Was macht eine gute Limousine in der gehobenen Vertreterklasse aus? Klar, Reisequalitäten. Aber wir wären hier ja nicht bei passion:driving, wenn’s nicht auch ums Eck gehen soll. Der neue Audi A6 schickt sich an, genau das zu tun und bläst als dynamische Reiselimousine zum Kampf im Linke-Spur-Segment.

Ok, ok. So ein Einstiegs-A6 ist bestimmt auch irgendwie ganz fein. Doch mit Preisen von knapp unter 60.000 € lockst Du freilich keinen Bereichsleiter hinter dem Ofen vor. Da müssen schon ein paar Hakerl gesetzt sein, damit sich der Kaufpreis auf ein stattliches Sümmchen nahe der Hunderttausendermarke addiert. Und von diesen Hakerln gibt’s im Konfigurator so einige, damit der A6 das Technologiefeuerwerk abbrennt, von welchem Audi in seiner Pressemappe so vollmundig schwärmt.

Audi A6 (C8) 45 TDI quattro

Nicht jede Form des Fortschritts ist dagegen gleich aufpreispflichtig. Sei es die neue, sehr viel steifere und leichtere Karosserie, welche den Passagieren im Fond 17 mm mehr Beinfreiheit gönnt, die grundsätzliche Mild-Hybridisierung (MHEV), die verbesserte Akustik oder die serienmäßige Progressivlenkung (die Lenkung wird mit zunehmendem Lenkeinschlag direkter). Von all diesen Neuerungen profitiert der neue A6 – völlig unabhängig davon, ob nun volle Hütte oder nackter Schuppen bestellt wurde. Wobei sich zu letzterem wohl ohnehin nur der ein oder andere Mietwagenanbieter genötigt fühlen dürfte – oder arme Teamleiter.

Wenn’s halt doch das Technikfeuerwerk sein soll – bitteschön. Schnappt euch einen Kaffee und lest weiter: Wir beginnen mit dem neuen „MMI touch response System“, welches einen Großteil der Knöpfe und Schalter im Innenraum eliminiert. Drei Displays – das Virtual Cockpit (ab MMI Navigtion plus: 2.200€) kennen wir bereits – vereinen nahezu alle Fahrzeugfunktionen auf sich und lassen physische Taster nur noch für die wichtigsten Funktionen zu. Über das obere Display (8,8-Zoll-Display mit Radio & Navi ist Serie, das 10,1-Zoll-Display gibt es ab MMI Navigation plus), wird das Infotainment bedient, die Navigation dargstellt, Android Auto und Apple CarPlay eingebunden, Fahrzeug- und Systemeinstellungen vorgenommen, Medien wiedergegeben und und und. Es ist, wie bisherige Infotainmentsysteme eben auch, nur eben in schön und vom Bedienkonzept so gründlich aufgeräumt worden, dass es dem entspricht, wie man es von modernen Smartphones auch gewohnt ist.

Nur was für Bereichsleiter…

Im unteren Display werden Funktionen dargestellt, auf die man stets Zugriff haben möchte: die Klimatisierung etwa (eine 2-Zonen-Klimaautomatik ist Standard, eine 4-Zonen-Klimaautomatik gibt es gegen 800€ Aufpreis). Darüberhinaus sind dort frei belegbare Shortcuts konfigurierbar, damit man die für sich persönlich wichtigsten Funktionen schnell und ohne Umwege über Menüs erreichen kann. Das untere Display dient außerdem auch als Eingabegerät, etwa bei der Zieleingabe im Navigationssystem. Dann wandelt sich das untere Display in eine Schreibfläche, um mit dem Finger Buchstaben zu zeichen (was schnell und unkompliziert geht), die Hand kann dabei bequem auf dem eigens dafür platzierten Gangwahlhebel ruhen.

Beide Displays sind reine Touchdisplays, welche allerdings auch drucksensitiv reagieren und mit einem Klickgeräusch und haptischem Feedback reagieren – sehr schön. UI Elemente müssen beispielsweise stets über einen leichten Druck ausgewählt werden, das Wischen durch Menüs etwa geht dagegen ohne Druck. Das funktioniert intuitiv sehr gut und vermeidet häufige, ungewollte Fehleingaben.

Die Displayisierung des Fahrzeuglandes

Zum Technologiefeuerwerk darf man sicher auch das Bang & Olufsen Advanced Soundsystem mit 3D Sound (6.450€) zählen. 3D bedeutet hier, dass ein DSP versucht, Höheninformationen in die Musik zu rechnen. Und damit man sich in diesen räumlichen, wie akustischen Weiten des A6 Innenraums wohlfühlt, gibt es natürlich auch eine Ambient- und Konturbeleuchtung (560€ bei A6 und A6 sport, 250€ bei A6 design), welche jeweils in 30 unterschiedlichen Farben konfigurierbar sind. Klar, braucht man nicht unbedingt, aber die beleuchtete quattro-Zierleiste im Armaturenträger schaut schon cool aus und entspannt vielleicht auch den Beifahrer ein wenig, wenn der Fahrer im Vertretermodus mit einer viertel Wagenlänge Abstand den Grand Prix de A5 zu gewinnen versucht.

Fond des Audi A6 (C8) 45 TDI quattro

Dabei müsste das gar nicht sein, denn entsprechend ausgestattet tut der A6 alles dafür, ein möglichst entspanntes Vorankommen zu ermöglichen und ist durch und durch auf den Job auf langen Autobahnetappen getrimmt worden. Eine aufwändige Aeroakustik auf der einen Seite, aber auch feine Details, wie Torusabsorber (in den Reifen eingeklebte Schaumstofflagen, ab 19″-Rädern) sorgen für ein niedriges Geräuschniveau – erst recht mit optionaler Akustikverglasung. Assistenzsysteme noch und nöcher machen zusätzlich das Fahren zur fast schon subtilen Tätigkeit.

Der „Adaptive Fahrassistent“ (Assistenzpaket Tour, 2.000€) etwa vereint bekannte Assistenzsysteme auf neue Weise: ist er aktiv, muss man als Fahrer (fast) nur noch Gas geben. Geht man vom Gas, wird automatisch das Tempo reduziert, um nicht auf das vorausfahrende Fahrzeug aufzufahren (der Abstand wird wie beim adaptiven Tempomaten reguliert) oder auf Tempolimits etc heruntergebremst. Zusätzlich ist beim adaptiven Fahrassistent auch eine erweiterte Spurführung aktiv, die fein und subtil arbeitet und auch auf Landstraßen eine angenehme Lenkunterstützung bietet.

Weiters gibt es den Engstellenassistenten, der für eine sichere Spurführung etwa in Baustellen sorgt, einen Stauassistenten, Kreuzungsassistenten (Assistenzpaket Stadt, 1.200€), Car-To-X-Kommunikation (für Verkehrszeichen und Gefahreninformationen) und letztlich auch einen Effizienzassistenten. Den kennen wir in ähnlicher Form bereits seit einer Weile: er weist frühzeitig etwa auf Tempolimits, Kreuzungen oder Kurven hin, damit der Fahrer weiß, wann er vom Gas gehen und das Fahrzeug einfach rollen lassen kann. Im A6 pulsiert zu diesem Zweck auch das Gaspedal mit zwei kurzen Stößen, was intuitiv und sauber funktioniert – man lässt das Auto viel häufiger Segeln.

Dank Mild-Hybridisierung (MHEV) mit dem 48V-Bordnetz und einem 10 Ah Lithium-Ionen-Akku für 45 TDI, 50 TDI und 55 TFSI geht das zwischen 55 und 160 km/h. Zu guter Letzt rundet ein großes und umfangreich informatives Head Up Display (1.400€) das Gesamtbild ab, von HD-Matrix-LED-Scheinwerfern (2.100€) mal abgesehen.

Audi A6 (C8) 45 TDI quattro in Florettsilber

Und wie schaut’s an der Fahrdynamikfront? Hier profitiert der A6 von seinem verhältnismäßig niedrigen Gewicht und der neuen, hochsteifen Karosserie. Der 45 TDI mit seinem 3-Liter-V6-Diesel bringt rund 1,8 Tonnen inklusive Fahrer auf die Waage. Das reicht für properes Vorankommen. Die Kraft wird ab 500 Nm Drehmoment (und damit bei den beiden V6-Dieselmotorisierungen 45 und 50 TDI) per Achtstufen tiptronic Wandlerautomatik übertragen. Das altbekannte ZF8HP-Automatikgetriebe wurde allerdings deutlich auf den Komforteinsatz kalibriert und fällt bei dynamischer Fahrweise eher mit einer gewissen Trägheit auf.

Die Kraft wird bei diesen beiden Dieselvarianten per konventionellem quattro-Allradantrieb permanent an alle vier Räder verteilt, die Drehmomenten von einem selbstsperrenden Torsen-Mittendifferenzial zwischen Vorder- und Hinterachse verwaltet. Optional gibt’s (nur für den A6 50 TDI) das elektronisch geregelte mechanische Sportdifferenzial (1.500€) für die Hinterachse, welches dort die Drehmomente zusätzlich zwischen den Hinterrädern verteilen kann.

Fahrdynamikwunder Hinterachselenkung

Für alle anderen Motorisierungen schaut’s dagegen etwas düsterer aus: die mit einer 40/60-Momentenverteilung eher hecklastig ausgelegte Torsenvariante muss beim 40 TDI (2 Liter Diesel) und dem 55 TFSI einer Kombination aus Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe und Haldex-Allradantrieb (nicht permanent) mit Lamellenkupplung unter dem Marketingnamen „quattro ultra“ weichen.

Audi A6 (C8) 45 TDI quattro in Florettsilber

Das fahrdynamische Schmankerl versteckt sich aber vor allem in der kostenpflichtigen Option „Dynamik Allradlenkung“ (1.900€). Wie schon bei A8 und A7 lenkt die Hinterachse optional mit. Im Regelfall bis 60 km/h gegenläufig. Das sorgt für einen kleineren Wendekreis und mehr Agilität durch einen virtuell verkürzten Radstand. Bei höheren Tempi wird parallel gelenkt, der Radstand virtuell verlängert und damit mehr Stabilität und Ruhe ins Fahrzeug gebracht. Der Effekt dieser Maßnahmen ist enorm. Wie leichtfüßig und spontan der A6 um die Ecken zirkelt, ist schon leicht beeindruckend – wenn nicht gar erschreckend. Während das Niederbrennen einer kurvigen Bergstraße im Vorgänger RS6 mehr mit einem Stochern im Nebel zu beschreiben war ist es hier das Asphaltfiletieren mit dem Skalpell.

Während du früher nur raten konntest, ob die Fuhre das hohe Gewicht um die Kurve wuchtet oder doch eher der Massenträgheit folgt und geradeausschiebt, wirft sich der neue A6 willig und direkt in die Kurven, kommt erst spät ins Untersteuern und fühlt sich in schnell durchfahrenen Wechselkurven an, als wolle er zum nächsten Slalomcup antreten. Für eine Limousine dieser Größe definitiv ein erstaunliche Leistung, die ganz große Vorfreude auf kommende S- und RS-Modelle wecken.

Dass hier im normalen A6, der fraglos kein Sportmodell ist, das grundsätzliche Setup der (aufpreispflichtigen) adaptive air suspension auch im Dynamikmodus mehr der komfortablen Seite des Lebens zugewandt ist und die Karosse sich durchaus auch ein paar Grad neigt, sollte keine Überraschung sein. Für das Gewusel auf der Landstraße ist der A6 aber auch als Nicht-Sportmodell erstaunlich gut geeignet.

Fahrwerke stehen übrigens vier zu Auswahl: das Standardfahrwerk besteht aus Stahlfedern und konventionellen Dämpfern, an zweiter Stelle steht ein 20mm tieferes Sportfahrwerk mit Stahlfedern und konventionellen Dämpfern (420€), darauf folgt das Fahrwerk mit Dämpferregelung und 10mm Tieferlegung (1.130€). Die vierte Variante ist die angesprochene adaptive air suspension (2.000€) bestehend aus Luftfederung und adaptiven Dämpfern, welche den A6 in der Normalposition ebenfalls 20mm tiefer an den Asphalt bringt. Ab 120 km/h wird der A6 um weitere 10 mm abgesenkt, sofern man nicht im Komfortmodus unterwegs ist.

Fazit

Der neue Audi A6 ist damit insgesamt ein beeindruckendes Stück Technik. Der Fahrkomfort ist durch das Fahrwerk und das Geräuschniveau auf einem Level mit reinen Luxuslimousinen. Die Assistenzarmada bringt sich gut ins Geschehen ein und macht lange Fahrten sehr viel entspannter, ohne das Gefühl zu vermitteln, die Kontrolle an die Systeme abzugeben. Der adaptive Fahrassistent bringt sich unwarhscheinlich harmonisch in die vom Fahrer kontrollierte Situation ein und ergänzt das Fahrerlebnis, statt es zu überschreiben.

Für mich noch beeindruckender ist die Performance des A6 im kurvigen Geläuf. Wo man beim Vorgänger noch in einem Kokon isoliert war und keine Verbindung zur Straße spürte, ist man beim neuen A6 voll ins Geschehen involviert, fühlt das Auto intuitiv und lässt sich immer wieder von seiner Leichtfüßigkeit überraschen – dank der Hinterachslenkung. Der A6 ist vor allem für die Autobahn, aber auch die Landstraße ein ziemlich beeindruckendes Paket, dem es an nichts fehlt – zumindest, wenn man die Aufpreisliste komplett abgearbeitet hat.

Audi A6 (C8) 45 TDI quattro in Florettsilber

Fehlt für das perfekt abgerundete Reisevergnügen auf der linken Spur eigentlich nur noch der Lichthupen-Assistent, um der Zielgruppe den Job so einfach wie möglich zu gestalten. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Zum Markstart werden der Audi A6 50 TDI und A6 55 TFSI zu Preisen ab 58.050€ (50 TDI) bzw. 59.850€ (55 TFSI) angeboten. Der A6 40 TDI und A6 45 TDI folgen später, Preise sind derzeit noch nicht bekannt.

Text: sb
Fotos: sb/Werk

Disclosure zur Transparenz

Ich wurde von Audi nach Porto, Portugal eingeladen. Reisekosten, Verpflegung und Übernachtung wurden von Audi übernommen. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.

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Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

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