Sind Porsche die besten Sportwagen der Welt? Aus Sicht der meisten 911-Fahrer wird diese Frage mit einem klaren „Ja“ beantwortet. Ganz sicher gehören sie zu den besten der Welt. Denn die Schwaben haben einen außergewöhnlichen Drang zur Perfektion und haben damit ein Sportwagenkonzept, das mit seinem Motor im Heck eigentlich gar nicht funktionieren darf, so gut gemacht, dass es der ganzen Sportwagenelite, die es mit ihren Mittelmotoren vermeintlich richtig macht, zum Teil mehr als deutlich um die Ohren fährt. Diese perfektionistische Prägung hat den Elfer aber nach Ansicht vieler seiner Emotionen beraubt und genau aus diesem Grund fand der Cayman auch immer mehr Zuspruch. Jetzt gibt es den 718 Cayman und es soll sich zeigen, ob er perfekter oder wirklich besser geworden ist.

Porsche 718 Cayman S Carreraweiß

Ob er das – rein äußerlich betrachtet – wirklich wurde, liegt sicherlich im Auge des Betrachters. Es gefällt dass die geschwungenen Formen durch feine Kanten hier und da noch deutlich mehr betont wurden. Dass die Außenspiegel nun auf zwei eleganten Streben sitzen, dass er in Miami Blue zu bestellen ist. Am Heck scheiden sich allerdings doch ein wenig die Geister: die schwarz hinterlegten Rückleuchten, das durchgehend schwarze Band mit seinem aufdringlichen Porsche-Schriftzug. Nein, zurückhalten ist anders, und für den ein oder anderen mag das etwas zu sehr nach Ami-Chic oder Tuningbude aussehen – so erging es mir Anfangs zumindest. Es ist aber, wie es halt immer ist: was man auf Fotos sieht unterscheidet sich meist deutlich von der realen Wahrnehmung. Und da funktioniert das Paket. Wenn auch die grandioseste Ansicht ohnehin das Hinterteil aus seitlicher Perspektive ist. Dieser Hintern ist einfach Carporn pur!

Porsche 718 Cayman S Carreraweiß

Ob das aber über seine anderen Neuerungen hinwegtrösten kann? Denn Porsche hat mit dem 718 Cayman S in der Fangemeinde nun wirklich keinen leichten Start: früher – wie auch der Boxster und alle anderen nicht-Elfer – als Hausfrauenporsche verschrieen, mit dem Cayman GT4 auf dem Zenith seiner Popularität zum absoluten „Driver’s Porsche“ aufgestiegen, wirft er nun eines seiner vermeintlichen Kernmerkmale über Bord und rollt mit einer Luftpumpe an den Start. Doch als wäre der Sprung vom Sauger zum aufgeladenen Motor nicht schon schlimm genug – Elfer-Fans mussten beim 991.2 ja auch schon schlucken – hat man ihn auch gleich noch zweier Zylinder beraubt. Vier Zylinder also. In einem Porsche. Einem Porsche!

Vier Zylinder – und gerade deshalb ein Porsche!

Lassen wir mal außer Acht, dass vier Zylinder eigentlich sehr typisch für Porsche sind und in zahlreichen Modellen Verwendung fanden – vom ersten Porsche, zum Ur-Elfer, bis hin zu Ikonen wie dem 924 oder dem 914 – hat man immerhin die Zylinderanordnung beibehalten und setzt weiterhin auf die Boxer-Bauweise. Doch die Zwangsbeatmung soll es beim neuen nun richten. Und wie sie’s richtet! Denn natürlich hat man in Zuffenhausen etliche Stellhebel in Bewegung gesetzt, um aus dem neuen Triebwerk, das übrigens vom Sechszylinder-Boxer-Turbomotor des 991.2 Carrera (S) abgeleitet ist, alles herauszuholen und keine Zweifel aufkommen zu lassen.

So gibt es im 718 Cayman S, der ohnehin mit dem größeren 2,5-Liter-Motor gesegnet ist – ohne S muss man auch auf 0,5 Liter Hubraum verzichten – einen Turbolader mit variabler Turbinengeometrie, so wie er im 911 Turbo auch zum Einsatz kommt. Das ist an und für sich relativ ungewöhnlich. Denn während VTG-Lader bei Dieselmotoren nahezu zum Standard wurden, sind sie bei Benzinern auf Grund der höheren Abgastemperaturen eine Seltenheit: die Haltbarkeit der verstellbaren Schaufeln ist, gerade auf Grund der hohen thermischen Belastung, keine triviale Angelegenheit. Novum ist auch, dass Porsche beim VTG-Lader zusätzlich ein Wastegate verbaut. Dank dieser Ladertechnik und speziellen Lagern wurde das Ansprechverhalten also schon sehr weit optimiert. Um dem Turboloch aber bei typischer Landstraßenheizerei den Garaus zu machen, haben sich die Entwickler etwas ganz besonderes namens „Dynamic Response“ einfallen lassen.

Es ist Porsches Antwort auf die Frage, wie man Kunden dazu bringen könnte, ein Auto mit Anti-Lag-System zu kaufen, ohne bei jedem zweiten Service neue Kats und Turbolader zu bekommen – die Inspektionskosten wären dann doch ein wenig hoch. Um also den Lader auf Drehzahl zu halten, wird im Sport und SportPlus Modus die Drosselklappe einfach offen gehalten, die Einspritzung unterbrochen, der Zündwinkel zurückgenommen, das Wastegate geschlossen und die Laderschaufeln angeflacht, damit sie trotzdem angeströmt werden. Et voila: Boost on Demand. Wenn Du da in eine Kurve hineinprischst und zum Scheitelpunkt mit dem Gas das Bodenblech massierst, reisst der 718 Cayman sofort an. Nix von größerer Wartezeit, keine Turboloch-Umgewöhnung, die dich dazu zwingt schon vor dem Scheitelpunkt auf’s Gas zu gehen und zu hoffen, dass das Timing stimmt.

Boost is life. Anything before or after is just waiting.

Das fühlt sich im großen 911 Turbo-Dampfhammer zwar dank des Drehmomenteverests noch etwas beeindruckender an, lässt im 718 Cayman aber fast jeden Zweifel am Turbomotor im Nu verfliegen. Umso feiner ist auch die Charakteristik, mit welcher der Motor untenrum – typisch Turbo eben – kräftig antritt, dir einen Surfbrett hinlegt, mit dem du eine feine, große Drehmomentwelle surfst, die auch bei siebentausend kaum abflacht. Drehen kann er zwar – um den vermeintlichen Sauger-Charakter zu unterstreichen – bis 7.500, Sinn macht das ganze allerdings nur so wirklich bis knapp unter sieben. Dann greifst Du zum Schalthebel und wirfst die nächste Welle ein – oder überlässt den Job wahlweise dem PDK. Und auch dann hält er dir den Ladedruck aufrecht, damit Du die nächste Welle sofort ausreitest, ohne auf Druck warten zu müssen. Ganz gemäß Steve McQueen: „Boost is life. Anything before or after is just waiting.“

Ungefähr so grandios wie der Motor arbeitet, fährt sich der 718 Cayman auch generell. Da ist alleine schon dieses ganz besondere Porsche-Gefühl, dass das gesamte Auto funktioniert und wirkt, wie eine Verlängerung der Nervenbahnen. Wo Du Motor, Getriebe und Fahrwerk spürst, als wären Sie dir unmittelbar an den Körper angeflanscht – auch wenn die Lenkung hier ein wenig auszunehmen ist. Dank ihrer etwas direkteren und progressiven Übersetzung schiebt sie den Vorderwagen aber mindestens ebenso unbarmherzig in die Kurven, wie die 330 Milimeter großen Scheiben die ganze Fuhre verzögern. Erst spät deutet sich eine leichte Tendenz zum Untersteuern an, dann, wenn die StVO ohnehin schon mehr als ausgereizt ist. Optional gibt es natürlich allerlei Extras, um die fahrdynamischen Talente auf ein Höchstmaß aufzurüsten: Keramikbremsen, Fahrwerk mit adaptiven Dämpfern (PASM) und neuerdings auch ein PASM-Sportfahrwerk, welches nochmals 20 Milimeter tiefer legt. Dazu gibt’s natürlich auch das alt bekannte Sport Chrono Paket und sonstige Extras noch und nöcher.

Eines davon ist die elektronische Quersperre mit Torque Vectoring Funktion. 420 Nm sollten mit der Hinterachse leichtes Spiel haben? Falsch geraten. Denn dank dieser Quersperre glänzt die Hinterachse mit unfassbarer Traktion. Vereinzelte Drifts hier und da sind schon machbar, aber ein wirklich bewegliches Spielzeug, mit dem du als Fahrer jederzeit zwischen Grenzbereichserkundung und kontrollierter -übertretung wählen kannst, ist der 718 Cayman damit nicht mehr. Fraglos: ich habe während meiner Testfahrt mehr als nur einmal die Mundwinkel bis zum Anschlag zu den Ohren hochgezogen. Denn wenn du den Cayman bei den Hörnern packst, ist es ein unfassbar unterhaltsames Gerät und gibt dir in dem Moment alles, was du dir als Fahrer wünschst. Doch diese Fahrspaßebene war bisher deutlich zugänglicher – auch innerhalb des Rahmens der StVO.

Fazit

Und das ist ein wenig schade. Denn damit ist der 718 Cayman S wieder deutlich mehr am 911, als es den Cayman-Fans lieb wäre. Sicher, fahrdynamisch darf man sich freuen, den „kleinen“ so nah am großen Bruder zu sehen. Für das, als was der Cayman zuletzt zu verstehen war, als den etwas puristischeren Fahrer-Porsche, den man auch mal in Bewegung bringt, ohne gleich Knocking-on-Heaven’s-Door-artig ans Limit zu gehen, ist er inzwischen ein wenig zu perfekt, etwas zu humorlos geworden. Sicher, man gab sich größte Mühe, den Vierender auch akustisch fein dastehen zu lassen – was größtenteils auch geglück ist. Er ist schneller geworden, aber eben vor allem auch: effizenter. Und das heißt immer automatisch auch: ein wenig spaßbefreiter. Ist er damit schlechter geworden? Keineswegs! Der Porsche 718 Cayman S ist der wohl beste Einstieg, den man sich in die Porsche-Welt wünschen kann. Und wenn es nun vielleicht auch ein wenig schwieriger wird, sein Potenzial auf der Landstraße voll auszuschöpfen: umso mehr lässt sich dieses Potenzial auf der Rennstrecke erkunden.

Text: sb
Fotos: sb

Technische Daten

Porsche 718 Cayman S

Motor-Bauart:
Boxermotor mit Turbo-Aufladung, VarioCam, Trockensumpfschmierung, VTG-Aufladung und Direkteinspritzung
Hubraum:
2.497 cm³
Leistung:
257 kW / 350 PS bei 6.500 U/Min
Drehmoment:
420 Nm bei 1.900 – 4.500 U/Min
Höchstgeschwindigkeit:
285 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h)
4.2 Sekunden
Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
10.7 L / 6.5 L / 8.1 L SuperPlus (ROZ 98)

Grundpreis Porsche 718 Cayman S:
64.118
Leergewicht:
1.335 kg
Max. Zuladung:
310 kg
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
4.379 mm / 1.801 mm / 1.284 mm

Disclosure zur Transparenz

Ich wurde von Porsche nach Malmö, Schweden eingeladen. Reisekosten, Verpflegung und Übernachtung wurden von Porsche übernommen. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.


Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

18 Kommentare

Schreibe einen Kommentar