Machen wir uns nichts vor: Fahren lässt sich nur durch Fahren erlernen. Möchte man das Fahren im Grenzbereich erlernen, muss man sich in eben diesem bewegen – und manchmal auch darüber hinaus. Doch im Allgemeinen liegt dieser Grenzbereich bei trockenen Straßenbedingungen in einer Region, in welche man sich auf öffentlichen Straßen eher nicht vortasten möchte – alleine zum Wohle aller anderen Verkehrsteilnehmer. Auf der Rennstrecke lässt sich das bereits sehr viel besser bewerkstelligen doch ein Haken bleibt bestehen: der Aufenthalt im Grenzbereich ist mit verhältnismäßig hohen Geschwindigkeiten verbunden und entsprechend risikobehaftet ist dessen Erkundung.
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Zumal dieser Grenzbereich umso weiter oben angesiedelt ist, je höherwertiger das Material ist, mit dem man sich an ihm versucht. Nehmen wir den nagelneuen Porsche 911 Turbo S, MoPf, den 991.2. 580 PS und ein Level an aerodynamischem und mechanischem Grip, der dir beim Einlenken schon den Kiefer aus der Fassung reißen will. Sicher, Grenzbereicherkundung gilt bei Porsches im Allgemeinen, bei Elfern im Speziellen, als verhältnismäßig zugängliches Thema.
Eine Extraladung „Balls“ schadet allerdings nicht, wenn Du Dich der Grenze seines Kamm’schen Kreises wirklich annähern und nicht nur angstschwitzend an selbige denken willst, während du von deinem Geschwindigkeitsempfinden bei jeder Annäherung zurückgepfiffen wirst.
Nun gehören Schnee und Eis nicht gerade zu den von Petrolheads favorisierten Fahrbahnuntergründen, bieten jedoch einen entscheidenden Vorteil: Fahrdynamik in weitaus weniger riskanten Geschwindigkeitsregionen zu erleben. Denn die Grundlagen der Physik gelten hier, ebenso wie auf trockener Straße. Nur ist alles eben ein wenig langsamer, zugänglicher, ungefährlicher. Und genau darauf zielt sie ab, die Porsche Driving Experience, hoch oben, nördlich des Polarkreises in Levi: Dich kleine Erfolge im Kampf mit der Physik feiern lassen, Dir das Gefühl eines Rallyegottes zu vermitteln und dich hier und da trotzdem wieder eiskalt auf den schonungslosen Boden der Realität zurückzuholen – ohne dem Schrotthändler gleich einen kaltverformten Klumpen Altmetall im Wert von 230.000 € zu überlassen.
Fahrdynamik in Zeitlupe – und trotzdem sackschnell
Und da sitzt Du dann im frisch modellgepflegten Porsche 911 Turbo S mit 580 PS, derer es für diese Untergrund eigentlich gute 500 zu viel hat, und stürmst nach vorn, nachdem der Instruktor grünes Licht gegeben hat. Langsam scheint hier aber gar nichts. Erste und zweite Welle sind schnell ausgedreht, aber nicht nur in sinnlosen Schlupf, sondern überraschend heftig in Beschleunigung umgesetzt. Die Reifen mit 4mm-Spikes großzügig überzogen und gerade noch so über die eigentlich viel zu breite Felge gedehnt. Es gibt halt sonst nichts passend spikiges in solchen Dimensionen. Aber sie tun zusammen mit dem Allradantrieb des Turbo S ihr Übriges, dass sich hier nichts, aber auch wirklich gar nichts, nach Kindergarten anfühlt.
Hier noch das fiese Fauchen der unverwechselbaren 911-Turbo-Akustik, kurz darauf das wilde Schnauben des Wastegate, als es in die große Kreisbahn hineingeht. Gas lupfen, einlenken, geduldig warten, bis das Heck eindreht und dann wieder rauf auf den Pinsel. Hat man die richtige Balance gefunden, lässt es sich mit fast geraden bis leicht gegenlenkenden Vorderrädern quasi endlos quer im Kreis fahren. Fahrdynamik zum Anfassen, gespielt als großes Theater im kleinen Rahmen.
Kreisfahrt, olé!
Wie groß diese Kreisbahn ist, lässt sich nur schwer abschätzen, es fehlen hier einfach die Relationen. Doch es reicht, um mit ein bisserl Schlupf die 150 am Tacho stehen zu haben. Hast Du den Dreh erstmal raus, bist du eigentlich schon hier im siebten Himmel und willst den ganzen Tag nichts anderes machen. Im Kreis fahren und glücklich sein. Für außenstehende kaum nachvollziehbar, für uns Petrolheads der Himmel.
Mit ein wenig Kreisfahrerei ist es natürlich aber noch lange nicht getan, denn später geht es auf den Handlingkurs – und was für einen! Eine über 3 Kilometer lange Piste, gespickt mit langen Kurven, engen Kurven, Wechselkurven. Perfekt, um das Heck in einem munteren Tanz im Wechsel von links nach rechts zu werfen. Und dann diese Gerade: die zwei Föhne im Heck stehen voll auf Durchzug, die Lader schaufeln massig Luft in die Töpfe, die Spikes verkrallen sich im Eis und schneller, als man es unter diesen Bedingungen für richtig halten mag, rauscht der Turbo S gen Horizont und du fühlst dich reif für deinen WRC-Einsatz.
Vom „Röhrl-Gefühl“ und dem eisigen Boden der Realität
Bis zur nächsten Kurve, die dich erbarmungslos in die Realität zurückpfeift. Denn so ganz will die Verzögerung nicht zur vorher erlebten Beschleunigung passen, zu sehr ist das Hirn von der Allradspike-gestützten Beschleunigung getäuscht und du suchst den letzten verzweifelten Funken Hoffnung in einem Scandinavian Flick um noch irgendwie Geschwindigkeit abzubauen…
Und während gedanklich die Röhrls, Blomqvists und Loebs dieser Welt links-bremsend mit einem vor die Stirn gehaltenen L an dir und dem von dir in der Schneebarriere abgestellten Elfer vorbeirauschen, greifst Du zum Funkgerät und darfst den demütigsten aller Funksprüche absetzen: „Wir bräuchten da mal einen Cayenne“. Kurz darauf rollt schweres Gerät an – ein GTS muss es da schon sein, eh klar – und befreit dich aus deiner peinlichen Situation.
Doch, auch wenn es nun fast wie eine Entschuldigung klingt: das gehört dazu. Denn wer den Grenzbereich kennenlernen will, muss eben auch mal darüber hinaus. Denn genau das ist der Raum, welchen die Porsche Driving Experience ihren Teilnehmern bietet, den man auf der Straße nicht hätte. Der Raum für Fehler.
Auf uns wartet aber noch ein ganze Menge mehr Möglichkeiten für Fehler: ein Repertoire unterschiedlichster Handlingkurse, Slaloms und einem rechteckigen Kurs, um sich an den perfekten Scandinavian Flick heranzutasten. Mal mit 911 Turbo S, mal mit Carrera 4S, mal mit Carrera S und folglich nur einer angetriebenen Achse. Spätestens hier wird dir vor Augen geführt, wie viel das Auto eigentlich für dich macht und wieviel du, der nervös am Volant dreht, wirklich Herr über das Geschehen bist: Denn der Verstand ist nun fein auf die aberwitzigen Driftwinkel justiert, mit denen Du den Turbo S aus jeder noch so hoffnungslosen Situation retten konntest.
90° Driftwinkel – Kindergarten! Heiß wird es, wenn Du rückwärts Richtung Kurvenausgang schlidderst den Hahn voll aufreißt und: alles gut wird. Mit dieser eher auf Eskalation justierten Grobmotorik stellst Du dich beim Heckantrieb an, wie der letzte, grobmotorische Affe, der schon alles gemacht hat – aber ganz bestimmt kein Autofahren.
Doch apropos Carrera: hier findet auch die erste Kontaktaufnahme (für mich) mit dem neuen, aufgeladenen „Standardelfer“ statt. Ja: akustisch muss man sich mit einem kleinen bisschen weniger zufrieden geben, die Drehfreude vermag ich hier nicht zu beurteilen, doch soviel sei versichert: auch dieses Mal ist es nicht der Untergang des Porscheabendlandes. Der Turbo-Carrera röchelt, hustet, schreit und das in jeder Lebenslage.
So schreiend und Wastegate-zwitschernd geht es dann auch bis in die Nacht hinein – die hier zugegebenermaßen schon reichlich früh beginnt. Und immer mehr stellst du fest, wie nicht nur dein Körper ins Schwitzen kommt. Je dunkler es wird, je mehr du am Lenkrad kurbelst, je weniger Allradig es wird, desto mehr lässt zum Ende die Konzentration nach. Wenn dann zu später Stund keine fließende Runde mehr ohne Cayenne-Hilferufe der mitfahrenden Kollegen möglich ist, wird schließlich endgültig abgewunken. Der Spaß wäre noch da, der Ehrgeiz auch noch. Man würde liebend gern weiterfahren. Tagelang. Doch irgendwann muss ja schließlich mal gut sein.
Porsche Driving Experience – Raum zum Spielen, Lernen, Hoonen
Und gut, das ist sie, die Porsche Driving Experience. Ob nun Porsche-Treiber oder nicht: man lernt hier eine perfekte Lektion im Hinblick auf Physik, technischer Fähigkeiten feinster Sportwagen und des eigenen Könnens. Man hat Raum zum Spielen, Raum zum Lernen und vor allem: Spaß. Jedem, der das nötige Kleingeld zu investieren bereit ist, sei diese Erfahrung ans Herz gelegt. Denn man kommt mit der Gewissheit wieder nach Hause, Autofahren ein wenig mehr verstanden zu haben, vor allem aber auch zu wissen: dass man eben kein Röhrl ist.
Text: sb
Bilder: Porsche
Disclosure zur Transparenz
Ich wurde von Porsche nach Levi, Finnland eingeladen. Reisekosten, Verpflegung und Übernachtung wurden von Porsche übernommen. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.
55 Kommentare
Sascha We Marc Wetzel
Agreed
das müssen wir angehen 😉
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ist natürlich auch eine eher ambitionierte Zielsetzung
Man muss sich ja Ziele setzen! 😉
Wäre ich gerne dabei gewesen ??
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es sieht immer alles einfacher aus, als es ist…aber es macht gehörigen Spaß 😀
Wie immer schön geschrieben 🙂
🙂 Dankeschön
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Geile Bilder und mit Sicherheit eine geniale Erfahrung! I like!
Die Fotografen, die Porsche vor Ort hatte, haben echt grandiose Arbeit geleistet, absolut! Und ja: es war großes Kino und große Emotionen 😀 Wenn man immer wieder im Auto sitzt und laut jubelnd schreit… 😉
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Wie immer sehr gut geschrieben und schön zu lesen! Danke für den Beitrag!