Erleben ist dabei auch genau das richtige Stichwort. Wenn man ihn nicht erlebt, kann man ihn auch kaum verstehen. Und daher fange ich vielleicht auch lieber an, über die Sachen zu sprechen, die er nicht kann. Dann haben wir das wenigstens am Anfang abgehakt und es bleiben keine Fragen offen: sparsam? Nö, is‘ nich‘. 12-14 Liter sind ein realistischer Reiseverbrauch. Komfortabel? Luxuriös? Klar, Sebastien Loeb hat seine Rallyetitel ja schließlich auch mit Spurhalteassistenten, Woll-Fußmatten und Massagesitzen gewonnen. Richtig, auch von Komfort kann man beim Evo nur sprechen, wenn man sonst morgens üblicherweise nach dem Schlaf im Nadelbett über eine Ladung Glasscherben im Hausflur zur Toilette läuft. Dezenter Auftritt? Understatement? Auch das klappt beim Evo in etwa so gut, als würde ein fünfzigjähriger in Baggy-Pants und viel zu groß geratenem Shirt auf dem Schulhof versuchen dazuzugehören. Sprich: er fällt auf. Und während ein paar der Schüler den seltsamen Kerl aus diesem Vergleich zwar vielleicht noch irgendwie cool finden, schütteln die meisten anderen den Kopf. Das trifft es auch ziemlich gut, wie es einem mit dem Evo ergeht. Und da hat sich auch Mechthild schon zurecht gefragt, was wohl die schöne Nachbarin vom Evo halten mag.
Aber so ein bisschen vulgär mögen wir unsere Autos ja seltsamerweise. Das fällt umso mehr auf, wenn einem der Blick in den dank riesigem Heckspoiler völlig unnützen Rückspiegel mehr anmacht, als ärgert. Von Indentitätsproblemen also keine Spur, ein echter Macho eben. Aber halt, auch da ist nicht alles so wie es scheint. Klar, wir haben optimale Zutaten: ein Vierzylinder mit großem Turbo, 217 kW (295 PS), Allradantrieb und – hier hat die Moderne dann doch Einzug gehalten – ein Doppelkupplungsgetriebe nebst dem allseits bekannten Allradantrieb. Das sorgt für den Sprint auf 100 in 5,5 Sekunden – natürlich mit Launch Control. Aber seltsamerweise ist der Mitsubishi Lancer Evo doch nicht der radikale Macho, den man sich eigentlich vorgestellt hat.
Ein großer Kritikpunkt ist dabei sicher auf den Sound zurückzuführen. Tritt man einen 50-PS-0-8-15-Kleinwagen knallhart in den Begrenzer, bekommt man auch in etwa ein Bild von der Geräuschkulisse des Evo. Anfangs nur „möööääh“, dann etwas gequältes Gedrehe und am Ende der Drehzalqual ein maues „meeee“ statt „RATATATATATA!“. Zwar geben die dicken Rohre im Heck im Stand und von außen belauscht ein nettes Brummen von sich, springt die Nadel des Drehzahlmesser aber nach oben, kommt da leider nichts weiter. Und auch das Doppelkupplungsgetriebe lässt innerlich Sehnsucht danach aufkommen, wo denn der knallharte Sportler hin ist – wenn der Schaltknauf auch zugegebenermaßen verdammt „Baseballig-cool“ ausschaut. Die Gangwechsel vollzieht das Getriebe zwar angenehm, aber grundsätzlich auch sehr unspektakulär. Keine Porsche-artigen Nackenschläge beim Einlegen der nächsten Gangstufe, kein wildes Zwischengasgebrülle beim Herunterschalten, kein fieses, rotziges Husten, beim Hochschalten unter Last.
Wer hier nun aber kurz davor ist, zutiefst enttäuscht zum Fazit hinunterzuscrollen und sich besorgt fragt „ist der Evo denn noch ein Evo“, dem sei versichert: ja, ist er! Und dabei gibt er ganz den knallharten Allradsportler. Will sagen: wenn du kurz davor bist, dich in die ewigen Jagdgründe zu schießen und dann noch bereit bist, voll aufs Gas zu trampeln, dann wird aus der Raupe Evo ein Schmetterling und dir ist sofort klar: ja, der Evo ist immer noch ganz der Evo. Ganz verrückt wird es, sobald man mit dem Evo auf nassen schmierigen Straßen unterwegs ist. So beispielsweise, als Alok von Speedhunters und ich für einen seiner #Dreamdrives den Evo über’s Hahntennjoch gescheucht haben. Den Grip den er aufbaut, ist phänomenal. Etwas schade, dass sich bei hohen Kurventempi zuerst die Gummis an der Vorderachse nach Grip schreiend zu Wort melden, solange man aber nur seinem kleinen Colin McRae im Hinterkopf lauscht, „if in doubt, flat out“ und sich daran hält, wird jede Biegung, jede Kurve zur Geraden. Dabei fühlt sich selbst der Motor eigentlich kaum spektakulär an: untenrum kommt nichts, in der Mitte schiebt er und obenraus wirkt er angestrengt und zugeschnürt. Gut, vielleicht sind die Erwartungen auch zu hoch gesteckt, denn der wilde Turbopunch fehlt eben, liegen doch auch „nur“ 366 NM Drehmoment an. Da man in den Ecken aber eh kaum Tempo herausnehmen muss, stört das kaum.
Richtig Spaß macht die Kurvenhatz zudem mit den wunderbar engen und viel Seitenhalt bietenden Schalensitzen. Wie in Adams pubertären Schoß fühlt man sich und freut sich, auch in der nächsten Ecke für ein normales Auto viel zu früh auf den Pinsel zu treten, Querbeschleunigungen jenseits von gut und böse zu erleben und dem hinterherfahrenden Kollegen, der sich alleine auf Grund des Heckspoilers zu einem Rennen herausgefühlt hat, die Stirn bieten zu können. Ansonsten ist der Innenraum allerdings auch sehr spartanisch eingerichtet: Plastik, wie man es noch aus der vorletzten Dekade des Automobilbaus kennt, ein Navi, das eher wirkt wie aus dem Zubehör, das hat irgendwie einen speziellen Charme, macht aber klar, woran man hier ist. Da wirkt der dicke Subwoofer des Rockford Fosgate Soundsystems fast schon deplaziert, aber immerhin stimmt der Sound hier. Dass das Navi mir aber standardmäßig vor engeren Kurven mit einem nervigen Warnton permanent den letzten Nerv rauben will, wirkt dann allerdings etwas skurril – immerhin, das Warngeräusch ist wenigstens abschaltbar.
Fazit
Jawohl, der Mitsubishi Lancer Evo ist unvernünftig. Und ja, es ist auch irgendwie nicht mehr so ganz zeitgemäß, dass ein aufgeladener Vierzylinder nahezu unmöglich unter 10 Liter zu bringen ist. Aber der Evo ist sich treu geblieben. Er versucht nicht der Lifestyle-Bling-Bling-Stylo-Racer zu sein, wie manch anderer „Ex-Sportler“. Und doch ist er leider nicht mehr so krawallig, wie man es von ihm gerne hätte. Hopfen und Malz sind aber noch nicht verloren, die Grundzutaten sind noch immer die selben und sie versprechen immer noch jede Menge Spaß. Jetzt noch eine etwas giftigere Motorcharakteristik, das Getriebe etwas forscher arbeiten lassen – oder besser gleich den Handschalter ordern – und aus dem Heck die richtige Musik tönen lassen. Zwei mal Software, einmal Hardware. Dann werden der Evo und ich sicher auch dicke Freunde. Trinkverhalten? Das ist mir dann auch egal.
Worin er besticht
Mit maximalem Grip so schnell in die nächste Kurve fliegen, dass es selbst dir als Fahrer schlecht wird – und dann noch vor dem Scheitelpunkt das Gaspedal gen Bodenblech nageln, um auf optimaler Linie in Richtung Kurvenausgang zu fliegen.
Worin er nicht überzeugt
Sprit-sparen, Komfort, Sound und überhaupt so ziemlich alles, das nicht dem reinen Fahren geschuldet ist. Ob es der etwas magere Sound oder das wenig begeisternde Doppelkupplungsgetriebe ist, was mich am meisten stört? Schwere Entscheidung. Immerhin: inzwischen ist der Evo in Deutschland auch wieder als Handschalter erhältlich!
Meine Lesetipps zum Mitsubishi Lancer Evo X
- asphaltfrage.de – Und die Nachbarin? Mitsubishi Lancer Evo X
- bycan.de – Mein Mitsubishi Lancer Evo X Mixtape
- mein-auto-blog.de – Mitsubishi Lancer Evolution Fahrbericht
- rad-ab.com – Gefahren: Mitsubishi Lancer Evolution 2012
- fanaticar.de – Good bitch … … bad bitch – Ein nicht ganz so ernst gemeinter Vergleich zwischen Audi TT RS Roadster und Mitsubishi Lancer Evolution
Wertung
- Fahrdynamik: 8
- Fahrspaß: 6
- Sound: 3
- Verarbeitung: 4
- Komfort: 3
- Ausstattung: 4
- Verbrauch: 2
- Preis/Leistung: 5
- Persönliche Anziehungskraft: 7
Technische Daten
Mitsubishi Lancer Evo 2.0 MIVEC MR TC-SST
- Motor-Bauart:
- Vierzylinder DOHC mit elektronisch gesteuerter Multi-Point Einspritzung, Turbolader mit Ladeluftkühlung und MIVEC (variablen Steuerzeiten)
- Hubraum:
- 1.998 cm³
- Leistung:
- 217 kW / 295 PS bei 6.500 U/Min
- Drehmoment:
- 366 Nm bei 3.500 U/Min
- Höchstgeschwindigkeit:
- 242 km/h
- Beschleunigung (0-100 km/h)
- 5.6 Sekunden
- Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
- 14.4 L / 8.1 L / 10.4 L SuperPlus (ROZ 98)
- Grundpreis Mitsubishi Lancer Evo 2.0 MIVEC MR TC-SST:
- 49.950 €
- Testfahrzeugpreis:
- 49.950 €
- Testverbrauch:
- 17.8 Liter / 100 km über 1.538 km
- Leergewicht:
- 1.665 kg
- Max. Zuladung:
- 375 kg
- Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
- 4.505 mm / 1.810 mm / 1.480 mm
Disclosure zur Transparenz
Das Fahrzeug wurde mir freundlicherweise von Mitsubishi für den Test zur Verfügung gestellt. Der Test erfolgte unabhängig. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.
5 Kommentare
Na, dann hat sich ja mein Eindruck vom Evo bei dir auch voll und ganz bestätigt 🙂
Yepp, das dachte ich mir auch, als ich deinen Artikel durchgelesen habe 😉 Auch bei mir ein echtes Mixtape.
Handschaltung gehört für mich einfach dazu, so einfach ist das 😉 Allerdings bin ich von dem Evo nicht mehr so ganz überzeugt, wenn ich ehrlich bin. Mit sind das inzwischen zu viele Abstriche, die man qualitativ und dementsprechend beim Gesamtpaket machen muss. Wirklich sehr schade…
Ich bin da ehrlich gesagt immer hin und her gerissen.. Ich steh auf Handschalter, den Spaß selbst Zwischengas zu geben, die Gänge reinzuprügeln 😉 Eine Wonne..
Aber andererseits freue ich mich auch extrem, in einem Auto mit richtig gutem Automatik-/Doppelupplungsgetriebe zu sitzen, das akustisch bei jedem Gangwechsel was abbrennt und ich damit auch „einfach so“ richtig schnell sein kann.
Zum Evo: ja, irgendwie fehlt das ganz radikale, am Sound lässt sich ja aber zum Glück auch arbeiten 😉
Schöner Mitsu. bin ein großer Fan von dieser Marke wegen ihrer Zuverlässigkeit. Ich hatte schon Carisma, Galant, Lancer, und plane einen erneuten Kauf. Schöne Leistung und ich mag den Innenraum