Was in Italien, Österreich oder Großbritannien bereits großflächig eingesetzt wird, galt in Deutschland bisher datenschutzbedingt als undenkbar: Section Control, also die sektorbasierte Überwachung von Straßenabschnitten zur Geschwindigkeitskontrolle. Niedersachsen will nun Vorreiter sein und mit einem Modellversuch starten, um abschnittsbezogene Geschwindigkeitskontrollen auf den Weg zu bringen.
Der große Unterschied zu den bisherigen in Deutschland gängigen Messsystemen ist der, dass mit „Section Control“ nun nicht mehr nur an einem kurzen Punkt die Geschwindigkeit kontrolliert wird, nämlich am Blitzer, sondern über einen mehr oder weniger langen Straßenabschnitt gemessen wird. Das Rechenmodell dahinter ist natürlich einfach, weil physikalische Grundlagen: Strecke/Zeit = Geschwindigkeit. Wer also einen Kilometer in 30 Sekunden zurücklegt, also 33,3 m/s schnell ist, fuhr umgerechnet auf km/h mit 119,88 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit durch den Messbereich.
Wie genau soll das nun aber gemessen werden? Hierzu wird beim Befahren des Messbereiches das Kennzeichen des Fahrzeugs erfasst und gespeichert. Beim Verlassen des Messbereiches wird das Kennzeichen erneut erfasst, abgeglichen, die Durchschnittsgeschwindigkeit ermittelt und bei Bedarf an die zuständige Behörde weitergeleitet.
Persönlich habe ich mit Geschwindigkeitsüberwachung in kritischen Bereichen überhaupt kein Problem. Ich fahre bis heute punktefrei, bin sogar seit 1,5 Jahren überhaupt nicht mehr fotografiert worden und bin der Meinung, dass man es meistens doch selbst in der Hand hat. Bedenken werden allerdings auch von Kritikern aus der Datenschutzperspektive eingebracht. Denn grundsätzlich findet eine verdachtsunabhängige Datenspeicherung statt. Unabhängig davon, ob nun jemand ein Temposünder ist, wird per Generalverdacht jeder Fahrer verdächtigt und erfasst – möglicherweise ein Bruch mit dem Grundrecht auf „informationelle Selbstbestimmung“, der Hauptgrund, warum sich der Bund bisher damit schwer tat, das System einzuführen.
Im Gespräch ist das System bereits seit vielen Jahren immer und immer wieder. Bisher kam es jedoch nie zum Piloten, obwohl von den Befürwortern beeindruckende Zahlen vorgelegt werden: an überwachten Abschnitten soll sich der Verkehrsfluss deutlich verbessert haben – kein Wunder: denn ein konstanteres Geschwindigkeitsniveau sorgt automatisch auch für einen höheren Durchsatz. Die Zahl der Tempoverstöße soll zudem um 30-40 Prozent, die Zahl der Verkehrsunfälle gar um 47 Prozent reduziert worden sein.
Ich selbst kenne diese Dinger vor allem aus Großbritannien: dort wird das „Section Control“-System nicht nur auf den Autobahnen (Motorways), sondern auch auf Landstraßen eingesetzt mit der Folge – so zumindest mein persönlicher Eindruck – dass der Verkehr teils über den gesamten Abschnitt deutlich unter der Höchstgeschwindigkeit rollt. Grundsätzlich würde ich im Hinblick auf so manches Erlebnis auf der Autobahn ein solches System befürworten. Insbesondere in Anbetracht der notorischen Schnellfahrer, die jeden Blitzer kennen und auch nur hierfür das Tempo reduzieren. Versteht mich nicht falsch, ich fahre selbst gerne schnell. Aber Thomas Gigold hat das selbst schonmal wunderbar zusammengefasst: letztlich hat man es selbst in der Hand, ob man geblitzt wird oder nicht.
Grafik: DVR/GWM
Bild: APA-OTS
13 Kommentare
#autoblogger“Section Control” – Niedersachsen plant abschnittsbasierte Geschwindigkeitskontrollen http://t.co/lHQo0nKmCL
Gefällt mir sehr gut!
Niedersachsen plant abschnittsbasierte Geschwindigkeitskontrollen (via @passiondriving) http://t.co/g6XGOcykYd
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Da wäre ich nicht so begeistert. Da kann ich nicht mehr nachweisen, dass etwas nicht stimmt. Und wie das bei Kurven, Spurwechseln usw. korrekt funktionieren soll ist mir nicht so ganz klar…
Das Thema Auto und Regelungen ist bei den Deutschen ja immer schwer… Blitzer sind ja immer nur dazu da, um den armen Autofahrer zu belasten und generell NIE gerechtfertigt. Außerdem war jeder zweite ja nur ein mal im ganzen Jahr zu schnell und dann steht genau da ein Blitzer. Völlig unfair.
Aktueller Stand in Deutschland:
Alle Kennzeichen werden im Rahmen der Maut gescannt, erfasst und nach dem Abgleich gelöscht.
Ich sehe keinen Grund, wieso das bei dem System nicht auch so sein sollte, das nach der Kontrolle eine Löschung erfolgt. Natürlich ist das Thema Bewegungsprofile etc. Problematisch, aber durch das System ändert sich nicht viel im Vergleich zu heute, oder liege ich da falsch?
Das Phänomen, mit den Schleichern, das du ansprichst kann man auch in München vor den festinstallierten Blitzern beobachten (McGraw Graben, Franz Josef Strauß Tunnel), wo 10 bis 15 Km/h unter der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gefahren wird.
Ich denke also, dass das System durch die Durchschnittsmessung deutlich fairer ist und keine großen Nachteile gegenüber der aktuellen Situation hat. Finde das gar nicht schlecht, dass das jetzt mal getestet wird.
Grundsätzlich wollte ich im Artikel nur beide Seiten aufzeigen. Im Allgemeinen bin ich voll bei dir. Wie gesagt: meiner Meinung nach hat es jeder selbst in der Hand bzw. im Fuß…
Das Datenschutzthema ist hier allerdings nochmal etwas anders: bei der Maut werden die Daten erfasst, um eine Mautberechnung zu ermöglichen, bei Section Control werden die Daten erfasst, um Verkehrsdelikte zu erfassen. Wo das eine eine zweckbedingte Datenerfassung ist, steht letzteres unter dem Stern, dass jeder unter einen Generalverdacht gestellt wird.
Aber: grundsätzlich ist das auch „nur“ ein Argument. Selbst sehe ich das nicht so kritisch. Für meinen Geschmack überwiegt vor allem das, was du auch gesagt hast: lieber einen konstanten Fluss und damit einen höheren Durchsatz, als dieses elendige plötzliche Bremsen vor Blitzern, das im dichten Verkehr wieder für solche so genannten Schockwellenstaus sorgt.
Ich find das in deinem Artikel auch sehr gut gemacht, weil er eben neutral auf beide Seiten eingeht. Das vermisse ich bei vielen Äußerungen zu diesen Themen.
Interessant wäre auch die Frage, ob solche Kameratechnik auch verwendet wird, um gestohlene Fahrzeuge zu orten. Soweit ich mich erinnere, habe ich das mal gelesen, dass die Fahrzeuge, die im Rahmen der Maut erfasst werden abgeglichen werden mit solchen Datenbanken. Wenn das der Fall wäre (was ich begrüße), dann wäre der Generalverdacht auch jetzt schon vorhanden… Weil dann jeder Autobahnfahrer ein potentieller Autodieb ist 😉
Interessanter Ansatz, gute Frage das..
Also WIkipedia sieht es als Gefahr an. Das scheint also für PKW nicht der Fall zu sein. In der SVG Infobroschüre steht für LKW aber folgendes:
4.7. Streckendaten von gestohlenen Fahrzeugen
Auf Antrag können Sie sich von Toll Collect Streckendaten eines gestohlenen Lkw geben lassen.
Damit kann möglicherweise festgestellt werden, wohin der Lkw gebracht wurde. Bei den Angaben
handelt es sich allerdings nur um Streckendaten, die im mautpflichtigen Straßennetz erhoben
wurden. Wurde die OBU zerstört oder ist der Lkw nicht mehr auf einer Autobahn gefahren, können
keine Daten geliefert werden. Dieser Service kostet bei Toll Collect 300,– EUR zzgl. MwSt.
Ein Antragsformular finden Sie auf unserer Homepage.
Quelle: http://www.svg.de/fileadmin/svgde/maut/mautbroschuere.pdf
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