenig Last an, funktioniert das tatsächlich ziemlich gut, das Golf R Cabrio lenkt sehr willig ein, bleibt sehr neutral, zeigt keine Tendenz zum Untersteuern und drängt in schnellen, langen Kurven sogar leicht über die Hinterachse. Legt man aber den Fuß auf den Pinsel, wird aus jeder Kurve eine abrupte Geradeausfahrt und das ESP versucht wild regelnd die Kraft im Zaum zu halten.

VW Golf R Cabriolet

Immerhin: die Antriebseinflüsse an der Lenkung halten sich in Grenzen, lediglich beim Beschleunigen am Kurvenausgang muss man mit kräftiger Hand wieder zur Mittelstellung zurücklenken. Geht man aber im Kurvenscheitelpunkt beherzt auf’s Gas, womöglich sogar bergauf, ist für jeden Verkehrsteilnehmer am weissen Rauch erkennbar: hier ging gerade ein Golf R Cabriolet durch die Kurve. Und das sogar auf nasser Straße.

Nun waren die Testbedingungen sicher nicht optimal: Temperaturen wenige Grad über dem Gefrierpunkt, feuchte Straßen und so möchte nicht ausschließen, dass das VW Golf R Cabriolet sich auf trockener Piste im Sommer besser schlägt. Aber um den Wolfsburger nun auch einmal zu loben: den Sound haben die Ingenieure der R GmbH ganz vorzüglich hinbekommen. Das Knurren des Direkteinspritzers gepaart mit einer Membran, welche tiefe Frequenzen in den Innenraum überträgt, eine hervorragend klingende Auspuffanlage – Hut ab, erstaunlich, was man aus einem Vierzylinder zaubern kann. Dazu spielt das DSG natürlich Hand-in-Hand mit dem kräftigen Motor, an dessen Leistungsfähigkeit kein Zweifel besteht.

VW Golf R Cabriolet Innenraum / Cockpit

Im Innenraum findet sich bewährtes aus dem Golf 6. Das ist nicht schlecht, aber so manches, das man jetzt schon vom Golf 7 kennt, könnte man hier vermissen, wie etwa das hervorragende 8-Zoll-Infotainmentsystem. In der Verarbeitung blieb allerdings hier und da ein zwiespältiger Eindruck, alleine auf Grund des gelegentlichen (nicht ortbaren) Rasselns einzelner Kunststoffteile abhängig von der Motordrehzahl.

VW Golf R Cabriolet Kofferraum

So blieb mir nach wie vor die Frage offen: Was will das VW Golf 6 Cabriolet eigentlich sein? Er ist sicher nicht der Performer, den er nach außen darstellt. Dazu fehlt es ihm, trotz guter Gene, allem voran an der technischen Finesse. Für “Cabrio-Muttis” ist er dann aber doch ein wenig zu viel Sportler. Zu unkontrollierbar seine Kraft, zu straff das auf das Cabrio angepasste Fahrwerk – selbst wenn die adaptiven Dämpfer auf Komfort stehen und selbst, wenn der Wechsel zum Modus “Sport” deutlich spürbar ist. Junges Clientel, dass Frischluftvergnügen mit einem souveränen Leistungspaket genießen möchte, ohne gleich den Kurvenjäger mimen zu wollen? Wohl schon eher. Wobei dem jungen Clientel zumeist aber der hohe Preis von mindestens 43.325 € im Wege stehen könnte und damit auch den meisten Familienvätern als Zweitwagen etwas über’s Budget gehen dürfte. Und dem Golf R Cabrio als Erstauto stehen ein hoher Verbrauch (im Test immerhin 21 Liter, allerdings ein zu kurzes Stück, um damit etwas über den Realverbrauch aussagen zu können) und der kleine Kofferraum von nur 250 Litern entgegen. Aber vielleicht ist das auch gar nicht schlimm, dass ich die Frage nach der Zielgruppe nicht beantworten kann. Denn das VW Golf R Cabriolet baut auf dem 6er Golf auf, ist also im Grunde genommen schon jetzt ein Auslaufmodell und wird sich damit wohl seine Kunden suchen, die einfach ein Cabrio mit einem guten, bärenstarken Motor suchen, weil sie es wollen und können. Der Wille, ein Auto für den Frischluftgenuß zu kaufen, ist ja auch eher selten rational erklärbar und doch macht es uns allen Spaß.VW Golf R Cabriolet

Disclosure: ich wurde von Volkswagen nach Nizza, Frankreich eingeladen, um an der Fahrveranstaltung teilzunehmen. Reisekosten, Unterkunft und Verpflegung wurden von Volkswagen übernommen. Es wurde zu keiner Zeit versucht auf meine freie Meinungsbildung Einfluss zu nehmen und meine persönliche Meinung ist und bleibt meine Meinung, welche in keinster Weise durch Dritte beeinflusst wurde.

Vielen Dank auch an Fabian Meßner von autophorie.de für das Fahrtbild des Golf R Cabrio!

Technische Daten

Volkswagen Golf R Cabriolet

Motor-Bauart:
4-Zylinder Ottomotor TSI mit Benzin-Direkteinspritzung und Turboaufladung
Hubraum:
1.984 cm³
Leistung:
195 kW / 265 PS bei 6.000 U/Min
Drehmoment:
350 Nm bei 2.500 – 5.000 U/Min
Höchstgeschwindigkeit:
250 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h)
6.4 Sekunden
Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
11 L / 6.5 L / 8.2 L Superbenzin (ROZ 95)

Grundpreis Volkswagen Golf R Cabriolet:
43.325
Testfahrzeugpreis:
48.235
Testverbrauch:
21 Liter / 100 km über 35 km
Leergewicht:
1.614 kg
Max. Zuladung:
461 kg
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
4.266 mm / 1.782 mm / 1.405 mm

Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

8 Kommentare

    • Bin da ganz bei dir, ich auch! Wenn ich den Dampfhammer will, nehme ich mir etwas, das auch den Dampfhammer wirklich spielen kann. Und zum Open-Air-Feeling ist der Beetle absolut das bessere und stilvollere Auto!

  1. Habe meinen seit drei Wochen. Eine absolut geile Karre, familien-und alltagstauglich, gelungenes dezentes Design. Überhaupt nicht zu straff abgestimmt wie alle schreiben. Für die Nordschleife viel zu schade, aber das richtige Auto für diejenigen die „Damals“von einem Golf 2 GTI 16V nur träumen konnten.

    • Glückwunsch zum Kauf! 🙂 Dann wünsche ich dir weiterhin viel Spaß und immer knitterfreie Fahrt mit dem neuen Schatz!

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