Herausforderung für Motorjournalisten: schreiben Sie einen Text über den neuen Škoda Superb, ohne die Begriffe “Simply Clever”, “Passat”, “pragmatisch”, “Regenschirm”, “Beinfreiheit”, “Kofferraum”, “Preisvorteil”, “MQB” oder “Premium” zu verwenden. Klingt einfach, ist es aber nicht. Schauen wir mal, was sich daraus machen lässt…

Neuer Škoda Superb L&K 2.0 TSI

Sicher, das Verflechten abgedroschener Phrasen ist im Motorjournalismus fast schon zuhause. So viele “Rennwagen für die Straße” von denen wir schon gelesen haben – unsere Straßen müssten schon längst den “Carfreitag” an der Nordschleife zum Dauerzustand haben. Und doch, so ganz ohne Phrasen geht es nicht immer. Wenn man den Skoda Superb eher als pragmatisches Auto oder als Raumwunder bezeichnet hat, steckte darin doch auch immer etwas mehr, als nur ein Funken Wahrheit. Nur das mit dem stets herbeigetexteten böhmischen Tugenden oder so – das habe ich nicht so ganz verstanden.

Sei’s drum. Platz nehmen in der dritten Generation des Wolfsburger Tschechen, der sich einmal mehr im Konzernregal bedient. Und das nicht nur mehr denn je, sondern auch gleich in den obersten Fächern der einzelnen Regale. Musste Skoda früher mit dem bei VW und Audi ausrangierten Material arbeiten, standen den Entwicklern nun alle Schubladen offen. Nun gut, fast alle. Die wohl wichtigste Komponente ist dabei die MQB-Plattform (Bingo!). In ihrer größten Ausbaustufe sorgt sie für einen gewachsenen Radstand, verkürzte Überhänge und eine neue Motorengeneration – von 88 bis 206 kW werden alle Wünsche erfüllt. Und Euro-6 gibt’s damit auch. Dank feiner Dinge, wie der Zylinderabschaltung an Töpfen 2 und 3 beim 1.4-Liter-Benziner.

Besonders tief hat man in die oberen Fächer der Assistenzsystemregale gegriffen. Adaptiver Tempomat inklusive Stauassistent, welcher bis zum Stillstand herunterbremst und von dort auch wieder anfahren kann, Spurhalteassistent, Fernlichtautomatik, Ausparkassistent (warnt beim Ausparken vor sich annähernden Autos), Totwinkel-Warner und einiges mehr sind an Bord. Sogar beim Infotainment, darf er der hausinternen Konkurrenz eins auswischen: denn während die Ingolstädter groß die Werbetrommel rühren, ab Juni mit dem neuen Q7 das erste Serienfahrzeug mit “Android Auto” zu verkaufen, spielt der Superb eher die Understatement-Karte und kann Android Auto auch. Einfach so. Ohne großes Tamtam. Gut, funktionieren wollte das auf meiner Testfahrt mit zwei aktuellen Android-Geräten zwar nicht, aber irgendwas ist ja immer.

Abstriche muss der Superb auch in Sachen Licht hinnehmen: LED gibt’s höchstens für das Tagfahrlicht, für den Hauptscheinwerfer muss man sich aber mit Xenon-Brennern zufrieden geben, welche immerhin mittels vorgeschobener Schablone eine Art adaptives Fernlicht ermöglichen – wie es der alte Passat bereits konnte (Bingo!). Stattdessen gibt es aber allerlei Komfort-Features (das meiste freilich gegen Aufpreis): beheiz- und belüftbare Sitze vorn, Klimaautomatik auch für’s Fond, WLAN an Bord oder eine per Fußbewegung unter der Stoßstange zu öffnende elektrische Kofferraumklappe, um nur ein paar dieser Features zu nennen.

Achso, fahren kann das Ding natürlich auch. Sogar ganz fein. Dank adaptiver Dämpfung ist außerdem ein angenehmer Spagat zwischen “sportlich” und komfortabel möglich. Die Spreizung ist zwar relativ gut gelungen, auf Sport war für meinen Geschmack die Dämpfung allerdings etwas zu hart und unharmonisch, auf “Comfort” hingegen hatte man hin und wieder das Gefühl, die Dämpfer hätten sich rar gemacht und die Chassis-Balance ganz den Federn überlassen. Was – nun ja – nur bedingt gut funktionieren würde und sich leider manchmal genau so “bedingt gut” anfühlte. Zumindest wenn wir von katastrophal holprigen, südeuropäischen Straßen sprechen. Ich vermute, auf deutschen Bahnen dürfte sich der Superb in dieser Einstellung ganz wunderbar anfühlen.

In Puncto Geräuschdämmung im schön aufgeräumten Innenraum fallen Zugeständnisse auf, welche gemacht werden mussten, um einen gewissen Preisvorteil (Bingo!) zu erarbeiten. Laut und unangenehm ist es damit natürlich nach wie vor zu keiner Zeit, Arbeitsgeräusche von Motor, sowie das Abrollen der Reifen bleiben dem Ohr allerdings weniger vorenthalten, als man es erwartet hätte. Doch das war’s dann schon. Denn ansonsten ist der Innenraum so sauber gearbeitet und von feiner Haptik gesegnet, wie jeder höherpreisigen Konzernbrüder.

Was der Superb in der Motorjournalisten-Erwähnens-Halt-Echte-Autokäufer-Interessierts-Eh-Nicht-Wertung an Federn lässt, holt er aber sowieso spätestens dann wieder rein, wenn man mit 5er & Co. in den Familienurlaub will. Platzverhältnisse im Fond überschaubar, im Kofferraum lässt sich der zu groß gewachsene Schwager (oder die Schwiegermutter) auch nicht unterbringen und das Gepäck allein passt auch nur so mit Ach und Krach ins Gepäckabteil. Probleme, die Superb-Reitern traditionell eher fremd sind. Auf die im Fond zur Verfügung stehende Beinfreiheit (Bingo!) werden bei Ryanair üblicherweise zwei Sitzreihen verbaut. Und den zu groß geratenen Schwager bekommt man mitsamt Schwiegermutter gleich vier mal in den bis zu 1760 Liter fassenden Kofferraum (Bingo!) – mindestens. Von großzügigen Platzverhältnissen konnte sich auch Fabian überzeugen, der die Testfahrt gleich im mit vier Personen voll beladenen Superb angegangen ist.

Und dann wären da ja noch all die schönen Details, welche jeden Skoda so fein machen: Regenschirmfächer in den Türen (Bingo!), USB-Anschlüsse an allen Ecken und Enden (inklusive Verbindung zum Infotainment – überall!), eine 220V-Steckdose im Fond (mit bis zu 150 Watt immerhin genug Leistung, um einen Laptop zu laden), verstellbare Tablet-Halterung für die Kopfstützen und und und. Lassen wir dem Skoda-Propagandaminister nun endgültig das Herz aufgehen und nennen das Kind beim Namen: “Simply Clever” (Bingo!) schimpfen die Tschechen diese kleinen Detaillösungen, die einem den Alltag so versüßen. Und wirklich: davon gibt es ständig welche zu entdecken. Im Kofferraum, in den Türen, im Handschuhfach, im Fond – überall! Ach und zu guter Letzt: hübsch ist er natürlich auch geworden! Den Anzug des Pragmatikers (Bingo…) hat er abgestriffen und darf jetzt mit reichlich Kanten, Sicken, Tornadolinien und anderem Design-Vodoo auf Käuferfang gehen.

Das Phrasenschwein ist nun auch prall gefüllt. Lediglich um das Wort “Premium” konnte ich bisher einen Bogen machen. Das hat auch bei Skoda niemand fallen lassen. Die Ansage war aber dennoch klar: von jetzt an die besten Autos in ihrem jeweiligen Segment zu bauen. Ob das nun Stunk im Konzern bedeutet, oder ob man (trotz der Einordnung in die obere Mittelklasse) sich dennoch seine ganz eigene Nische definiert? Wer weiß. Doch um auch noch diese Motorjournalisten-Phrase nachzureichen: Premium, das kann er. Nur eben nüchterner. Und pragmatischer.

Ein Punkt stand allerdings beim Bjoern und mir zum Thema „Premium“ zur Diskussion: irgendwie fühlt sich der Superb nicht so „dickschiffig“ an, wie andere Premium-Fahrzeuge dieser Klasse. Nicht so satt, nicht so wuchtig. Das lässt sich mit Blick auf das Datenblatt allerdings auch schnell erklären: 1.505 kg Leergewicht (fahrbereit, inkl. Fahrer) bringt er mit dem 2.0 TSI gerade einmal auf die Waage, je nach Motor sogar nur 1.375 kg. Ein echtes Leichtgewicht, das mit diesen Zahlen eher in der Kompaktklasse zuhause wäre…

Und wer nun seinen Bingo-Zettel immer noch nicht komplett abhakeln konnte, der kennt den Superb noch nicht oder hat ihn nicht verstanden. Ersteres lässt sich glücklicherweise ändern. Für letztere gibt es zwar keine Heilung, aber immerhin noch die deutsche Schischi-Premiumklasse mit infotainmentgesteuerten Duftspendern.

Neuer Škoda Superb L&K 2.0 TSI

PS: wer seinen Bingo-Bogen nun mit Fahrberichten der Kollegen komplettieren möchte, bekommt hier noch – quasi als kleines Extra – ein paar Vorlagen:

  • Ärger im VW-Konzern
  • Neue Wertigkeit
  • Sonst nur in der Oberklasse
  • DCC
  • richtig sportlich
  • Eiskratzer im Tankdeckel
  • Designrevolution
  • Tornadolinie

Ausgefüllte Bingo-Bögen dürfen gerne mit Quellennachweisen in den Kommentaren hinterlassen werden 😉

Text: sb
Fotos: sb/Škoda

Technische Daten

Škoda Superb L&K 2.0 TSI

Motor-Bauart:
4-Zylinder-Benzinmotor mit Direkteinspritzung und Abgasturboaufladung,
Hubraum:
1.984 cm³
Leistung:
162 kW / 220 PS bei 6.200 U/Min
Drehmoment:
350 Nm bei 1.500 – 4.400 U/Min
Höchstgeschwindigkeit:
245 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h)
7.0 Sekunden
Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
k.A. L / k.A. L / 6.2 L Superbenzin (ROZ 95)

Testverbrauch:
9.1 Liter / 100 km über 150 km
Leergewicht:
1.505 kg
Max. Zuladung:
620 kg
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
4.861 mm / 1.864 mm / 1.468 mm

Disclosure zur Transparenz

Ich wurde von Skoda Deutschland nach Florenz, Italien eingeladen. Reisekosten, Verpflegung und Übernachtung wurden von Skoda Deutschland übernommen. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.

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Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

32 Kommentare

  1. Der sieht gut aus! Ich hab mir letztes Jahr einen Skoda Roomster gebraucht gekauft. Muss sagen, Skoda hat mich überzeugt!

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