Beim Besuch im Ford Forschungszentrum ergab sich auch die Gelegenheit, einen Eindruck von den Forschungsaufwänden im Bereich Haptik zu bekommen. Was genau versteht man aber eigentlich unter „Haptik“?

Um auch hier einmal wieder die Wikipedia zu zitieren:

„Als haptische Wahrnehmung (griech.: haptόs „fühlbar“, haptikόs „zum Berühren geeignet“) bezeichnet man das aktive Erfühlen von Größe, Konturen, Oberflächentextur, Gewicht usw. eines Objekts durch Integration aller Hautsinne und der Tiefensensibilität. Die Gesamtheit der haptischen Wahrnehmungen erlaubt es dem Gehirn, mechanische Reize, Temperaturreize und Schmerz zu lokalisieren und zu bewerten.

Die Lehre von der haptischen Wahrnehmung wird als Haptik bezeichnet.“

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Haptische_Wahrnehmung

Im automobilen Bereich bedeutet das letztlich vor allem, dass darunter alles fällt, was die Passagiere insbesondere im Innenraum eines Autos fühlen, spüren und mit den Händen „empfinden“. Ein gutes Beispiel ist hier etwa Audi, welche für die hohe haptische Qualität bekannt sind. Dass insbesondere also Premiumhersteller in einen solchen Bereich enorme Summen investieren, war mir eigentlich klar. Aber ich sollte überrascht werden zu erfahren, an was in diesem Bereich alles bei Ford beispielsweise geforscht wird.

Haptik-Roboter „Ruth“ im Einsatz

Ford Research Haptik-Roboter "Ruth"

Ein wichtiger Baustein beim Thema Haptik ist etwa das Druckgefühl von Knöpfen und Schaltern. Eigens hierfür gibt es einen so genannten Haptik-Roboter (mit Namen „Ruth“). Auf ihm – oder doch ihr? – werden entsprechende Bauteil aus einem Fahrzeug ausgebaut, eingespannt und dann gewissen Tests unterzogen. Dabei kann der Roboter feinsensibel programmiert werden und so unterschiedliche „Bedienungstypen“ simulieren. Wichtig ist aber, dass es sich hierbei nicht um einen funktionalen Test dreht. Der Test soll also nicht herausfinden, bei welcher Druckstärke oder Bewegung Schalter XY noch reagiert, das wird anderweitig getestet. Insbesondere wird hier erforscht, wie exakt sich etwa der Druckpunkt eines Schalters definiert, wie präsize und definiert die Schalterbewegung ist und und und. Dafür ist in „Ruth“ ein Stift mit einem Gummikopf eingespannt, welcher auch eine exakte Rückmeldung an den Computer mit all diesen Daten liefer. Optional kann auch eine Art pneumatisch betriebener Zange eingesetzt werden, um Drehknöpfe zu greifen und zu drehen.

Ford Research Haptik-Roboter "Ruth"

In Kundenstudien wiederum versucht man herauszufinden, was die Kunden als angenehm und präzise empfinden und versucht dann mittels solcher Messungen in Ruth die Haptik der Bauteile in Richtung dieser Referenzdaten zu bringen. Der große Vorteil: es lässt sich in diesen Haptik-Roboter theoretisch jedes Teil einspannen, das sich auch irgendwie aus einem Auto ausbauen lässt. Und so kann man natürlich auch präzise die Teile der Konkurrenz untersuchen.

Die gefühlte Temperatur messen

Ein wertiges Gefühl für den Kunden lässt sich mit dieser Forschung alleine aber noch nicht erreichen. Viel mehr beeindruckt hat mich nämlich die Forschung zum Thema „Kontakttemperatur“. Was das genau ist? Nun, ganz einfach: sucht bei euch im Raum einfach mal einen Schrank oder Tisch, worin sich eine Glasplatte befindet. Fasst nun zuerst das Holz an und anschließend die Glasscheibe. Was stellt ihr fest? Richtig, das Glas fühlt sich deutlich kälter an. Tatsächlich aber hat beides – zumindest sofern es schon einige Zeit in diesem Raum steht – die gleiche Temperatur. Woher kommt dieser Unterschied? Auf Grund unterschiedliche Wärmeleitfähigkeiten, Wärmekapazitäten und vielen Faktoren mehr, reagieren die Temperaturrezeptoren in der Haut unterschiedlich auf solche Materialien. Zusätzlich entzieht Metall etwa einem Finger bei Berührung deutlich mehr Wärme, als zum Beispiel Kunststoff.

Ford Research Kontakttemperatur

Wie also kann man diese unterschiedlichen Temperaturempfindungen nun aber messen, wenn beide Stoffe nominell die gleiche Temperatur haben? Dafür wurde im Ford Forschungszentrum ein Gerät entwickelt, welches solche Oberflächen kurzzeitig impulsartig erwärmt, misst wie viel Temperatur wieder abgegeben wird und mit Hilfe eines physkalischen Rechenmodelles auch die Auswirkungen der Temperaturrezeptoren mit einkalkuliert. Daraus resultiert ein Wert, mit dessen Hilfe sich die „gefühlte Temperatur“ eines Materials einstufen lässt.

Ford Research Kontakttemperaturmessgerät

Wofür ist das nun relevant? Einfaches Beispiel: im Innenraum allerlei Fahrzeuge finden wir immer mehr „metallähnliche“ Zierleisten und Dekorelemente. Das sieht eben hübsch aus. Überall Metall zu verbauen wäre aber teuer und auch in puncto Gewicht nicht besonders effizient. Daher werden Kunststoffe hierfür verwendet und lackiert. Wenn ich nun aber einen Schalter im Innenraum berühre, der aussieht wie Metall, der aber warm ist, fühlt sich das nicht wertig an – man vermutet sofort das Plastik dahinter. Um dem vorzubeugen werden solche Flächen etwa mit Metallpartikeln im Lack besprüht. Um dann eine gute Annäherung an echtes Metall zu finden, kann das Messgerät herangezogen werden. Das wurde von Ford übrigens auch patentiert und wird unter anderem an die Zuliefererindustrie verkauft.

Ford Research Kontakttemperaturmessgerät

In den nächsten Tagen erzähle ich euch dann noch ein wenig über die Themen Car-2-Car-Kommunikation und wie ihr in Zukunft im Stau so richtig entspannen könnt! 🙂

Artikel weiterer Blogger über das Ford Forschungszentrum


Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

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