Eigentlich habe ich mich bisher in der Diskussion rund um das Tempolimit an der Nordschleife eher zurückgehalten. Solange so – vorerst – weiter Motorsport stattfinden kann, warum nicht? Und es betrifft ja ohnehin nur die Rennveranstaltungen. Das dachten wir zumindest bisher. Jetzt scheint der Besitzer des Nürburgrings das Tempolimit nämlich auf alle Veranstaltungen anzuwenden – und zu überwachen!

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Gehen wir aber noch einmal ein paar Schritte zurück. Nach dem tragischen Unfall von Jann Mardenborough am Flugplatz, bei dem ein Zuschauer ums Leben kam, wurde an mehreren Streckenabschnitten, die als gefährlich eingestuft wurden, Tempolimits errichtet. An und für sich nichts komplett neues: im Touristenfahrerverkehr herrscht eigentlich ein Tempolimit von 50 km/h im Bereich der Zufahrt Breidscheid, um das Risiko zu minimieren, falls dort Fahrzeuge die Nordschleife befahren oder verlassen wollen – was übrigens nur Jahreskartenbesitzer dort können. Ich sage bewusst „eigentlich“, denn erstens hält sich kaum jemand an das Limit, zweitens wird es nicht mit Hilfe von Kontrollen oder ähnlichem durchgesetzt.

Tempolimit auf der Nordschleife – nichts komplett neues

Bei den nach dem Unfall eingeführten Tempolimits (Dale von bridgetogantry.com hat die hier einmal schön übersichtlich auf eine Karte gebracht), die freilich nach einhelliger Auffassung nur für den Rennbetrieb gelten, gab es natürlich strikte Kontrollen. Soweit, so schön. Ich persönlich konnte mich damit arrangieren. Ist ja nur eine temporäre Lösung. Und auch wenn ich kein Freund der GT3 Renner bin und dem massiven über Ecken verschleierten Werksaufgebot der Hersteller, das den Breitensport immer mehr zerfrisst, sehr kritisch gegenüberstehe, muss man eingestehen, dass es gerade diese Fahrzeuge sind, welche die Zuschauer und damit das Geld in die Eifel locken (wenn auch nicht so viele, wie es der ADAC sich zum 24h-Rennen gerne zusammenreimt).

Ich habe also tatsächlich Vertrauen in die Sache gesteckt, dass da bald eine sinnvolle Lösung gefunden wird. GT3 weg, her mit den GT4 vielleicht. Egal, viele Ideen gibt’s ja. Dass nun das Tempolimit auf ALLE ausgeweitet wird, hatte ich (und eigentlich auch sonst niemand) natürlich nicht in diese Rechnung mit aufgenommen. So gibt es nun aber Berichte, dass die Tempolimits auch im Rahmen von Trackdays erzwungen wurden. Einen solchen Bericht nennt einerseits Wilhelm Hahne von Motor-Kritik, als auch Dale bei sich im Blog. Nachdem wohl bei mehreren Briefings die Teilnehmer explizit vor den Tempolimits gewarnt wurden, kam es im Rahmen des GranTurismo-Nürburgring-Events, einem Fahrerlehrgang, wohl sogar zur Unterbrechnung mit roten Flaggen. Ein Teilnehmer soll auf der Döttinger Höhe mit 280 km/h (30 über dem Limit) gemessen worden sein. Für ca. 25 Minuten mussten alle Autos ruhen.

25 Minuten Unterbrechung, weil ein Fahrerlehrgangsteilnehmer mit 280 km/h gemessen wurde

Ähnliches berichtet auch die Sport Auto. Im Kommentar auf Seite 22 der Ausgabe 07/2015 schreibt Marcus Schurig, dass Tempolimits nun auch für die Industrie und die Sport Auto gelten. Das heißt, auch im Rahmen der Supertest-Runde ist es der Sport Auto verwehrt, volles Tempo zu fahren. Die Industrie kann nicht mehr vernünftig testen, Hersteller können keine Rekordrunden mehr fahren, die Sport Auto keine echten Rundenzeiten mehr ermitteln. Es scheint nun also, dass dieses Limit für Trackdays, Fahrerlehrgänge, den Industrie-Pool und vielleicht sogar Touristenfahrten gilt.

Sicher, damit man die Limits wirklich knacken kann, benötigt es schon ein wirklich schnelles Auto. 250 km/h am Schwedenkreuz sind aber durchaus mit bezahlbaren, flotten Straßenfahrzeugen (und ausreichend großen Eiern) drin. Und überhaupt: warum darf eine vom DMSB verfasste Richtlinie auf ganz normale Straßenfahrzeuge ausgeweitet werden? Die Antwort gibt Dale ganz kurz, knapp und präzise: weil die Nordschleife nun in privater Hand ist. Eine der größten Sorgen aller Verkaufskritiker war seit jeher: das Risiko, dass auf der Nordschleife tödliche Unfälle passieren, ist für einen privaten Besitzer auf Dauer untragbar – die Nordschleife kann darunter leiden und wird im schlimmsten Fall eingebremst, umgebaut oder sonst wie entfremdet. Der Eigentümer sorgt sich vor dem Risiko, dass Todesfälle, die tragischerweise auf der Nordschleife seit jeher dazugehören, auf ihn zurückfallen.

Nach dem Verkauf an einen russischen Oligarchen, ist das übrigens schon der zweite Punkt auf der Worst-Case-Liste der Verkaufskritiker, welcher inzwischen eingetreten ist. Soviel ist sicher: um „unsere“ Nordschleife, wie wir sie kennen und lieben, dürfen wir mehr als besorgt sein. Den Ring macht man mit einer solchen Entscheidung kaputt. Besitzer teurer und exklusiver Sportwagen werden sicher nicht nach Deutschland auf einen Trackday reisen, um auf sich auf der Rennstrecke ein Tempolimit unterwerfen zu müssen. Wie will man so die zahlende Kundschaft in der Region halten? SAVE THE RING.

Text: sb
Foto: sb


Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

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