Das vierblättrige Kleeblatt ziert bereits seit 1923 die sportlichsten Modelle der italienischen Marke, die wie kaum eine zweite für besondere Leidenschaft bei Autos steht. Ugo Sivocci malte auf seinen Alfa Romeo RL ein vierblättriges Kleeblatt auf einer weißen Raute für alle vier antretenden Werksfahrer und gewann damit die legendäre Targa Florio. Am 8. September 1923 verunglückte er in Monza mit einem Alfa P2 tödlich, auf welchem kein Kleeblatt aufgemalt war. Seit diesem Tag an ziert das vierblättrige Kleeblatt jeden im Motorsport eingesetzten Alfa Romeo und alle sportlichen Topmodelle der jeweiligen Baureihe. Nun aber auf einem weißen Dreieck statt einer Raute um Respekt vor dem unersetzbaren Ugo Sivocci auszudrücken.
Eine Tradition also, die verpflichtet und Alfas Historie im Motorsport auch heute immer wieder in Erinnerung ruft. Ein zu schweres Erbe für ein sportliches Modell der Golf-Klasse? Darüber mag man streiten können, Fakt ist aber: die Giulietta ist eine Schönheit und das als QV noch viel mehr! Das beginnt alleine schon mit den wunderschönen Felgen im „Turbinenrad“-Design (Aufpreis: 700 €), welche matt-schwarz lackiert sind und fünf metallisch-glänzende Speichen zum Kontrast hat – traumhaft! Es geht weiter bei der äußerst auffällig und attraktiven Lackierung in „Rosso Competizione“. Die schlägt zwar mit satten 2.500 € in der Aufpreisliste zu Buche, ist aber jeden einzelnen Cent wert und ist übrigens auch die Farbe, in welcher der Alfa 8C auf sich aufmerksam macht.
Am Heck zieren zudem zwei chromfarbene Auspuffrohre, eines auf jeder Seite, die Heckschürze. Soviel sei aber bereits hier verraten: ernsthaft richtig Eindruck schinden wollen die beiden optisch hübsch anzusehenden Endrohre mit ihrer akustischen Präsenz allerdings nicht, hier mimt die Giulietta QV eher den gelassenen Gran Turismo. Das klappt im Innenraum nicht ganz so gut. Der ist zwar – genau wie die äußere Hülle – wunderschön, Ergonomie und Komfort erlauben aber Tadel. Die Sitz im so genannten Cannelloni-Design (600 € Aufpreis) sehen etwa fantastisch aus, insbesondere auch dank ihrer Lochung und der roten Kontrastnähe. Es fehlt ihnen aber ernsthaft an Seitenhalt, weder Sitzfläche noch Rückenlehne sind tief genug ausgeformt und die Beine liegen nicht vernünftig auf der Beinauflage auf.
Das soll es dann aber auch schon mit Gemeckere gewesen sein, denn ansonsten punktet der Innenraum insbesondere optisch und auch mit ordentlicher Verarbeitung: das in gebürstete dunkelblaue Aluminium auf dem Armaturenbrett sorgt alleine für ein wohliges Ambiente und die schönen Schalter für Heckscheibenheizung und Co erinnern sofort an den Rennsport. Auch die Skalen der Rundinstrumente begeistern mit ihrem sportlichen Design und guter Lesbarkeit. Das Geschehen hat der Fahrer mit einem griffigen Sportlenkrad im Griff. Höchstens könnte man sich hier noch fragen, warum ausgerechnet die Topmodelle mit einer schwarzen Kunststofffläche um den Pralltopf herum den wertigen Eindruck herunterziehen müssen.
Sonst alles gut? Ok, einen hab ich noch: der Plastik-Schaltknauf, welcher einfach nur in einem polierten Alu-Look lackiert ist, liegt zwar grundsätzlich gut in der Hand, ist aber dank seiner glatten Oberfläche auch recht schmierig und rutschig. Sicher, eine Kostenfrage, aber echtes Alu mit rauher Oberfläche würde deutlich angenehmer in der Hand liegen. Zumal sich der Schaltknauf nie kalt anfühlt und damit sofort spürbar ist: Plastik! Über das Infotainment-System möchte ich an dieser Stelle nicht meckern. Das habe ich bei meinem ersten Kontakt mit der Alfa Romeo Giulietta bereits ausführlich gemacht. Und viel wichtiger: mit dem kürzlich vorgestellten Facelift ist dieser Missstand dank des neuen U-Connect Systems ohnehin behoben.
Genug aber über Komfortfeatures & Co gesprochen, im Kern eines sportlichen Modells stehen ohnehin die fahrerischen Qualitäten. Und da fangen wir am besten beim Motor an. Der 1.8 Liter Turbomotor ist zwar kein Spritsparwunder, aber macht einen fantastischen Job, wenn es um sportliches Vorankommen geht: drehfreudig, zwar mit gewisser aufladungsbedingter Verzögerung, klettert das Triebwerk die Drehzahlleiter hinauf. Theoretisch bis zu 6.500 Umdrehungen, wo dann im Begrenzer unspektakulär der Saft abgedreht wird. Aufgeregtes Begrenzer-Geboller ist der feinen Dame fremd. Sinn macht das Ausreizen des Drehzahlbandes allerdings nur begrenzt, denn ab etwas über 5.000 Umdrehungen fehlt es dem Triebwerk etwas an Willenskraft, kann dafür im mittleren Drehzahlbereich mit sehr guter Elastizität überzeugen. Denn im Dynamic-Modus liegen immerhin per Overboost bis zu 340 NM Drehmoment an. Das relativ lang übersetzte Sechsganggetriebe lässt sich zudem sehr schön durch die Schaltgassen bewegen. Etwas knackiger dürfte das zwar gehen, einen falschen Gang einzulegen ist aber eher ausgeschlossen.
Das Fahrverhalten der Giulietta mit Kleeblatt auf der Seite fällt bei ordentlicher Kurvenhatz sehr neutral aus. Heckschwenks sind nur mit Mühe wirklich zu provozieren, stattdessen schiebt die Giulietta bei hohen Tempi eher seicht über die Vorderachse. Dank der kurzen Lenkübersetzung lässt sie sich zudem zehr zielgenau um jegliches Kurvengeschlängel dirigieren und vermittelt in der Lenkung ein schönes und fein gezeichnetes Feedback vom Straßenzustand, insbesondere im Dynamic-Mode des dreistufigen Fahrerlebnis-Programmes „D.N.A.“. In diesem Modus werden zudem die Dämpfer gestrafft, die Motorcharakteristik angepasst und die Regelschwellen des ESP nach oben gesetzt. Erstes funktioniert sehr gut, die QV gibt sich kaum Blöße in Puncto Seitenneigung und die Komforteinbußen sind immer noch erträglich. Letzteres hingegen funktioniert nicht so gut, wie erhofft.
Das ESP ist nicht vollständig abschaltbar und funkt beim Beschleunigen in engen Ecken immer noch ziemlich früh ins Geschehen, obwohl die Giulietta ein wenig Schlupf vertragen würde, bevor das frühe Beschleunigen im Scheitelpunkt in einer Geradeausfahrt enden würde. Dafür zeigen sich die Bremsen von der standhaften Seite, selbst wenn man es auf der Bergabfahrt von der Rossfeld Panoramastraße ordentlich laufen lässt.
Fazit
Das große Gefühlskino, das die Alfa Romeo Giulietta QV bei ihrem Anblick verursacht, gerät etwas ins Hintertreffen, wenn man sie zum wilden Tanz bittet. Sie kann sportlich, sie kann flott, aber wild und maßlos, das ist eben nicht ihr Ding. Es würde aber auch nicht zu ihrem Charakter passen. Die Giulietta QV ist kein kompromissloser Racer. Sie ist eher als sportiver GT zu verstehen und dieses Anforderungsprofil erfüllt sie sehr gut. Fahrspaß, traumhaftes Styling, ein sportlicher Motor, ein Fahrwerk, welches den Spagat zwischen Sportlichkeit und Komfort erstaunlich gut beherrscht – wenn jetzt noch die Ergonomie der Sitze ein wenig verbessert wird, dann wäre sie wohl der perfekte „kleine GT“, das schönste uns interessanteste Fahrzeug ihrer Klasse ist sie ohnehin schon. Mit mindestens 30.000 € ist die Giulietta QV zwar kein Schnäppchen, aber für ein solches Design zahlt man auch bei nicht-automobilen Produkten bekanntermaßen gerne einen Aufpreis.
Worin sie besticht
Die Giulietta QV ist zwar eine Freude in Puncto Sportlichkeit, aber mein Kernmerkmal für sie ist und bleibt einfach das Styling: sportlich über einen Pass räubern, danach ins Eiscafé und einfach nur begeistert schauen, wie wunderschön dieses Auto ist – mehr braucht es nicht.
Worin sie nicht überzeugt
Der Teufel steckt im Detail: die Sitzergonomie (zumindest bei 1,90m Körpergröße) bereitet mir Probleme beim GT-Charakter der Giulietta und das nicht abschaltbare ESP stellen die sportliche Grundausrichtung in Frage.
Wertung
- Fahrdynamik: 6
- Fahrspaß: 7
- Sound: 4
- Verarbeitung: 6
- Komfort: 5
- Ausstattung: 6
- Verbrauch: 3
- Preis/Leistung: 4
- Persönliche Anziehungskraft: 8
Technische Daten
Alfa Romeo Giulietta 1.8 TBi 16V Quadrifoglio Verde
- Motor-Bauart:
- Vierzylinder DOHC 16V Direkteinspritzer mit Scavenging Technologie und Abgasturboaufladung mit Ladeluftkühler
- Hubraum:
- 1.742 cm³
- Leistung:
- 173 kW / 235 PS bei 5.500 U/Min
- Drehmoment:
- 340 Nm bei 1.900 U/Min
- Höchstgeschwindigkeit:
- 242 km/h
- Beschleunigung (0-100 km/h)
- 6.8 Sekunden
- Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
- 10.8 L / 5.8 L / 7.6 L E10 (ROZ 95)
- Grundpreis Alfa Romeo Giulietta 1.8 TBi 16V Quadrifoglio Verde:
- 29.950 €
- Testfahrzeugpreis:
- 37.950 €
- Testverbrauch:
- 11.9 Liter / 100 km über 1.829 km
- Leergewicht:
- 1.395 kg
- Max. Zuladung:
- 430 kg
- Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
- 4.351 mm / 1.798 mm / 1.465 mm
Disclosure zur Transparenz
Das Fahrzeug wurde mir freundlicherweise von Alfa Romeo für den Test zur Verfügung gestellt. Der Test erfolgte unabhängig. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.
3 Kommentare
Ha. Fehlerteufel. Es sind 5 metallisch-glänzende Speichen 😉 Wunderschöner Bericht und noch ein wunderschönerer Autowagen 🙂 Der Preis schreckt aber schon, wie ich finde, etwas von einem Kauf ab.
Wenn man nicht bis 5 zählen… 😀 Danke, ist korrigiert!
Ja, der Preis.. Der Grundpreis ist IMHO durchaus in Ordnung, passt auch zu anderen sportlichen kompakten. Aber ja, in der Testwagen-Ausstattung schon nahe an die 40.000 € ist nicht ohne.
Richtig toller Bericht und sehr schöne Fotos! Ich kann alle deine Erfahrungen absolut nachvollziehen. Ein wunderschönes Auto, dem es jedoch an Feinschliff und Konsequenz fehlt.